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Wo Guido Knopps Wissen aufhört  (Renate Hennecke)

Mitte Januar teilte der Vatikan mit, Papst Benedikt XVI. werde am 1. Mai dieses Jahres seinen Vorgänger Johannes Paul II. seligsprechen. Die Wirkung der Wunderwaffe Wojtyla im Ringen um ein antikommunistisches und konservativ-christliches Europa soll noch verstärkt werden, so schnell als möglich. Offenkundig gibt es jedoch Probleme mit dem Wunder, ohne das alle unbezweifelbaren Verdienste im politischen Bereich nicht für eine Seligsprechung ausreichen. Zwar hat Benedikt die plötzliche Heilung der französischen Ordensschwester Marie Simon-Pierre von der Parkinson-Krankheit – sie soll durch die Fürbitte von Johannes Paul bei Gott wenige Wochen nach seinem Tod bewirkt worden sein – per Edikt als Wunder anerkannt, doch es gibt Zweifel an der Nachhaltigkeit der Heilung. Auch die in Reserve gehaltene zweite Wundergeschichte hat ihre Tücken: Ein römischer Barbier will nach dem Betrachten eines Bildes von Johannes Paul II. von einem Bandscheibenvorfall geheilt worden sein – die Inanspruchnahme dieser Aussage wäre aber heikel: »Der fromme Mann ist«, so die Süddeutsche Zeitung, »zugleich bekennender Kommunist.«

Ein drittes Wunder präsentierte Guido Knopp in einer ZDF-Sendung. Unter dem Titel »Grenzfälle der Wissenschaft« stellte er am 6. Februar rätselhafte Ereignisse und ungeklärte Phänomene vor. Unter der Fragestellung »Wo hört Wissen auf? Wo fängt Glaube an?« durften die Zuschauer erleben, wie Johannes Paul II. 1986 auf der Karibik-Insel Saint Lucia ein »offenkundig krankes« Kind küßte und segnete. Kevin Jeremie, so der Kommentar, habe als Kleinkind »weder stehen noch aufrecht sitzen« können. Unmittelbar danach habe der damals 18 Monate alte Junge plötzlich – per »Macht des Glaubens«! – normal laufen können. Zweifellos ein Wunder. Leider drehte die vorher so günstig positionierte Kamera im entscheidenden Augenblick ab in den Himmel, statt das sensationelle Ereignis zu filmen.

Wo hört bei Guido Knopp Wissen auf, wo fängt Glaube an? Der Leiter der Abteilung Zeitgeschichte des öffentlich-rechtlichen ZDF wird seit 1994 als Professor für Journalistik an der Gustav-Siewerth-Akademie in Weilheim-Bierbronnen (Baden-Württemberg) geführt. Diese »staatlich anerkannte private wissenschaftliche Hochschule« bietet seit 1988 offiziell Studiengänge in Philosophie, Soziologie und »Familienwissenschaft« (Katholische Theologie und Pädagogik) sowie als Nebenfächer Journalistik und Philosophie der Naturwissenschaften an. Nach eigenem Bekunden steht für die »wissenschaftliche Hochschule« mit 20 bis 30 Studenten nicht die Vermittlung von Wissen und wissenschaftlichen Fertigkeiten im Vordergrund, sondern die Vermittlung eines christlichen Weltbildes: ultrakonservativer Katholizismus und religiös untermauerter Antikommunismus.

Ihre Wurzeln hat die Akademie in privaten Sommerkursen, die die Freiburger Philosophiedozentin Alma von Stockhausen anbot, nachdem Studenten 1968 ihre Vorlesungen an der Freiburger Pädagogischen Hochschule kritisiert und gesprengt hatten. Gegen »die Revolution der Frankfurter Schule« wollte sie »mit der Wissenschaft den Glauben verteidigen«. Dazu dienten (und dienen) ihr die Philosophie und die »entsprechenden Naturwissenschaften«: »Wenn man die Evolutionstheorie annimmt, kann man diese nicht mit dem Schöpfungsglauben vereinbaren. Es fehlt die Grundlage für den Glauben überhaupt. Um den Glauben philosophisch und naturwissenschaftlich zu verteidigen, haben wir theologische Kurse eingerichtet«, erläutert sie im kath.net.

Die Bekämpfung der Evolutionstheorie zugunsten der Geschichte von Adam und Eva gehört bis heute zu den Hauptanliegen der Gustav-Siewerth-Akademie und ihrer mittlerweile 82-jährigen Prorektorin Alma von Stockhausen.

An der Überführung der privaten Sommerkurse in eine »staatlich anerkannte wissenschaftliche Hochschule« war auch der damalige Theologie-Professor und spätere Kardinal Joseph Ratzinger, mittlerweile Papst, beteiligt. Ihm und seinem Vorgänger fühlt sich die Hochschulleitung zutiefst verbunden und betrachtet jede Kritik am »Heiligen Vater« oder gar Zweifel an seiner Unfehlbarkeit als Häresie. Folgerichtig ist die Gustav-Siewerth-Akademie eine von 42 Organisationen, die sich im September 2000 unter dem Dach des Forums Deutscher Katholiken e.V. zusammenfanden, um das Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) daran zu hindern, die katholische Lehre zu untergraben und die allein selig machende Kirche zu zerstören. Anlaß für die Gründung des Forums war die Entscheidung des ZdK, entgegen dem Verbot von Papst Johannes Paul II. weiterhin Beratungsstellen für ungewollt Schwangere zu betreiben und auch die für einen Schwangerschaftsabbruch notwendigen Bescheinigungen auszustellen. Entsprechend gehören dem Forum viele Organisationen aus dem Spektrum militanter Abtreibungsgegner und aus dem homophoben Milieu an, dazu Wundergläubige, Kreationisten und sonstige Obskurantisten sowie ein »Zusammenschluß papsttreuer Vereinigungen«. Neben solchen Grüppchen, die eher als Kuriositäten gelten können, gibt es einflußreichere Mitspieler: den geschichtsträchtigen Deutschen Orden, das berüchtigte Opus Dei und die Paneuropa-Union, letztere im Kuratorium vertreten durch ihren nunmehr 98-jährigen Ehrenpräsidenten, »Seine Kaiserliche Hoheit« Otto von Habsburg, und den Chef ihrer deutschen Abteilung, Bernd Posselt, gleichzeitig Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Europaabgeordneter der CSU.

