Henryk M. Broder, Welterklärer. – Auch konservative Beobachter des gesellschaftlichen Geschehens sind in Sorge: In der »alten«, der »ersten« Welt, in Ländern des europäischen Kontinents, steigt Armut dramatisch an, droht als Lebensschicksal vor allem den jetzt noch ganz jungen Menschen. Das hat Ihnen keine Ruhe gelassen, und Sie haben sich etwas ausgedacht, wie man mit diesem Thema umgehen kann; die Welt bringt Ihre Problemlösung unter die Leute: »Der große Schwindel mit der Kinderarmut« heißt die Überschrift. Beim Nachwuchs sei gar nicht massenhafte Armut, sondern weit verbreitete »Verwahrlosung« festzustellen, legen Sie dar. Der Sozialstaat habe das Unheil angerichtet. Denn jedes Kind habe die Chance, sich eigentätig den Weg nach oben zu erschließen. Ihr Beleg für diese These: »Armut kann überwunden werden, der Sohn einer Putzfrau, der es zum Bundeskanzler gebracht hat, ist ein Beispiel dafür.« Wenn viele Hunderttausende von derzeit noch miserabel lebenden Kindern Ihrer Karriereempfehlung folgen, kommt allerdings Gedrängel auf – woher die Masse von Spitzenjobs in der Politik und danach in Aufsichtsräten et cetera nehmen? Und die Stationen auf der Fährte dorthin: Gibt es hinreichend jungsozialistische Vorsitzposten? Oder nehmen wir andere Branchen in den Blick: In welcher Zahl stehen bei Unternehmen wie dem Hause Springer Jobs als Starkolumnisten zur Verfügung, auch für ehemalige Undergroundjournalisten? Eine Rechenaufgabe, die möglicherweise selbst »Verwahrloste« zu lösen imstande sind.
Oxfam, internationale Nichtregierungsorganisation. – Einen Mißton hat Ihre Organisation, kritisch am Rande agierend, in die Berichterstattung über das Weltwirtschaftsforum in Davos gebracht. In den Medien dominierte die Frohbotschaft: »Wachstumsoptimistisch« hätten sich die dort versammelten Gipfelmenschen aus dem globalen Kapital und der diesem assoziierten Politik gezeigt, die Finanzkrise sei bewältigt, nun gehe es weiter aufwärts. Für wen? Dazu gab Ihr Oxfam-Report einen unangenehmen Hinweis: Die Vermögenskonzentration nimmt weiter zu. Die reichsten 85 Personen auf der Welt haben insgesamt so viel Besitz angesammelt wie er als Summe den 3,5 Milliarden Menschen in der unteren Hälfte der weltweiten Population zur Verfügung steht. Fast 50 Prozent des globalen Vermögens sind in Besitz des obersten einen Prozents der Weltbevölkerung. Viel Lob fand übrigens bei den Wirtschaftsgewaltigen in Davos die deutsche Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik im Sinne der Agenda 2010. Sie gilt als »wachstumsfreundlich«, die Vermögensmilliardäre sind zufrieden.