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Kristina Schröders Weltbild  (Ulla Jelpke)

Im vergangenen Jahr wurden 16.133 politisch motivierte Straftaten von Neofaschisten und andere Rechten registriert. In 768 Fällen handelt es sich um Gewalttaten. 658 Menschen wurden dabei verletzt. Unter den rechts motivierten Straftaten waren 1021 eindeutig antijüdische Straftaten wie zum Beispiel Schändungen jüdischer Friedhöfe sowie 19 antijüdisch motivierte Gewalttaten mit 16 Verletzten. Zwar ermittelte die Polizei 8.269 Tatverdächtige, doch nur 278 von ihnen wurden vorläufig festgenommen, und gegen eine verschwindend geringe Zahl von 18 Personen wurden Haftbefehle erlassen. Die vorliegenden Zahlen ergeben sich aus den Antworten der Bundesregierung auf die monatlichen Kleinen Anfragen der Fraktion Die Linke. Die endgültige Zahl der rechten Straftaten wird nach der Auswertung aller Berichte der Landeskriminalämter durch das Bundesinnenministerium erst im Frühjahr vorliegen. Doch hat der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, bereits Ende des Jahres eine zu erwartende Gesamtzahl »um die 20.000 Delikte« genannt.

Zwar gelang den Neofaschisten im vergangenen Jahr, abgesehen vom erneuten Einzug der NPD in den sächsischen Landtag, bei Wahlen kein Durchbruch, und die NPD präsentiert sich in Linienkämpfen zerstritten und finanziell angeschlagen. Doch schon die vorläufigen Zahlen machen deutlich, daß keinesfalls Entwarnung gegeben werden darf. Das Bedrohungspotential ist gleichbleibend hoch wie in den Jahren zuvor.

Doch während inzwischen selbst Verfassungsschutzpräsident Fromm vor einer gesteigerten Gewaltbereitschaft der Neonazis warnt, ist die Bundesregierung auf dem rechten Auge blind. Das gilt besonders für Bundesfamilienministerin Kristina Schröder geb. Köhler, die nun auch für die Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus zuständig ist. Da die selbsternannte »Expertin« für Islam, Extremismus und Integration nun auch für die Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus zuständig ist, soll ihr Hintergrund etwas näher beleuchtet werden.

Wissenschaftliche Texte hat die »Expertin« – abgesehen von ihrer laut Presseberichten unter tatkräftiger Hilfe eines wissenschaftlichen Mitarbeiters und der CDU entstandenen Doktorarbeit zu Wertvorstellungen von CDU-Bundestagsabgeordneten und CDU-Mitgliedern sowie einer Rezension im Jahrbuch der Extremismusforscher Eckehard Jesse und Uwe Backes – bisher nicht vorgelegt. Mit der Wissenschaftlichkeit nimmt sie es offenbar eh nicht so genau. Sie »verläßt sich dabei nicht auf Statistiken, sondern auf ihr rechtes Bauchgefühl«, heißt es in einem lesenswerten Beitrag von Florian Back vom Anna-Seghers-Bildungswerk.

Im hessischen Landtagswahlkampf 2008 beklagte sie in der Sendung Panorama der ARD eine Zunahme »deutschenfeindlicher Gewalt« von Ausländern und berief sich dabei auf eine Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer. Dieser stellte anschließend klar, daß eine Studie mit einem solchen Ergebnis nicht existiere. Doch um »Experte« zu sein, zählt offenbar für Kristina Schröder weniger wissenschaftliche Sachkenntnis als die richtige oder besser rechte Gesinnung. So lud sie im Juni 2008 für eine Anhörung zum Thema Antisemitismus ausgerechnet den rabiaten Islamhasser und Pöbel-Publizisten Hendryk M. Broder als »Islamexperten« in den Innenausschuß des Bundestages ein. Dazu meinte damals Evelyn Hecht-Galinski: »Machen ihn seine verleumderischen Aussagen gegen alle Israelkritiker bereits zum Antiislamexperten?«

Die Familienministerin bezieht ihr Weltbild von ihren Lieblingsideologen und Stichwortgebern, den »Extremismusforschern« Uwe Backes und Eckehard Jesse. Mit diesen teilt sie folgende Einschätzung: Linksextremisten unterscheiden sich nicht sehr von Rechtsextremisten. Linksextremismus findet sich bereits am linken Rand der SPD, Rechtsextremismus dagegen nie am rechten Rand der Unionsparteien. In einem Artikel, den Köhler im Februar 2009 für die konservative israelische Zeitung Jerusalem Post über Antisemitismus in Deutschland schrieb, findet sich kaum ein Wort zum Anstieg faschistischer Straftaten und zu allwöchentlichen Friedhofschändungen von Neonazis. Die antisemitische Bedrohung kommt für Köhler von linken Antizionisten und Muslimen.

