Auf dem Frachter »Dubbo« hatte Jack Londons visionärer Roman »Die Eiserne Ferse« die Runde gemacht. Als dann zur Mittagszeit der Funker mit der Schock-Nachricht über die Hinrichtung von Ethel und Julius Rosenberg in die Messe stürzte, gab es unter den Seeleuten nur eine Meinung: »Justizmord, Staatsrache, McCarthys Machenschaften« – das US-Kapital hatte zwei standhaften Kommunisten die eiserne Ferse auf die Kehle gesetzt. »Im Knast von Sing Sing«, sagte Jack Moran voller Wut. Die Frage von Schuld oder Unschuld stellte sich keiner – wie auch! Alle bezweifelten, daß die Rosenbergs je in der Lage gewesen waren, die Geheimnisse der Atombombe auszukundschaften. Und falls doch, falls durch sie die Russen gleichzogen; dann war’s gut für den Frieden der Welt. So dachten sie und basta! In etlichen Häfen Australiens hatten sie an Solidaritätskundgebungen für die Rosenbergs teilgenommen. Mit der Nachricht von heute spürten sie einen Verlust, ein Gefühl von Ohnmacht auch: Die da oben, wir hier unten. Sie fühlten sich eingesperrt auf dem Schiff, wollten an Land und etwas tun. Harry Bates, der Bootsmann, schlug mit den Knöcheln auf den Tisch und hievte sich hoch. Das Schiff schwankte im Wellengang, da setzte er sich wieder. »Mal herhören«, rief er, und als er fertig war, stimmten sie ihm zu: »Wird gemacht.« Alle blickten jetzt zu Jack Moran, dem Obmann, und der wurde praktisch. »Spätestens in zwei Stunden laufen wir ein und haben festgemacht – um drei sind wir von Bord, alle Mann hoch.« Als Gangwayposten schlug er Bill Bastian und Ern Murray vor. »Shit«, sagte Bill, gab dann aber nach und willigte ein, mit Ern an Bord zu bleiben.
So kam es, daß die gesamte Maschinencrew und sechs der acht Matrosen geschlossen an Land gingen, Punkt drei, in blank gewienerten Schuhen, frischen Hemden und sauberen Hosen und alle mit dem kleinen »golden wheel« der Seeleutegewerkschaft im Revers der Windjacken. Den Offizieren hatten sie keine Wahl gelassen: Entweder wir gehen, oder das Schiff liegt ein paar Tage lahm.
Es war kalt in den Hochhäuserschluchten von Sydney, windig und regnerisch an diesem Junitag im dreiundfünfziger Jahr – australisches Winterwetter. Sie schritten schnell aus in der Kälte und gelangten binnen kurzem zur amerikanischen Vertretung im Stadtzentrum. Dort stießen sie auf etliche Hundert Männer und Frauen, die gegen die Absperrungen der Polizei Sturm liefen. Es half nichts. Der Weg ins Gebäude blieb zu. Von den Mauern schallten ihre Rufe wider. »Murder – another Sacco und Vanzetti murder – Murder!« Über ihren Köpfen ragte ein überlebensgroßes Foto von Ethel und Julius, er in Handschellen, sie an seine Brust geschmiegt, ein Abbild innig Liebender. »Them bloody judges«, fluchte Jack Moran, »it just aint right«. Und die ihn hörten, nickten dazu: »Mörder, ein Richter mit blutigen Händen, der eine Mutter von zwei Kindern in den Tod schickt. Mörder!« Bootsmann Bates drehte sich zu einer Frau um, als die ihn anstieß: »Sie war nicht nur Mutter, die Ethel«, hörte er sie sagen, »die konnte singen, war Sängerin, und in der Gewerkschaft auch, war Arbeiterin und Kommunistin, und hielt zu ihrem Mann in all der Zeit. Und sagte kein einziges Wort zu denen, zu denen kein einziges Wort!«