Die Bundesrepublik will für ihre internationalen militärischen Operationen Kampfdrohnen anschaffen, »predators« im US-amerikanischen Sprachgebrauch, vom Pentagon vor allem im nicht erklärten Krieg in Pakistan als Vorzugswaffe eingesetzt. Bei diesen »Raubvögeln« handelt es sich um unbemannte, ferngesteuerte Flugkörper zum Zwecke mehr oder weniger gezielter Vernichtung von menschlichen Individuen.
Auch das deutsche Militär brauche Kampfdrohnen, sagt der zuständige Bundesminister. Sie gehören heutzutage zum qualifizierten Standard, die Bundeswehr will schließlich nicht als ein rückständiger Betreiber des Waffenhandwerks dastehen. Zur militärischen Beobachtung setzt sie bereits Drohnen ein, nun soll der bewaffnete Typ dieser Geräte beschafft werden. Als Kritiker tritt der grüne Spitzenmann auf, er wendet ein: Da seien erst noch einige Fragen zu klären, auch ethische.
Die Kampfdrohnen werden womöglich zum Thema der völkerrechtlichen Diskussion der UNO; die Aussichten, daß die Regierung der Vereinigten Staaten daraufhin nun ihre »Predatoren« verschrottet, sind aber äußerst gering. Eher ist damit zu rechnen, daß es beim Einsatz dieser längst beliebten Tötungsmaschinen bleibt, diesem jedoch ein juristisches Gewand angelegt wird, legalisierend. Welche Interessen verbinden sich mit dieser Waffe? Wie hat sich in der Bundesrepublik jene militärpolitische Logik entwickelt, aus der das Begehren nach Kampfdrohnen als Routine erscheint? Ist von den Grünen (und der SPD) eine wirksame Opposition gegen dieserart militärische »Modernisierung« zu erwarten?
Es ist nicht so, als sei die Mehrheit der Bevölkerung in den NATO-Staaten von den ständigen Einsätzen des Militärs out of area begeistert, nicht in den USA, nicht in der Bundesrepublik, nicht in anderen Ländern der »westlichen Wertegemeinschaft«. Unmut kommt besonders dann auf, wenn Opfer des kriegerischen Engagements auf der eigenen Seite vielzählig in Erscheinung treten. Dann wird öffentlich gefragt, ob solche bewaffneten Exkursionen in ferne Gegenden der Welt überhaupt sinnvoll sind, ob die »Leistungen« dem menschlichen »Preis« entsprechen, dem vom eigenen Militärpersonal gezahlten. Also überlegen sich Politiker und Militärs, wie sie Akzeptanz für kriegerische Zugriffe schaffen oder sichern können. Technologisch hochentwickelte Nationen sind da im Vorteil; es werden Waffensysteme entwickelt, die beim Einsatz das Risiko für die eigenen Leute minimieren. Die Kampfdrohne ist ein Beispiel für diese Fortentwicklung des militärischen Instrumentariums mit »asymmetrischem« Effekt: Für die zu Feinden erklärten Menschen ist sie tödlich, wer sie aber besitzt und aus der Distanz einsetzt, kommt nicht in Gefahr. Außerdem kann er das angenehme Gefühl haben, sich in einem Computerspiel zu befinden, fernab mörderischer Realität.
Befürworter der Kampfdrohne argumentieren gern damit, daß sie im Vergleich zu den sonst üblichen Methoden der Kriegsführung doch selektiv töte und nicht Massen von Menschen umbringe. Verschwiegen wird, daß die »Predatoren« keineswegs einen Verzicht auf andere militärische Mittel bedeuten, vom Kampfpanzer bis zum atomar gerüsteten U-Boot. Sie sind eine Ergänzung des Arsenals, zudem eine technische Neuerung, die ausbaufähig ist, hin zu größerer Tötungskapazität.
Die Drohnen sind teuer, Hochtechnik ist nicht für billiges Geld zu haben. Umso besser – für die Rüstungsunternehmen, mit solchen Geräten ist viel Gewinn zu machen schon mit Aufträgen in geringer Stückzahl.
Auch läßt sich damit ein Höchststand an Forschung, Entwicklung und herstellerischen Fähigkeiten ausweisen. Das ist nützlich für andere Angebote dieser Unternehmen im Rüstungsmarkt. Dort herrscht Konkurrenz, die potentiellen Kunden müssen beeindruckt werden. Die deutschen Anbieter in der Branche, zum Teil in multinationale Konsortien eingebunden, stehen nicht schlecht da, immerhin rangiert die Bundesrepublik an dritter Stelle des Rüstungsexports weltweit. Eine solche Marktposition bedarf der stetigen Pflege. Rüstungsprodukte sind nur zu verkaufen, wenn sie Innovation versprechen und sich im Einsatz »bewährt« haben. Ohne Kriegshandlungen käme das Geschäft der Waffenproduktion zum Erliegen.