Entsprechend blind ist Frau Schröder gegenüber rechten Umtrieben gerade ihrer hessischen CDU und Jungen Union, die immer wieder als Scharnier zwischen Konservativismus und Neofaschismus fungieren. Erinnert sei nur an Alfred Dregger oder an die antisemitische Hetze des Abgeordneten Martin Hohmann aus Fulda, der zwar dann aus der CDU austrat, aber grade in Hessen viel Beifall von der Parteibasis erhielt. Erst 2009 löschte Frau Köhler auf ihrer Website Links zu wohlwollenden Artikeln aus dem Rechtsaußen-Blatt Junge Freiheit und dem rassistischen Islamhasserportal Politically Incorrect.

So gibt es Grund genug, die Bundesfamilienministerin als eine Vertreterin der Neuen Rechten zu bezeichnen, also derjenigen Strömung, die sich um eine rechte kulturelle Hegemonie bemüht und zu diesem Zweck den wissenschaftlichen, medialen und politischen Apparat unterwandert. Die Vertreter der Neuen Rechten fungieren mit ihrem intellektuellen Anspruch als Weißwäscher des braunen Sumpfes. Sie machen neofaschistische und ultrarechte Diskurse mainstream-tauglich.

Schon im Frühjahr 2006 erklärte die damalige Kristine Köhler als Mitglied des Innenausschusses zu den Bundesprogrammen gegen Rechts: »Alle Projekte gehören auf den Prüfstand. Nicht alles, was gut gemeint ist, ist gut gemacht. Es gibt ein Sparpotential bei diesen Projekten.« Dazu kam die Forderung nach Aufteilung der bisherigen Mittel auch auf Programme gegen Linksextremismus und Islamismus. Nun sitzt Kristina Schröder an den Schalthebeln – und kann sich dabei noch auf die schwarz-gelben Koalitionsvereinbarungen berufen: »Extremismen jeder Art, seien es Links- oder Rechtsextremismus, Antisemitismus oder Islamismus, treten wir entschlossen entgegen. [...] Die Aufgabenfelder des Fonds für Opfer rechtsextremistischer Gewalt sowie des Bündnisses für Demokratie und Toleranz sollen auf jede Form extremistischer Gewalt ausgeweitet werden«, heißt es da. Und an anderer Stelle: »Fortführung der vom Bund geförderten Programme gegen Rechtsextremismus als ›Extremismusbekämpfungsprogramme‹ unter Berücksichtigung der Bekämpfung linksextremistischer und islamistischer Bestrebungen sowie die Erstellung eines Jahresberichts der Bundesregierung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur«.

Schon im Januar hat die Familienministerin zwei Millionen Euro für Pilotprojekte gegen »Linksextremismus« und Islamismus locker gemacht. Ende des Jahres kommen dann die auslaufenden Projekte gegen Rechtsextremismus insgesamt wie angedroht auf den Prüfstand und sollen in allgemeine Anti-Extremismus-Projekte umgewandelt werden. Schröder hat angekündigt, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz damit beauftragt werden soll, alle bisherigen vom Bund unterstützten Projekte gegen Rechtsextremismus zu überprüfen. Es handelt sich dabei wohlgemerkt um Projekte, die zum Teil unter der SPD-Grünen-Regierung oder unter der Großen Koalition entstanden waren. Anti-Antifaschismus ist jetzt offiziell Regierungsprogramm geworden.

Während von staatlicher Seite also kaum mit einem wirklichen Vorgehen gegen den Neofaschismus zu rechnen ist, haben weit über Zehntausend Antifaschistinnen und Antifaschisten am 13. Februar in Dresden gezeigt, wie sich die Nazis stoppen lassen. Mit Massenblockaden wurden rund 5000 Neofaschisten an ihrem alljährlichen Marsch gehindert und mußten unverrichteter Dinge abziehen. An diesen Erfolg gilt es anzuknüpfen.