Das Mittelalter meldet sich zur Stelle: Die Kirche stellt dem Staat ein Ultimatum. »Irgendwo gibt es Grenzen«, erklärt Erzbischof Robert Zollitsch. Innerhalb von 24 Stunden habe die Justizministerin der Bundesrepublik Deutschland ihre »schwerwiegende Attacke auf die katholische Kirche« zurückzunehmen, verlangt Zollitsch, der 2008 den gemäßigten Kardinal Karl Lehmann als Anführer der deutschen Bischofskonferenz abgelöst hat.
Völlig korrekt hatte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in einem Interview gesagt, die katholische Kirche erwecke bislang nicht den Eindruck, daß sie in Verdachtsfällen mit den Strafverfolgungsbehörden konstruktiv zusammenarbeiten wolle. Die Ministerin erwartete von der katholischen Kirche »konkrete Festlegungen, welche Maßnahmen für eine lückenlose Aufklärung ergriffen werden«, sagte Leutheusser-Schnarrenberger dem Spiegel.
24 Stunden vergingen, die Ministerin, ein liberaler Restposten in der FDP, nahm ihre »maßlose Polemik« (Zollitsch) nicht zurück. Daraufhin richtete sich die Wut der Bischöfe gegen den äußeren Feind.
Erzbischof Zollitsch trat mit Militärbischof Walter Mixa vor die Presse. Auch an Mixa hatte Leutheusser-Schnarrenberger Kritik geübt, weil er die »sexuelle Revolution« der 68er dafür verantwortlich gemacht hatte, daß seine Priester mit Gewalt Kinder ficken müßten. Die Ministerin höflich: Es sei »wenig hilfreich, wenn sich einige Verantwortliche wie Bischof Mixa hinter polemischen Ausflüchten verstecken, statt zur Sachaufklärung beizutragen«.
Nun also wollen Zollitsch und Mixa diesem Staat zeigen, wie sehr er bei seinem mörderischen Abenteuer in Afghanistan auf kirchlichen Segen angewiesen ist. Vor einer geduldig angetretenen Presse sagt der Erzbischof, ihn stimme »besorgt, wie wir in unserem Land über einen langen Zeitraum – über Jahre – hinweg mit den Fragen von Krieg und Frieden in Afghanistan und des deutschen Engagements dort umgegangen sind«. Er verlangt einen »angemessenen Umgang« mit diesem Thema. Den demonstriert gleich darauf der Militärbischof. Unter Berufung auf das Zweite Vatikanische Konzil beschreibt Mixa den Einsatz des Soldaten – hier also des Massaker-Obersten Klein, den er namentlich nicht erwähnt –, der »ein Diener ist für den Frieden, für die Freiheit und die Gerechtigkeit im Zusammenleben der Völker«. Der »Bevölkerung« sei nicht »so deutlich klar« daß »unsere Bundeswehr«, nicht weil sie »irgendwelche abenteuerliche Unternehmungen« sucht, nach Afghanistan gegangen sei, sondern – da lügt der Bischof besonders heftig: »Wir sind ja eingebunden in die UNO« – im Auftrag der Weltgemeinschaft.
Der deutsche Soldat und Oberst ist am Hindukusch hochwillkommen, weiß Mixa: »Ich bin beispielsweise mal viereinhalb Stunden mit einer Patrouille, mit einem Wiesel, durch Kabul gefahren.« Da geschah das Pfingstwunder, aus dem Militärpfaffen spricht etwas verwirrt sein Heiliger Geist: »Und unsere Soldaten sind dort bei der Bevölkerung« –, er unterbricht sich selbst begeistert mitten im Satz – »und wenn ein Jugendlicher so macht« – der Bischof macht mit dem Daumen eine obszöne Geste – »dann macht es ein Jugendlicher, oder wenn ein Jugendlicher« – der Gottesmann reckt zwei Finger in die Pressekonferenz der deutschen Bischöfe – »das Victory-Zeichen macht, dann macht das eben ein Jugendlicher aus seiner Begeisterung. Aber wenn ein Alt-Mann so macht« – Mixa reckt wieder öffentlich und in gottgefälliger Wollust seinen Daumen zum Himmel – »dann bringt er zum Ausdruck: Solange ihr da seid, ist bei uns einigermaßen Schutz und Sicherheit, kann ich mein kärgliches Abendessen heut abend in Ruhe zu mir nehmen, kann auch mein Enkelkind in aller Sicherheit über die Straße laufen lassen.« Vorausgesetzt der Oberst Klein hat es nicht um sein Leben gebracht.
Dann verspricht Mixa feierlich, und hoffentlich kommt er nie wieder zurück: »In der Woche nach Ostern werde ich dorthin fliegen mit meinem Militärgeneralvikar nach Haiderabad und nach Kundus, um dort unsere Leute zu besuchen, und kann sagen, daß dort seit Oktober 2006 sind 9 Pastoralreferentinnen und -referenten eingesetzt, seit 2002 196 katholische Priester sind eingesetzt.« Möge der Herr sie zu sich nehmen.
»Abschließend« gelingt es dem Kriegsbischof, folgendes zu sagen: »Und unsere Soldaten geben sich nicht besatzungsmäßig, daß sie so also die Herrschaften spielen und sagen: Wir sind hier die Besatzer. Sie zeigen sich aber auch nicht kumpelhaft, sondern sie zeigen wirklich« – wie Oberst Klein – »ihre Verantwortung gegenüber der einheimischen Bevölkerung«. Abschlußnote: »Viele Einheimische konnten die Erfahrung machen, daß deutsche Soldaten kompetent sind und gute Manieren haben« – dies sah man schon immer daran, wie sorgsam sie mit einheimischen Totenschädeln Fußball spielen.
»Ecrasez l’infame.« Das hat der unsterbliche Voltaire über die Kirche gesagt – grüß ihn schön, lieber Gott, falls es dich gibt. Nein, zermalmen wollen wir die Niederträchtige nicht, aber austrocknen müßten wir – nach all dem, was Ende Februar bei dieser deutschen Bischofskonferenz hochkam – den Verein von Kinderfickern und Kriegstreibern nun doch, der sich von unserem Staat aushalten läßt. Endlich das Konkordat kündigen, das sich die katholische Zentrumspartei durch den Prälaten Ludwig Kaas mit ihrem Ja zu Hitlers Ermächtigung kaufte. Schluß mit der vom Pius-Hitler-Konkordat vorgeschriebenen staatlichen Eintreibung der Mitgliederbeiträge als »Kirchensteuer«. Aufhebung der Brutstätten sexualisierter Gewalt, der Kosterschulen und Priesterseminare für Heranwachsende. Aber dazu ist weder unsere FDJ-Kanzlerin noch der liberale Restposten im Justizministerium imstande. Leutheusser-Schnarrenberger nahm zwar nichts zurück, wie im Zollitsch-Ultimatum gefordert. Aber sie bewertete am Ende diese Bischofskonferenz positiv. Sie sei ein »Schritt in die richtige Richtung«.