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Quicklebendige Treuhand  (Ralph Hartmann)

Per Gesetz vom 9. August 1994 schloß die Treuhandanstalt zum Ende jenes Jahres ihre Tore. Sie hatte, so der damalige Bundesfinanzminister Theodor Waigel im Bundestag, den ihr von der Bundesregierung erteilten Auftrag, »die gescheiterte Planwirtschaft der DDR in die Soziale Marktwirtschaft zu transformieren« und »das staatliche Eigentum an Produktionsmitteln in privates, unternehmerisches Eigentum zu überführen,« erfüllt. Die Schlußbilanz (Vernichtung von Millionen Arbeitsplätzen, Verwandlung eines großen Industriebesitzes in einen Schuldenberg von 256 Milliarden DM, weitgehende Deindustrialisierung Ostdeutschlands und Vermögenstransfer von Ost nach West zugunsten einer kleinen Minderheit) war beeindruckend. Nach erfolgreicher treuhänderischer Arbeit konnten sich die Hauptverantwortlichen neuen Aufgaben zuwenden. Treuhandpräsidentin Birgit Breuel wurde als Generalkommissarin mit der Vorbereitung der Weltausstellung Expo 2000 in Hannover betraut, und der bis 1993 für die Kontroll- und Fachaufsicht zuständige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Horst Köhler, avancierte zum Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes und nach erfolgreichem Schaffen an der Spitze des Internationalen Währungsfonds zum Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland.

Doch ungeachtet geschlossener Tore und des vom Dank des Vaterlandes begleiteten Abgangs der wichtigsten Akteure setzte die Treuhandanstalt in Gestalt ihrer Nachfolgeorganisationen ihr segensreiches Wirken fort. Eine von ihnen ist die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG). Sie ist noch immer qicklebendig, hat ihren Sitz in Berlin in der Schönhauser Allee und begrüßt ihre Klientel auf ihrer homepage www.bvvg.de freundlich: »Herzlich willkommen auf der Internetseite der BVVG. Sie wollen Acker- und Grünland erwerben oder interessieren sich für Bauland, Gebäude oder Gewässer im ländlichen Raum? Dann sind Sie richtig auf der Webseite der BVVG. Wir privatisieren im Auftrag des Bundes provisionsfrei in den ostdeutschen Ländern ehemals volkseigene land- und forstwirtschaftliche Flächen und andere Vermögenswerte.«

Und zwar nicht nur provisionsfrei, sondern auch recht erfolgreich: Seit ihrer Gründung hat sie rund 644.000 Hektar Landwirtschaftsfläche sowie 531.000 Hektar Wald sowie Gewässer und Bergwerkseigentum mit Braunkohle, Sanden, Kiesen und anderen Mineralien und Gesteinen verkauft und dem Finanzminister 4,3 Milliarden Euro Überschuß überwiesen. Aber noch immer verfügt sie über beträchtliche land- und forstwirtschaftliche Flächen, deren Preis pro Hektar steigt und steigt. Seit 2004 hat er sich durch Bodenspekulation verdoppelt. Teilweise müssen für einen Hektar Ackerland 23.000 Euro aufgebracht werden, und so sehen sich Einzelbauern und Agrargenossenschaften, die das Land vorläufig gepachtet hatten, immer weniger in der Lage, die horrenden Summen aufzubringen und die für ihre Existenz notwendigen Äcker und Weiden zu erwerben.

Doch was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall. Und die anderen sind vor allem die Nachfahren der nach 1945 im Zuge der Bodenreform enteigneten ostdeutschen Landjunker. Nach einem Gesetzentwurf der schwarzen und gelben Bundestagsfraktionen sollen die sogenannten Alteigentümer und deren Erben das Land zu den wesentlich niedrigeren Preisen von 2004 erwerben können. Wird das Gesetz durch die Bundestagsmehrheit abgenickt, gerät Bauernland endlich wieder in Junkerhand. Freilich, nicht alle Nachkommen der Großgrundbesitzer dürften sich wieder der Agrarproduktion auf großen Flächen zuwenden, aber bei den Preisunterschieden und deren zu erwartender Entwicklung wird der Kauf ein schönes, einträgliches Geschäft werden.

Und auch mit dem Verkauf und Kauf von Seen läßt sich Gewinn erwirtschaften. Allerdings nicht überall. Die Ko-Vorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch, hat es versucht, dummerweise im Westen der Bundesrepublik. Sie hatte eine Mitarbeiterin beauftragt, probeweise dort einen See zu finden, der gekauft werden könnte. Die Suche blieb ergebnislos. Ja, hätte sie es doch früher in ihrer näheren Umgebung, zum Beispiel im seenreichen Brandenburg, versucht. Bei ein wenig Geschick hätte das klappen können. Einige Alt-Bundesdeutsche haben es vorgemacht. So ein Düsseldorfer Rechtsanwalt, der den 212 Hektar großen Wandlitzsee für rund 400.000 Euro erwarb und anschließend von 120 Anliegern bis zu 5.000 Euro für deren in seinen Privatbesitz ragende Stege forderte. Der Gemeinde räumte er großzügig das Recht ein, ihr Strandbad weiter zu betreiben, wofür er lediglich 50.000 Euro verlangte und einstrich.

Die Ostdeutschen, die die Enteignung ihrer volkseigenen Betriebe und deren Privatisierung von Ausnahmen abgesehen widerstandslos hingenommen hatten – ihr Eigentümerbewußtsein war bekanntlich unterentwickelt – wenden sich neuerdings immer energischer gegen eine Privatisierung ihrer Gewässer. Bei Seen hört die Gemütlichkeit auf! Nun hat sich die rosarote-rote Koalitionsregierung in Brandenburg entschlossen, alle 220 noch von der BVVG angebotenen Seen des Landes zu erwerben und sie anschließend an die Gemeinden, deren Kassen bekanntlich übervoll sind, zu verkaufen.

So wie Rumpelstilzchen Stroh zu Gold spinnen konnte, so zaubert die BVVG aus Wasser schöne glänzende Euro. Bisher hat die Nachfolgeorganisation der Treuhand rund 14.000 Hektar Gewässer in den ostdeutschen Ländern privatisiert. Verwunderlich ist nur, daß sie es bisher nicht vermocht hat, auch das Grundwasser und die Flüsse in Ostdeutschland zu vermarkten. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.