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Gleichheit vor Gericht?  (Simone Krauskopf)

Hunderttausende BezieherInnen von Arbeitslosengeld II mußten feststellen, daß ihnen weniger gezahlt wurde, als ihnen gesetzlich zusteht, und legten deswegen Beschwerde ein. Großenteils mit Erfolg. Aber viele mußten ihre Forderungen erst vor dem Sozialgericht geltend machen.

Die Verfahren vor dem Sozialgericht sind nach dem derzeit geltenden Sozialgerichtsgesetz (SGG) kostenfrei. Wer eine Klage einreicht oder einstweiligen Rechtsschutz beantragt, zahlt dafür keine Gerichtsgebühren. Vor den Sozial- und Landessozialgerichten besteht kein Anwaltszwang. Jeder kann sich selbst vertreten. Wird allerdings anwaltliche Vertretung in Anspruch genommen, entstehen Anwaltskosten. Da einkommensschwache Menschen in der Regel nicht das Geld haben, einen Anwalt bezahlen zu können, muß Prozeßkostenhilfe (PKH) beantragt werden. Das Gericht prüft den Antrag; hat er hinreichende Aussichten auf Erfolg, wird Prozeßkostenhilfe bewilligt.

Das Land Baden-Württemberg will diese Rechtslage ändern. Im Bundesrat brachte es einen Gesetzentwurf mit mehreren Verschärfungen ein. Nach diesem Entwurf sollen »Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger« an den Verfahrenskosten beteiligt werden. Damit zählen dann auch die Bezieher von ALG II und die Sozialhilfeempfänger zu den Zahlungspflichtigen. Vorgesehen ist die Erhebung einer Verfahrensgebühr. Diese beträgt für die erste Sozialgerichtsinstanz 75 Euro, für die zweite vor dem Landessozialgericht 150 Euro und für Verfahren vor dem Bundessozialgericht 225 Euro, in Antrags- oder Beschwerdeverfahren die Hälfte. Die Gerichte werden erst nach Zahlung der Gebühren tätig. Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe kann aber eine Zeitlang dauern. In dringenden Fällen kann das böse Folgen haben.

Die Prozeßkostenhilfe ganz abzuschaffen, ist verfassungsrechtlich nicht möglich, weil das Grundgesetz Waffengleichheit gebietet. Um aber die Inanspruchnahme von Prozeßkostenhilfe auf das »verfassungsrechtlich gebotene Maß« zu bringen, wie es dem Land Baden-Württemberg vorschwebt, sollen die Mutwilligkeitsprüfung und die Bedürftigkeitsprüfung verschärft werden. Außerdem soll in die Zivilprozeßordnung (ZPO) ein neuer Paragraph 120 a eingefügt werden, der vorsieht, daß der im Prozeß erstrittene Betrag für die Prozeßkosten verwendet wird, ohne daß ohne die bisherige Zumutbarkeitsprüfung.

Darüber hinaus soll das Gericht bei der Prüfung, ob die Klage hinreichend Aussicht auf Erfolg hat, eine Kosten/Nutzen-Abwägung vornehmen. Es steht zu befürchten, daß die Richter dann für sogenannte Bagatellsachen keine Prozeßkostenhilfe mehr genehmigen werden – eine Regelung mit großem Abschreckungspotential. Gemeinhin machen die Kläger keine hohen Summen geltend; sie streiten um kleine Beträge, die aber für sie lebenswichtig sind.

Die Prozeßkostenhilfe kann als zinsloses Darlehen gewährt werden, die Rückzahlungspflicht endete bisher nach 48 Monaten; in Zukunft muß der volle Betrag zurückgezahlt werden, auch wenn dadurch längere Zahlungsverpflichtungen entstehen. Außerdem sollen die Kläger künftig für die Bewilligung einer in Raten zurückzuzahlenden Prozeßkostenhilfe eine Gebühr von 50 Euro zahlen.

So wird Rechtsstaatlichkeit ausgehöhlt.