General a. D. Klaus Naumann empört sich über die friedfertige Bischöfin Margot Käßmann und schießt volles Rohr: Sie gebe »ohne jede Sachkenntnis vor der Kanzel herab ihr hochmütiges, aber in jeder Hinsicht falsches Pauschalurteil« ab mit ihrem Satz: »Nichts ist gut in Afghanistan.« Die Aufforderung der EKD-Ratsvorsitzenden, »mehr Phantasie für den Frieden« aufzuwenden, wertet er in der Süddeutschen Zeitung als »Worthülse ohne jede Substanz« ab.
Naumann ist in der Tat kein Freund von Worthülsen. Vor einiger Zeit verfaßte er zusammen mit anderen ehemaligen NATO-Generälen ein Strategiepapier (»Towards a Grand Strategy for an Uncertain World«, 2007), in dem er den Politikern der NATO-Länder den Ersteinsatz von Atomwaffen gegen Nichtatomwaffenstaaten empfahl. Natürlich unter »sehr engen Bedingungen«. Eine Rationalisierung – so nennt man Kriegslügen in einer abgeklärten Sprache – hat sich bekanntlich noch immer finden lassen. Der die militärkritische Bischöfin tadelt, ist also ein Atomkriegsplaner.
Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr gibt sich zutiefst verletzt, weil die Bischöfin den Sinn militärischer Mittel in Afghanistan in Frage stellt und zugleich Grundsätzliches zu bedenken gibt. Warum kann ein Offizier wie Klaus Naumann das nicht aushalten als eine andere Stimme, die das Heil des Landes eben nicht im militärischen Interventionismus sieht? Ist ihm die Pluralität der Meinungen nicht geheuer? Hat er da ein Demokratieproblem?
Dem Protagonisten der »out-of-area«-Politik dürfte nicht entgangen sein, daß die deutsche Bevölkerung nicht mitzieht, trotz nun schon 20-jähriger Bemühungen von Politikern und Militärs, ihr den weltweiten aktiven Einsatz der Bundeswehr als das Kernelement der »Neuen Normalität« des vereinigten Deutschlands zu verkaufen. Nach der Erfahrung der beiden Weltkriege und des Holocausts haben die Deutschen einen Einstellungswandel vollzogen. Sie sind heute friedlicher gesonnen als je zuvor in der deutschen Geschichte. Den Versuchungen neuer militärischer Machtpolitik sind sie bislang in ihrer großen Mehrheit nicht erlegen. Zwei Drittel oder sogar drei Viertel der Menschen in unserem Lande versagen dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan ihre Zustimmung. Sie wollen »mehr Phantasie für den Frieden«, wie Margot Käßmann.
In einem Punkt ist Naumann recht zu geben: Die deutschen Soldaten in Afghanistan sind zu bedauern, weil sie mit einer unlösbaren Aufgabe konfrontiert sind. William R. Polk, US-amerikanischer Historiker und ehemaliger Regierungsexperte für Guerillakriege, resümiert in einem neuen Buch als historische Erfahrung, daß Interventionsmächte ihre Kriege in aller Regel verloren haben, weil sie die Bevölkerung des besetzten Landes nicht von ihrer Legitimation überzeugen konnten. Der Afghanistan-Krieg von heute weist viele Parallelen zum Vietnamkrieg auf. Schon jetzt geht es für die Interventionsmächte nur noch um den Ausstieg ohne Gesichtsverlust. Für einen General wie Klaus Naumann ist diese Einsicht schmerzlich. Denn das Militär erweist sich einmal mehr als unfähig zur Konfliktlösung. Darin liegt das eigentliche Motiv für den scharfen Angriff des Offiziers auf die friedfertige Bischöfin.
Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte Naumanns Attacke unkommentiert. Eine Stellungnahme des Militärhistorikers Professor Wolfram Wette blieb ungedruckt; sie hätte wohl nicht in diese Zeit gepaßt, in der die Bundesrepublik, statt ihre Truppen aus Afghanistan abzuziehen, weitere hinschickt.
Red.