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Titel0511

Einmal nach Guttenberg – nur hin  (Kurt Pätzold)

Die Kanzlerin hat den Freddy Quinn (zeitweilig: Frederico) gegeben, den geborenen Niederösterreicher, der eigentlich Franz Eugen Helmuth Manfred Nidl hieß. Sie stimmte einen Schlager an, der den Mann berühmt gemacht hat: »Junge, kommt bald wieder«. In dessen Refrain heißt es: »Ich mach mir Sorgen, Sorgen um dich. Denk auch an morgen. Denk auch an mich.« Der populäre Sänger, da war er schon ein wenig betagt, geriet in einen Konflikt, nicht mit den Gesetzen der Wissenschaft, das konnte ihm von berufswegen nicht passieren, sondern denen des Staates. Das Delikt hieß Steuerhinterziehung. Er wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Die Fans haben ihm darob ihre Sympathien nicht entzogen.

So auch die Kanzlerin im Falle des Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg. Auf dessen Antrag auf Entpflichtung von seinem Ministeramt echote sie mit einer Lobrede. Nur schweren Herzens lasse sie ihn gehen, der leidenschaftlich, tatkräftig, entschlossen und mit Herzblut regiert habe, ein herausragender Politiker und bedeutender Kopf sei. Kurzum, die Botschaft lautete: Deutschland habe einen schwer zu ertragenden Verlust zu verzeichnen. Es fehlte nur die Aufforderung, Trauer anzulegen und die Staatsflagge auf Halbmast zu setzen. Stattdessen, gesprochen auch von den Herren Westerwelle, Seehofer und tutti quanti, Worte unverhofften Schmerzes, den die Regierenden mit einer vermuteten, exakt nicht bestimmbaren Volksmehrheit teilen. Keinen Satz mehr darüber, weswegen der Mann sich nun auf sein Anwesen im Fränkischen zurückzieht. Keine Andeutung auch nur einer leisen Kritik.

Stattdessen, die Entlassungsurkunde war noch nicht ausgefertigt, beschäftigte Journalisten und Politiker eine Frage: Wird er nicht eines Tages erneut eine Ernennungsurkunde erhalten? Und wann frühestens? Mit dem festen Blick darauf hat der Scheidende die Rede formuliert und gehalten, in der er seine Sicht auf den ihm abgezwungenen Schritt lieferte. Sie sollte Pflichtlektüre für die Ausbildung von Soziologen, Journalisten und Sprachwissenschaftlern werden, und zwar zum Zwecke der Erörterung des Themas Demagogie. Denn dazu hat Guttenberg einen Beitrag von besonderem Rang und ein Zeugnis altadliger Dreistigkeit gegeben.

Am Anfang des Textes stand die erneute Marginalisierung des Grundes für sein Weichen, die Umdeutung eines vollendeten Betrugs zu einem Fehler. Dazu dann das wertlose Bekenntnis, zu diesem »Fehler« stehen zu wollen. Des weiteren der Verweis auf ausgesprochene Entschuldigungen für ein Vergehen, das er nicht einmal benannte. Doch sein später Entschluß, seinen Platz zu räumen, rührte gar nicht von einem schließlich doch gewonnenen kritischen Abstand zu seinem Tun und Lassen her. Er, der Bewährte und Verdiente, geht, weil eine Atmosphäre geschaffen wurde, die es ihm unmöglich mache, auf seinem Posten zu bleiben, denn in ihr könne er fortan nicht nach seinen eigenen, hohen Ansprüchen arbeiten. Wer aber hat ihm das vermasselt? Die Medien und ungenannte Kreise der Politik, also der Opposition. An diese Behauptung schließt sich eine Bezichtigung: Die unbezeichneten Feinde haben, statt über die toten und verletzten Bundeswehrsoldaten zu reden und gebührend zu trauern, statt über das Projekt Bundeswehrreform würdigend zu reden und zu schreiben, sich auf seine Person kapriziert. Und das würden die doch weitermachen, wenn nicht, ja wenn er ihnen mit seinem Schritt nicht die Zielscheibe nähme. Eben das tue er nun, aus Solidarität mit den Soldaten, aus Sorge um deren Rücken. Das ist nicht nur dreist, es ist infam. Und er verbindet es obendrein mit dem Anspruch, jenen Anstand und Charakter zu verkörpern, die den anderen fehlten.

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Ein Abgrund
»So viel Scheinheiligkeit und Verlogenheit war selten in Deutschland«, empörte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Rücktritt ihres Verteidigungsministers in einer Wahlkampfveranstaltung der CDU in Karlsruhe. Sie meinten damit Guttenbergs Kritiker .

Red.
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Schließlich die Tränendrüsentour. Er erwarte kein Mitleid – auf den Gedanken muß man angesichts von sieben Jahren Abschreibarbeit erst kommen – und sucht es doch gleichzeitig in Menge auf sich zu lenken: Der schwierigste Schritt meines Lebens! Das aufgewendete Herzblut! Die erreichte Grenze meiner Kräfte! – Das sollte ankommen und kam an, zuerst bei seinem Kabinettskollegen, dem Außenminister, der sich vor Mikrophon und Kamera sogleich um das künftige Wohl der ganzen schwer getroffenen Familie sorgte. Da wird doch keiner, wie in früheren Adelstagen geschehen, Hand an sich legen? Und die Kanzlerin? Die verspricht, mit dem jungen Mann in Kontakt zu bleiben, und wird sich freuen, wenn es doch wieder zu einer Zusammenarbeit käme mit dem so Beliebten, der Menschen für Politik begeistern könne.

Es war kein Vergnügen, sich die Begleitmusik zum Abgang des Kriegsministers anzuhören. Wer sie verpaßt hat, sollte sie sich antun, besonders wenn er noch Zweifel daran hegt, daß und wie gefährlich der Demagoge ist. Vor seiner Rückkehr sei Gott. Und wenn der es allein nicht schafft, mag ihm der Teil der deutschen Bürger zur Hand gehen, der sich den Blick auf Tatsachen und darauf gestützte eigene Urteile noch nicht hat nehmen lassen.