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Titel042013

Müll im Museum  (Winfried Wolk)

Es gibt überraschende Neuigkeiten in der Welt der Kunst. Hamburg macht Schlagzeilen mit dem Slogan: »Meer Müll gibt’s im Museum!« und klebt dieses Bekenntnis an öffentliche Papierkörbe. Ich glaubte an einen schlichten Schreibfehler und, daß nun eine überraschende, ungewohnte Ehrlichkeit mit gleichzeitigem Bekennerdrang in den Kunstbetrieb der Jetztzeit eingezogen wäre.

Daß sich Müll in den Museen der Welt anhäuft, schien mir seit Jahren ein Phänomen, das erstaunlicherweise niemand bemerkt hatte. Aber das stimmt selbstverständlich nicht. Immerhin hatte vor Jahren eine der fleißigen Säuberungskräfte eines Museums an einer ausgestellten Badewanne erhebliche Schmutzreste wahrgenommen und war diesen mit Entschiedenheit zu Leibe gerückt. Nach ihrem Verständnis war es ganz und gar unmöglich, daß man ein Exponat so verdreckt präsentiert. Aber genau das war ja die Kunst gewesen. An der armen Frau, im Stande der künstlerischen Unschuld, hatte die moderne Entwicklung der Kunst im Gegensatz zur Badewanne keine Spuren hinterlassen.

Auch ich hatte die Hamburger Müll-Botschaft mißverstanden. Mitnichten bedeutete das, daß nun noch mehr Müll ins Museum kommen soll, sondern nur Müll aus dem Meer. Ins Meer gehört Müll nämlich nicht!

Dagegen wiederum macht ein niederländischer Künstler beim aktuellen Kunstfestival in Sydney ein kleines Stück Meer mit einer 15 Meter hohen Riesenquietscheente zur Badewanne. Das ist viel schöner als Müll im Meer und deshalb nicht nur in Downunder kunstwürdig. Der Künstler hatte bereits mehr solcher großdimensionierter Ideen. In Straßburg, der schönen Stadt im Elsaß, stellte er 2012 ein riesiges Schweinegesicht mit Micky-Maus-Ohren aus. Das fehlte dort, sie hatten nur ein großartiges Münster.

Eine ganz große Überraschung bereitet uns auch einer der ganz, ganz großen Künstler. Er will nun seine Bilder nicht nur beim Hängen andersherum drehen, was schon ein enormer technisch-künstlerischer Kniff ist, ein Großkniff sozusagen, vor dem die kunstbesessene Welt sofort und blitzartig, um nicht zu sagen schlagartig, in die Knie bricht.
Aber das wollte ich ja gar nicht erzählen.

Vom neuen großen Kunstkniff des Meisters wollte ich sprechen. Nun will er seine verkehrtherummenen Bilder nicht mehr malen, sondern sie einfach nur im Kopf behalten, ungemalt jedenfalls und verkehrtherum oder auch nicht. Die Leinwand will er jetzt einfach mit Schwarz übertünchen, was zwar schon einmal erfunden war, aber bei ihm den Kick noch mal überkickt zum absoluten Überoberkick! Mit dieser schwarzen Leinwand möchte er die Fülle des im nichtgemalten Bild Gesagten verbergen, vergeheimnissen sozusagen, was bekanntermaßen ein Aspekt großer Kunst ist. Zu viel wird vermittelt im gemalten Bild, meint er, unfaßbar für die Masse der Kunstbetrachter. Nur ganz besonders Auserwählte sollen nun auf diese Weise erspüren können, was den Meister bewegte und jetzt zu sehen nicht mehr möglich ist. Ließe er die Leinwand einfach nur weiß und unberührt, könnte er sich nicht nur die Arbeit des Schwarzmalens sparen, er könnte sogar neben der »Vergeheimnissung« noch den Aspekt der »Verunschuldigung« ins Spiel bringen. Das hat sich bisher noch niemand gewagt. Man sieht daran, auch ganz, ganz große Künstler denken manchmal einen Gedanken nicht bis zum Ende.