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Titel416

Drei potentielle Kanzler  (Eckart Spoo)

Ursula von der Leyens verstorbener Vater Ernst Albrecht, zur Zeit ihrer Kindheit war er niedersächsischer Ministerpräsident, stellte damals in seinem Buch »Der Staat – Idee und Wirklichkeit« bedauernd fest: »Seit dem letzten Krieg ist die Bundesrepublik nur noch ein Wohlfahrtsstaat«, der die »Sehnsucht der Menschen nach Gemeinschaft, nach Dienst und Einsatz für etwas, das den engen Rahmen des Einzeldaseins übersteigt, unbefriedigt« lasse (Seite 134). Was Albrecht damit meinte, war leicht zu verstehen: Den Deutschen fehlten neue Kriege, die nicht nur außen-, sondern auch innenpolitischen Nutzen brächten. Denn: »Die innere Stabilität von Staaten wie England und Amerika beruhte nicht zuletzt auch auf der Existenz der ›colonies‹ bzw. der ›frontier‹, die die aggressiven Triebüberschüsse der angelsächsischen Nationen ablenkten« (S. 203). In diesem Sinne wohlerzogen kann Albrechts Tochter jetzt kraft Amtes für Krieg und Triebabfuhr und damit für innere Stabilität sorgen.

Sollte es den Machos in der CDU/CSU gelingen, die derzeitige Bundeskanzlerin Angela Merkel abzuservieren – was noch längst nicht ausgemacht ist –, steht Ursula von der Leyen, für die Nachfolge bereit. Die Ansichten ihres Vaters wie zum Beispiel auch die, dass es »sittlich geboten« sein könne, Informationen durch Folter zu erzwingen (S. 174), schadeten ihm nicht und werden ihr erst recht nicht schaden.


Schon Albrecht war einmal Kanzlerkandidat der CDU. Er scheiterte damals an Franz Josef Strauß (CSU), dem bayerischen Ministerpräsidenten, der eine zeitweilige Tätigkeit als Verteidigungsminister vorweisen konnte. Den Bundestagswahlkampf als gemeinsamer Kanzlerkandidat von CDU und CSU verlor er dann jedoch gegen den einstigen Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt (SPD).


»Röschen«, wie Albrecht seine Tochter nannte, hat in der CDU/CSU zwei ernstzunehmende Konkurrenten: Thomas de Maizière und Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, die beide schon zeitweilig das Bundesverteidigungsministerium geleitet haben. In diesem Amt kann man imposanter als in jedem anderen die Fähigkeit und die Bereitschaft zu militärischer Gewaltanwendung beweisen. Wenn sie sich nach Meinung derer, die über Spitzenkandidaturen entscheiden, als Bundesverteidigungsministerin bewährt hat, dann dürften ihr weibliches Geschlecht und ihre siebenfache Mutterschaft für sie heute sogar eher von Vor- als von Nachteil sein.


De Maizière kann mit einem Vater aufwarten, der in der Nazi-Wehrmacht und später in der Bundeswehr steile Karriere machte: bis zum Generalinspekteur, höher geht’s nicht. Guttenbergs Vater war Dirigent, der Großvater schon zu Zeiten der Großen Koalition parlamentarischer Staatssekretär im Kanzleramt, einer der reaktionärsten Politiker der CSU: einer der wenigen Koalitionsabgeordneten, die gegen die Ostverträge stimmten.


Allen dreien gemeinsam ist ein adeliger Name oder was klingt, als wäre es einer. Im Offizierskasino weiß man adelige Herkunft zu schätzen. Der Name de Maizière verweist auf das französische Dorf, aus dem die hugenottische Familie stammte. Die Albrechts hingegen sind nicht adelig, aber traditionell dem welfischen Königshause verbunden, und in »Röschens« Kindheit und Jugend pflegten sie enge Beziehungen zum schaumburg-lippischen Fürstenhause. Der Name von der Leyen, den sie seit ihrer Heirat trägt, kann auf uradelige Herkunft verweisen, in Wikipedia befassen sich viele Einträge damit, schaffen aber insgesamt keine Klarheit. Unumstritten ist der guttenbergische Uradel, der weit in Raubritter-Zeiten zurückreicht. Obendrein ist Karl-Theodor von und zu Guttenberg mit einer von Bismarck verheiratet.


Als bekannt wurde, dass er seinen Doktortitel per Plagiat erlangt hatte, musste er das Amt des Verteidigungsministers aufgeben. Er siedelte mit seiner Familie in die USA um. Über die Peinlichkeit sollte Gras wachsen. Zudem legte er sich eine neue Frisur zu. Die vorherige mit viel Gel war sein Markenzeichen gewesen. Ursula von der Leyen, die nach ihrer Studienzeit schon vier Jahre mit ihrer Familie in den USA verbracht hatte, trat nicht von ihrem Ministeramt zurück, obwohl auch ihre Dissertation, wie sich inzwischen herausstellte, zu erheblichen Teilen aus verschwiegenen fremden Quellen stammt. Gegen de Maizières Doktortitel wurden derartige Vorwürfe bisher nicht laut.


Gibt es wesentliche politische Unterschiede zwischen den Dreien? Nicht dass ich wüsste.