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Wulffs Hochverrat  (Otto Köhler)

Sieben Tage bevor Christian Wulff zum Bundespräsidenten gewählt wurde, am 22. Juni 2010, gab das Bundesministerium für Verteidigung bekannt, »vor dem Hintergrund der massiven Sparzwänge im Haushalt« habe man »in Abstimmung mit dem Vorstand der Commerzbank entschieden, den Anfang September 2010 in Kiel geplanten Celler Trialog auszusetzen«. Diese Absage erfolgte gerade noch rechtzeitig. Eine Woche später wurde Christian Wulff zum Bundespräsidenten gewählt. Seine Kandidatur war seit dem 3. Juni bekannt.

Der Celler Trialog, von dem man seither in der Öffentlichkeit nichts mehr gehört hat, diente seit 2007 dem »Schulterschluß zwischen Politik, Bundeswehr und Wirtschaft«. Er war auf Initiative des damaligen Vorstandsvorsitzenden und heutigen Aufsichtsratschefs der Commerzbank, Reserveoberstleutnant Klaus-Peter Müller, in Zusammenarbeit mit führenden Rüstungskonzernen und der auch in Hannover tätigen 1. Panzerdivision entstanden. Die Teilnehmer des Celler Trialogs bekannten in einem »Celler Appell«: »Die Auslandseinsätze der Bundeswehr sind Ausdruck dieser größeren internationalen Rolle als Beitrag Deutschlands zu Frieden und Sicherheit in Europa und der Welt; sie prägen Deutschlands Bild im Ausland entscheidend. Deutschland ist durch die Globalisierung enger denn je mit den politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen anderer Staaten verbunden. Als rohstoffarmes, exportorientiertes Land ist Deutschland auf Stabilität und Sicherheit angewiesen.«

Das entsprach dem Geständnis, dessentwegen Horst Köhler 2010 als Bundespräsident zurücktreten mußte: Die Bundeswehr führt Krieg zur Rohstoffversorgung der deutschen Wirtschaft.

Schirmherr und Mitinitiator dieses Celler Trialogs war der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff. Um einen neuen Fall Köhler zu vermeiden, war es empfehlenswert, den Celler Trialog noch vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten abzubrechen.

Dazu kam: Christian Wulff hatte im Überschwang seiner kriegerischen Gefühle aus dem Celler Trialog ein hochverräterisches Unternehmen zum Sturz der verfassungsmäßigen Ordnung Niedersachsens gemacht. Er bekannte vor den versammelten Militärs, Bänkern und Rüstungsindustriellen. »Dies Land ist ein Bundeswehrland.«

Und das bedeutet: Aufhebung der parlamentarischen Demokratie und Umwandlung Niedersachsens in einen Militärstaat. Das ist Hochverrat. Niedersachsen ist – nach seiner Verfassung – ein freies Land und kein Bundeswehrland.

Wulffs hochverräterische Proklamation hatte Konsequenzen. Sie war für den Landtagspräsidenten ein selbstverständliches Gebot. Am 14. Januar 2011 – Wulff war schon Bundespräsident – marschierten in Hannover 250 Soldaten der 1. Panzerdivision in voller Uniform in das Plenum des niedersächsischen Landtags und nahmen die Plätze der frei gewählten Parlamentarier ein. Diese zogen sich widerstandslos auf die Zuschauertribüne zurück. Das geschah auf Anordnung des Parlamentspräsidenten Hermann Dinkla (CDU), der so die Soldaten zum Krieg in Afghanistan verabschiedete.

Ein frei gewähltes Parlament besetzt vom Militär. Wulff war es, der als Ministerpräsident Niedersachsen zum Bundeswehrland machte. Das ist eine Hinterlassenschaft, die schwerer wiegt als all die Schnäppchenjägerei, die bei vielen niedersächsischen Politikern üblich ist. Wulff stehe für ein »Wertesystem, das Orientierung gibt«, sagte die Kanzlerin, als sie 2010 ihren Kandidaten vorstellte. »Insoweit halte ich ihn für einen wunderbaren zukünftigen Bundespräsidenten.«