Selbstverständlich wäre es nicht geschäftsförderlich, wenn Waffenproduktion und demonstrativer Einsatz von Waffen allzu ungeniert als kommerzielle, kapitalverwertende Aktivitäten auftreten würden. Sie brauchen, zumal sie die Steuerzahlerinnen belasten, so etwas wie Legitimation anhand höherer Werte.
Horst Köhler hat vor einigen Jahren sein Amt als Bundespräsident verloren, weil er etwas naiv über den Zweck deutscher Militäreinsätze gesprochen hatte, auch dem Freihalten von Handelswegen beispielsweise könnten diese dienen. In der Substanz war eine solche Äußerung überhaupt nicht sensationell, aber sie entbehrte des Tones von uneigennütziger, »moralischer Verpflichtung«. Spätestens seit der deutschen staatlichen Einheit hat sich die Militärpolitik der Bundesrepublik der Hemmungen entledigt, die ihr bei der Aufstellung der Bundeswehr zunächst auferlegt waren: Nur auf Verteidigung sollte sie ausgerichtet sein, jeder Angriffskrieg war grundgesetzlich verboten.
Das ist in der Praxis längst Vergangenheit. Schon in den »Verteidigungspolitischen Richtlinien« von 1992 wurde deutsches Militär als Werkzeug beschrieben, um deutsche machtpolitische Interessen im globalen Terrain zur Geltung zu bringen. Das Militärische wurde, wie Gerhard Schröder als Sozialdemokrat es regierend empfahl, »enttabuisiert«, und der Einsatz der Bundeswehr gegen Jugoslawien wie auch in Afghanistan sorgte für »Normativität des Faktischen«. Krieg wird nun wieder als ganz normales Mittel auswärtiger Politik verstanden. Wenn die Bundeswehr sich an einem Militäreinsatz von Verbündeten nicht beteiligt, wie beim Krieg gegen Gaddafi, beklagen das deutsche Medien als »Drückebergerei«. Allerdings besteht immer noch ein Bedarf an schönem ideologischen Outfit, wenn die Bundeswehr in Kampfdienst genommen wird. Und hier kommt die Partei der Grünen ins Spiel.
Als unter einer sozialdemokratisch-grünen Bundesregierung deutsches Militär für Operationen verwendet wurde, die als Akte der Landesverteidigung nur schwerlich auszugeben waren, waren es grüne Politiker, allen voran Joseph Fischer, die eine ethische Begründung lieferten: Gerade die Bundesrepublik sei, angesichts der deutschen Vergangenheit, zum kämpfenden Engagement für Menschenrechte verpflichtet, zu Militärschlägen gegen Gewaltherrscher oder despotische Systeme. Nun gibt es deren in der Gegenwartswelt viele, und auch ein so potentes Militärbündnis wie die NATO kann nicht überall zuschlagen. Also muß je nach Konstellation militärisch interveniert werden, was sich dann glücklich zusammenfügt mit den nicht so gern herausgestellten profanen Interessen, den geopolitischen und wirtschaftlichen. »Postmaterialismus« als Befindlichkeit findet zusammen mit handfest materiellen Bedürfnissen, machtstrategischen und ökonomischen. So können Kriege geführt werden unter deutscher Beteiligung, ohne daß selbst die Grünen, viele von ihnen einst friedensbewegt, ein schlechtes Gewissen bekommen. Jürgen Trittin, der jetzt die Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr »hinterfragt«, neulich jedoch für den Krieg Frankreichs in Mali mehr deutsche Unterstützung verlangte, wird gewiß eine Lösung finden, ganz diskursiv, um auch den Einsatz von »Predatoren« zu ethifizieren. Vor allem dann, wenn die Grünen wieder an einer Bundesregierung beteiligt werden. Zum Aufschieben der Entscheidung über Kampfdrohnen für die Bundeswehr rät der Militärexperte der SPD-Bundestagsfraktion. Man solle da nicht »überstürzt« vorgehen, nach der Bundestagswahl lasse sich besser mit dem Thema umgehen.
Militärpolitik und ethischer Diskurs: Ob CDU/CSU/FDP oder SPD und Grüne – keine dieser Parteien will nachprüfen, etwa am Fall Afghanistan, was aus den Menschen geworden ist, deren Rechte durch Militärschläge angeblich geschützt werden sollten, und was aus einer Gesellschaft, die mit Waffengewalt angeblich zivilisiert werden sollte. So empirisch geht man in dieser Ethik nicht vor. »Gute Krieger«, wie Eric Chauvistré sie genannt hat, mögen sich nicht den Kopf zerbrechen über das, was ihr Krieg anrichtet. Bei den »Predatoren« ist das auch gar nicht mehr unmittelbar im Blick derjenigen, die ihre Raubvögel losschicken, der militärtechnische Fortschritt macht Unschuldsgefühle möglich.
Posttraumatische Belastungsstörungen? Nur noch bei den unteren Gehaltsgruppen des militärischen Personals. In den Stabsstellen hat man auch früher nicht darunter gelitten.