Von Macron könnte man lernen, wie »en marche« zu einer »Basisbewegung von unten« werden kann, die anschließend in eine Parteienbewegung transformiert wird und eine inhaltliche und personelle Erneuerung erfährt. Das wollen Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine aber nicht, sondern sie setzen auf eine linke Parteienbewegung, die sich aus Teilen von Rot, Grün und Linke ergibt.
Der Denkfehler liegt in ihrem parteienfixierten Ansatz, der nicht überrascht, wenn man die Schriften von Wagenknecht und Lafontaine studiert hat. Beide halten von einem Macron'schen Bündnis von Zivilgesellschaft, sozialen Bewegungen und erneuerten Parteien nichts. Wagenknecht, die verdienstvollerweise die möglichen Stufen einer Transformation des Postkapitalismus behandelt, schweigt beharrlich über die Machtkonstellation von Zivilgesellschaft und Parteien. Soziale Bewegungen sind ihr ein Gräuel, obwohl sie auf Parteitagen die Nähe stets betont.
Und Lafontaine, das weiß man seit den 80er und 90er Jahren, hat überhaupt nichts mit einer Annäherung von sozialen Bewegungen und eher linken Parteien im Sinn. Er hat die Friedensbewegung zusammen mit Heinrich Böll, Petra Kelly und Wolf-Dieter Narr in Mutlangen gut genutzt, aber soziale Bewegungen als Gegenmacht im Prinzip verachtet – bis heute. Obwohl einst einer der stärksten Finanzmarktkritiker – war er bei der Blockupy-Bewegung nicht zu sehen, und auch bei Protesten gegen TTIP und CETA hielt er sich auffallend zurück.
Die Hoffnung auf eine linke Parteienbewegung verdeckt die Angst, überhaupt an die Basis der Bürger*innen zu gehen. Die Hartz-IV-Proteste waren der letzte Ausdruck der PDS/Die Linke, es mit sozialen Bewegungen ernst zu meinen. In den verschiedenen Hartz-IV-Protestinitiativen 2004/05 dominierten statt der Linken die oft sehr pluralistisch zusammengesetzten Bündnisse. Die Linke stellte Lautsprecher, druckte Flugblätter und finanzierte Bühnen – aber auf den großen Treffen der Erwerbsloseninitiativen kämpfte zwar noch Katja Kipping, doch sie versuchte keine parteiförmige Vereinnahmung.
Die Linke ist danach mit allen Projekten gescheitert, aus der ehemaligen Kümmerer-Partei eine übergreifende Bewegung zu schaffen. Die Linke betont zwar ihre Bewegungsnähe, hat aber zum Beispiel im TTIP-Mobilisierungsprozess wenig zu sagen gehabt. Und Blockupy scheiterte doch auch daran, dass attac, Interventionistische Linke und Die Linke ein zu schwaches Bündnis bildeten.
Würden die SPD-Linke, Die Linke oder Grüne eine Initialbewegung à la Macron versuchen, ein ungläubiges Basisgelächter wäre die Antwort. Die Linke wird doch nicht zu Unrecht als eine Partei gesehen, die in einem schnellen Lernprozess die Machtstrukturen der Partei entscheidend findet.
Wer von einer linken Parteienbewegung träumt, sollte zunächst das unsägliche Verhältnis zur Zivilgesellschaft klären. Dazu fehlt der SPD ebenso die Traute wie den Grünen und der Linken. Aber dazu gehört auch, dass die Zivilgesellschaft und die neuen sozialen Bewegungen in keinem guten Zustand sind.
Peter Grottian ist Hochschullehrer für Politikwissenschaft (FU Berlin) und Berater in verschiedenen sozialen Bewegungen