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Was Berlusconi noch nicht gehört  (Susanna Böhme-Kuby)

Das italienische Parlament ist gerade dabei, etwas abzuschaffen, was es in Deutschland gar nicht gibt: öffentliche Zuschüsse für Zeitungen, die keinen Verleger haben, also nicht profitorientiert wirtschaften müssen, sondern meist genossenschaftlich organisiert oder an Parteien oder Massenorganisationen gebunden sind. Im monokulturellen deutschen Blätterwald sind derartige Zeitungen seltene Ausnahmen. In Italien gibt es noch fast 100 solcher eigenständigen Titel, die zusammengenommen mehr als 4.000 Mitarbeiter (in den Redaktionen oder auch in den Druckereien beschäftigen. Sie stehen jetzt mehr oder weniger vor dem finanziellen Aus. Dazu gehören traditionsreiche, landesweit gelesene Organe wie L’Unità, il manifesto, Liberazione auf der Linken, aber auch rechte Tageszeitungen wie Secolo d’Italia, la Padania und il Foglio, um nur einige zu nennen. Sie decken ein breites politisches Meinungsspektrum ab und garantieren bisher die Vielfalt der Presse in Italien, ein Relikt der sogenannten Ersten Republik bis 1990.

Die finanzielle Unterstützung dieser Presse nach dem Gießkannenprinzip ist seit Jahren umstritten, denn es gibt dabei viele Ungereimtheiten, und der Regierung liegen deswegen mehrere Reformvorschläge vor. Doch bis zu einer organischen Neuordnung des Sektors, so hofften Journalisten und Leser, würde die bisherige Praxis beibehalten werden, die den Blättern vor allem zur Sicherung ihrer Bankkredite dient.

Die Zuschüsse, derzeit insgesamt 170 Millionen Euro, sollen gekürzt werden. Zum Vergleich: Die Ausgaben des Palazzo Chigi, also der Behörde des Ministerpräsidenten – vergleichbar dem Berliner Kanzleramt –, sind unter Berlusconi gegenüber seinem Amtsvorgänger Prodi schon im vorigen Jahr um 600 Millionen auf 4,3 Milliarden Euro gestiegen.

Das Dekret zum Haushaltsgesetz 2010 (»milleproroghe«, das heißt »1000 Verlängerungen« genannt), das am 10. Februar in erster Lesung per Vertrauensfrage durch den Senat gepeitscht wurde, gibt nun der Regierung die Axt in die Hand, um vor allem die Organe der letzten unbeugsamen Opposition zu fällen. Denn die Absicht ist nicht, alle Zuschüsse zu streichen, nur der bisherige »subjektive Rechtsanspruch« auf staatliche Hilfe soll entfallen. So wird die Regierung in Zukunft entscheiden können, wem was zusteht oder auch nicht. Bei einem solchen Eingriff zeigt sich, in welch krassen Gegensatz öffentliche und private Interessen unter einer Regierung geraten, deren Chef bisher schon über den größten Teil der Medien im Lande, vor allem über die meisten Fernsehsender, gebietet.

Man erinnere sich an die massiven Eingriffe in die weite Presselandschaft der Weimarer Republik, besonders mittels finanzieller Sanktionen. Damals war die Pressefreiheit nicht ausdrücklich von der Verfassung garantiert, sondern noch unter der Meinungsfreiheit subsumiert. Das ist heute anders, aber dieses Grundrecht ist längst in Widerspruch zur marktwirtschaftlichen Realität geraten. Schon in den 1960er Jahren stellte der renommierte Publizist Paul Sethe fest, Pressefreiheit sei die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung verbreiten zu lassen. Die Medienkonzentration hat inzwischen die Meinungslenkung weitgehend monopolisiert; auch wenn das der Mehrheit kaum bewußt ist. Dieser Prozeß, der anderswo Jahrzehnte dauerte, vollzieht sich jetzt in Italien in kurzer Zeit.

Die Nachricht von dem Schlag gegen die Non-profit-Presse platzte am 10. Februar in ein politisches Klima, in dem schon andere Brände schwelen: Wenige Wochen vor den Regionalwahlen vom 28. März verschärfte die Regierung mit einem Maulkorb-Dekret die Einschränkungen der politischen Meinungsbildung im Staatsfernsehen RAI. Ein solches Dekret war schon der letzten Parlamentswahl 2009 vorausgegangen, die Berlusconi zum dritten Mal an die Macht brachte. In der RAI gibt es bisher – trotz weitgehender Gleichschaltung mit der Regierungspropaganda – noch einzelne politische Talkshows, in denen auch oppositionelle Stimmen zu Wort kommen. Das soll sich ab sofort ändern, zumal die Parteien der Restlinken, die aufgrund ihrer mehrfachen Spaltungen und der Vierprozentklausel nicht mehr im Parlament vertreten sind, auch keinen Anspruch mehr auf Präsenz in den täglichen Wahlspots der öffentlichen Medien haben. Da erscheint es nur folgerichtig, auch deren Presse stillzulegen.

Die bedrohten Blätter werden sich zur Wehr setzen, die Tageszeitung il manifesto titelte am 11. Februar: »Saliamo sui tetti« (»Klettern wir auf die Dächer«), wie es viele von Entlassung bedrohte Arbeiter seit dem letzten Sommer machen, denn nur durch derart spektakuläre Aktionen können sie die Medien erreichen, die sonst den Regierungssprech verkünden, in Italien gebe es eigentlich keine Krise – ungeachtet Hunderttausender neuer Arbeitsloser.