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Titel514

Atomfabrik steht vor Privatisierung  (Wolfgang Ehmke)

Die Atomfirma URENCO im münsterländischen Gronau stellt Uran für Brennelemente von Atomkraftwerken bereit. Jetzt soll die Anlage verkauft werden. Kritiker fürchten den Verlust staatlicher Kontrolle, eine Aushöhlung des deutschen Atomausstiegs und warnen vor der Proliferationsgefahr.

Seit 1985 wird in Gronau Uran angereichert. Die URENCO Ltd. ist ein Marktführer, nach eigenen Angaben versorgt die Firma 31 Prozent des Weltmarktes, allein aus Gronau kann jedes zehnte Atomkraftwerk weltweit mit angereichertem Uranbrennstoff versorgt werden. Weitere Urananreicherungsanlagen laufen in Almelo/NL, Capenhurst/UK sowie Eunice/USA. Die Tochterfirma ETC – ein Joint Venture mit dem französischen Atomkonzern Areva – entwickelt und baut unter anderem in Gronau und Jülich die Zentrifugen. Die Technologie ist – ähnlich wie die Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen – eindeutig zivil und militärisch nutzbar. »Jeder Verkauf von URENCO-Anteilen an Dritte vergrößert das Risiko einer Weiterverbreitung der militärisch bedeutsamen Urananreicherungstechnologie. Diese Technologie, mit der Uran für Atomwaffen hergestellt werden kann, eignet sich in keiner Weise für Börsengeschäfte und Wirtschaftsinteressen«, warnen Dirk Seifert von Robin Wood und die Ärzteorganisation IPPNW. Und Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen sekundiert: »Beim Thema Urananreicherung ist nur eine »Null-Risiko«-Politik akzeptabel. Die jahrelangen Debatten mit dem Iran zur Urananreicherung sowie die Entwicklungen in Nordkorea und Pakistan zeigen, daß es im nachhinein praktisch unmöglich ist, eine Weiterverbreitung der Urananreicherungstechnologie rückgängig zu machen.«

Deshalb steht die URENCO bisher unter staatlicher Aufsicht. Die Firma gehört zu jeweils einem Drittel dem britischen und niederländischen Staat. Auch die Energiekonzerne Eon und RWE besitzen ein Drittel der Anteile. Die Bundesregierung besitzt beim Verkauf der URENCO-Anteile aufgrund der militärischen Brisanz ein Mitsprache- und Vetorecht. Eon und RWE hatten angekündigt, sie wollten sich wegen des Atomausstiegs in Deutschland aus dem Geschäft zurückziehen. Die Niederlande überraschten im Mai 2013 mit dem Vorschlag, die URENCO könne meistbietend sogar per Börsengang privatisiert werden. In einem Brief an das niederländische Parlament schrieb Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, Ziel sei ein »maximaler« finanzieller Vorteil. Dijsselbloem teilte mit, er wolle mit den anderen Anteilseignern über die Ausgestaltung des Verkaufsprozesses sprechen. URENCO werde mit Sicherheit das Interesse möglicher Käufer hervorrufen, sagte der Minister. Wenige Wochen zuvor hatte Eon-Vorstandschef Johannes Teyssen auf der Jahreshauptversammlung vor Aktionären ein »offenes Bieterverfahren« angekündigt. Bis 2014 solle der Verkauf über die Bühne gehen.

URENCO wird in Fachmedien auf einen Wert von acht bis 14 Milliarden Euro taxiert. Vor allem der britische Schatzkanzler will mit seinem Erlös die maroden Staatskassen ein wenig sanieren, Eon und RWE wollen ihren hohen Schuldenstand abtragen. Als mögliche Käufer werden der französische Atomkonzern Areva, der kanadische Uranförderer Cameco sowie das japanische Unternehmen Toshiba (Westinghouse) gehandelt. Als weitere Kaufinteressenten gelten inzwischen auch Indien sowie China. Beide Länder gelten für URENCO als – letzte verbliebene – Wachstumsmärkte, nachdem der Ausbau der Atomkraft in vielen anderen Ländern zum Stillstand gekommen ist. URENCO hat im vergangenen Jahr 1,6 Milliarden Euro umgesetzt und dabei netto gut 400 Millionen Euro verdient.

Angesichts der Proliferationsgefahr, der möglichen Weiterverbreitung der militärisch hoch sensiblen Urananreicherungstechnologie, gibt es im Nachbarland inzwischen doch wachsende Bedenken gegen eine Privatisierung. Die niederländischen Sorgen haben einen realen Hintergrund: In den 1970er Jahren hatte der pakistanische Atomwissenschaftler Abdul Qadir Khan aus der Urananreicherungsanlage Almelo Blaupausen für den Bau von Urananreicherungszentrifugen entwendet und diese für den Bau der pakistanischen Atombomben verwendet. Das niederländische Parlament lud deshalb am 5. Dezember letzten Jahres Wissenschaftler, Politiker und URENCO-Vertreter zu einem »Runden Tisch« nach Den Haag ein. Als Konsequenz der Sorgen scheint nun anstatt eines Verkaufs der niederländischen URENCO-Anteile auch ein weiterer Zukauf nicht ausgeschlossen. Die Anzahl der sich daraus ergebenden möglichen Optionen wird immer größer. Möglich wäre zum Beispiel, daß URENCO ein Joint Venture des niederländischen Staates mit Areva wird – vorausgesetzt, der britische Staat, Eon und RWE erhalten die von ihnen anvisierten Erlöse.

Immer deutlicher wird, daß die Bundesregierung die Urananreicherung definitiv vom Atomausstieg ausnehmen will, so daß die URENCO auch noch nach 2022 unbegrenzt in Gronau Uran anreichern dürfte. Das steht in klarem Gegensatz zum rot-grünen Koalitionsvertrag in Nordrhein-Westfalen. Dort heißt es, daß die Landesregierung die Urananreicherungsanlage »rechtssicher« stillegen wolle. De facto arbeiten Bundes- und Landesregierung inzwischen jedoch Hand in Hand, um den Weiterbetrieb der UAA Gronau sowie einen reibungslosen Verkauf für die Energieriesen Eon und RWE zu sichern. Konkrete Stillegungspläne für Gronau würden den Verkaufspreis schmälern und das ist politisch weder in Berlin noch Düsseldorf gewollt.

Für die Anti-Atom- und die Friedensbewegung bleibt also viel zu tun. Am Karfreitag wird der Ostermarsch Rhein-Ruhr an der UAA Gronau eröffnet, um die Verbindung von zivil- und militärischer Nutzung der Urananreicherung in den Vordergrund zu rücken.

Kontakt: Arbeitskreis Umwelt Gronau, uaanee@web.de, www.aku-gronau.de,
www.sofa-ms.de