Für die Vernetzung zwischen Paneuropa-Union und Gustav-Siewerth-Akademie sorgt Wolfgang Stock, der Leiter des Fachbereichs Journalistik, dem auch Guido Knopp angehört. Der Oberstleutnant der Reserve und ehemalige Korrespondent von Welt, FAZ, B.Z. und Focus ist gleichzeitig Journalistik-Professor an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. In den 1980er Jahren engagierte sich Stock stark in der Paneuropa-Jugend und redigierte als Mitarbeiter von Otto von Habsburg die Paneuropa-Zeitschrift. Im Auftrag der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte – einem von Antikommunismus triefenden Verein, nicht zu verwechseln mit der an Carl von Ossietzky orientierten Internationalen Liga für Menschenrechte – unterstützte er die Opposition in Polen, der Tschechoslowakei und der DDR. Er ist Vorsitzender des Brüsewitz-Zentrums und dessen Trägervereins Christlich-Paneuropäisches Studienwerk sowie Vorstandsmitglied des evangelikal orientierten Christlichen Medienverbunds KEP. Von 2001 bis 2003 war er Leiter des Ressorts Politik und geschäftsführender Redakteur der Welt am Sonntag aus dem Springer-Konzern. Schließlich sei noch erwähnt, daß der Merkel-Biograph Stock laut Wikipedia seit 2005 geschäftsführender Gesellschafter der Beratungsagentur für Öffentlichkeitsarbeit Convincet GmbH ist, die unter anderem den Video-Podcast der Bundeskanzlerin initiiert und produziert hat.

In der Gustav-Siewerth-Akademie befindet sich Guido Knopp somit in einem Milieu, in dem fanatischer Antikommunismus, konservativster Katholizismus und deutsch-völkisches Denken eine unappetitliche Melange bilden. Mag ja sein, daß der Chef der ZDF-Abteilung für Zeitgeschichte nichts dabei findet. Und daß es ihm auch nichts ausmacht, neben Kollegen wie Konrad Löw, einem rechtsradikalen Geschichtsrevisionisten, als Mitglied des Lehrkörpers der GSA aufgeführt zu sein. Aber hat er sich jemals den Vortrag von Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin, dem »ehrenamtlichen Rektor« der Akademie, über das »Leben nach dem Tode« angehört? Darin vertritt der Chef einer »wissenschaftlichen Hochschule« unter anderem die Theorie, die Epilepsie eines Kindes könne Folge nicht gesühnter Schuld vergessener Vorfahren sein, deren Seelen noch im Fegefeuer schmoren. Dort warteten sie auf Erlösung durch Gebete der Nachkommen und erinnerten diese durch die Epilepsie des Kindes an ihre vernachlässigten Pflichten. Um das Kind zu heilen, müßten die Eltern für die Seelen dieser Vorfahren beten.

Auch die Seele von Adolf Hitler vermutet Graf Zeppelin im Fegefeuer: Daß der Nazi-Führer in der Hölle gelandet ist, dürfe man nicht annehmen, denn »wir wissen nicht, wie viele gute Menschen ihr Leben aufgeopfert haben, damit Hitler möglicherweise nicht in die Hölle kommt«, sondern im Fegefeuer gereinigt wird und irgendwann doch in das ewige Leben eingehen kann, wo jeder glücklich ist.

Nicht weniger skandalös ist Brandenstein-Zeppelins Theorie über den Sinn des Leidens Unschuldiger: Das Leben sei nichts als eine Vorbereitung auf das ewige Leben, jeder müsse dahin streben, in der Ewigkeit einen Platz möglichst nahe bei Jesus zu ergattern. Der aber habe gesagt, am nächsten bei ihm dürfe sitzen, wer »in der Lage (ist), denselben Becher zu trinken, den ich trinke«. Er müsse sich also in »vollkommener Hingabe« unschuldig umbringen lassen. Haben da nicht alle unschuldig Ermordeten, alle Opfer von Holocaust und Vernichtungskrieg Glück gehabt und sitzen jetzt zur Rechten des Herrn?

Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin ist im Übrigen nicht nur Rektor der Gustav-Siewerth-Akademie, sondern auch Vorsitzender des Vereins Medjugorje Deutschland e.V., der Pilgerreisen nach dem gleichnamigen Ort in Bosnien-Herzegowina organisiert. Dort erscheint seit 1981 regelmäßig am 25. jedes Monats die Muttergottes und tut Botschaften kund, die anschließend über spezielle Telefondienste überall in Europa abgehört werden können. Die Botschaft vom 25. Januar 2011 lautet: »Liebe Kinder! Auch heute bin ich bei euch und schaue euch an und segne euch, und ich verliere nicht die Hoffnung, daß diese Welt sich zum Guten wandeln wird und daß der Friede in den Herzen der Menschen herrschen wird …«

Da kann vielleicht auch Professor Guido Knopp, Leiter von ZDF-History, noch was lernen.