Freudige, ja historische Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: die 25. Jahrestage des Falls der Mauer am 9. November 2014 und der Wiedervereinigung am 3. Oktober 2015. Die Vorbereitungen haben begonnen, vor allem in der Bundeshauptstadt und in der Bankenmetropole Frankfurt am Main.
In Berlin sind die Feierlichkeiten zum Mauerjubiläum noch nicht in allen Details geplant. Deshalb hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit darauf hingewiesen, daß das Gedenken an den Mauerfall eine nationale Aufgabe sei, die Berlin nicht allein stemmen könne. Ziel müsse es sein, die deutsche Hauptstadt und ihre Geschichte »weltweit zu präsentieren«. Der Senat sei bereit, eigene Veranstaltungen in ein Gesamtkonzept einfließen zu lassen. Dazu gehöre ein Festakt im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, also in dem prächtigen im Zweiten Weltkrieg zerstörten, in den Zeiten der DDR wieder aufgebauten Gebäude, in dessen Glanz sich die bundesdeutsche Obrigkeit gern sonnt.
Einer der Höhepunkte in Berlin wird eine zwölf Kilometer lange Lichtinstallation entlang des ehemaligen Mauerstreifens als »Symbol der Hoffnung für eine Welt ohne Mauern« sein. Zehntausend weiße, mit Helium gefüllte Luftballons werden in einem Abstand von ein bis drei Metern leuchten, um am späten Abend unter dem Jubel der glücklichen Berliner und ihrer Gäste in den Himmel zu fliegen. Falls das Wetter günstig ist, soll die Installation sogar vom Weltraum aus zu sehen sein. Das Spektakel wird etwa 2,5 Millionen Euro kosten, die unter anderem von der Lotto-Stiftung und der Stiftung Berliner Mauer spendiert werden. Da das nicht ausreicht, sind Unternehmen, Einzelpersonen und Schulklassen aufgefordert, eine »Patenschaft« für einen oder mehrere Kleinballons zu übernehmen. Als Dank dafür darf jeder Pate seinen Ballon fliegen lassen.
Neben zahlreichen Ausstellungen und Veranstaltungen hält das geplante Programm in der Bundeshauptstadt weitere Leckerbissen bereit: In- und ausländische Besucher können Radtouren auf dem Mauerweg unternehmen, ehemalige Wachtürme sowie die East Side Gallery besichtigen und sogar in einem echten DDR-Auto der Marke Trabant einen Ausflug in den Osten der Stadt wagen.
In Frankfurt am Main bereitet man sich derweil auf den 25. Jahrestag der Deutschen Einheit vor. Die hessische und Frankfurter Politprominenz will ein guter Gastgeber sein. Wie üblich werden sich auf einer »Ländermeile« alle 16 Bundesländer präsentieren. Festliche Konzerte, Film-, Tanz- und Theateraufführungen sollen die Frankfurter und ihre Gäste erfreuen. Die Paulskirche, seit 1848 Symbol der Demokratie, soll in »herausragender Weise« in das Veranstaltungskonzept eingebunden werden; wie ist noch unklar, denn für die Ausrichtung des Festaktes ist sie mit ihren 930 Sitzplätzen zu klein. So soll die zentrale Veranstaltung in der Alten Oper stattfinden, die mehr Platz für die Staatsspitze, die Ministerpräsidenten aller Bundesländer und deren Anhang, für die erwarteten ausländischen Gäste und für verdiente Bundesbürger bietet. Vor dem Festakt werden die hohen Gäste in einem Festgottesdienst im Frankfurter Dom dem Allmächtigen für das Geschenk der Einheit danken und seinen Segen für die bevorstehenden Herausforderungen erbitten. Kopfzerbrechen bereiten den Organisatoren mögliche Aktionen der Blockupy-Bewegung. Aber mit Gottes Hilfe und den gesammelten Erfahrungen wird auch dieses Problem gelöst werden.
Selbstredend wird es zu den Jubiläen noch andere Überraschungen geben. Vielleicht kommt es gar zu einer Wiederaufführung der zum 20. Jahrestag der Großen Friedlichen Freiheitsrevolution im Axel-Springer-Haus in Berlin stattgefundenen Sause der Bild-Zeitung mit den »Vätern der Einheit«: Helmut Kohl, George Bush und Michail Gorbatschow. Das wäre nur allzu schön!
Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Lassen wir sie uns nicht durch die notorischen Miesmacher verderben. Gern zitieren diese neuerdings den klügsten Kanzler aller Zeiten, Helmut Schmidt, der sich seinerzeit mit Blick auf die neuen Bundesländer »verpflichtet« sah, »den Menschen die Wahrheit zu sagen und die ganze Scheiße, diese Riesenarbeitslosigkeit« anzuprangern. Die Schwarzmaler sind selbst in regierungsnahe Medien vorgedrungen. So strahlte die Deutsche Welle einen Beitrag mit dem Titel »Im Osten nichts Neues. Abriß statt Aufbau« aus, in dem es hieß: »Blühende Landschaften in Ostdeutschland versprach der ehemalige Kanzler Helmut Kohl einst im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung. Und man kann sie auch finden: in und um Berlin, Dresden, Leipzig, Erfurt. Anderswo blüht Unkraut vor zugemauerten Eingängen und zerstörten Fenstern. Hunderttausende Wohnungen stehen in Ostdeutschland leer […] Die Bevölkerung Ostdeutschlands könnte sich laut Prognose bis 2050 halbieren […] Manche Dörfer und Kleinstädte werden langfristig kaum überleben. Auf der Suche nach Arbeit verlassen besonders die Menschen mit hoher Bildung ihre Heimat. Dabei werden schon heute nirgendwo in Europa weniger Kinder geboren als in Ostdeutschland. Die Abwärtsspirale dreht sich.«
In Wahrheit geht es aufwärts, wie die Berliner Zeitung zum neuesten »Bericht zum Stand der deutschen Einheit« zutreffend feststellte: »Kleiner Aufschwung Ost gesichtet.« Das ist doch ein fabelhaftes Ergebnis, wenn man bedenkt, daß gerade einmal 23 Jahre vergangen sind, seit das ganze Land mit Plakaten zum »Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost« überschwemmt wurde, auf denen ein fettgedrucktes »A«, dessen linker Balken – ein nach oben schießender schwarz-rot-goldener Pfeil – von himmelstürmender Wirtschaftsentwicklung kündete.
Doch trotz dieser guten Botschaft wird notorisch behauptet, die Ostdeutschen seien immer noch »Bürger zweiter Klasse«. Als Beweis dafür wird unter anderem angeführt, daß im Osten des Vaterlandes der Rentenwert, die Tariflöhne, die bisher vereinbarten Mindestlöhne noch immer niedriger und die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch sind. Als jüngstes Beispiel wird die Tatsache genannt, daß selbst die geplante Mütterrente in den neuen Bundesländern niedriger als in den alten sein soll. Na und? Die Angaben mögen zwar stimmen, aber entscheidend ist doch, daß Ostdeutsche die beiden höchsten Staatsämter – Bundespräsident und Kanzler – innehaben. Wer kann angesichts dieses Sachverhaltes noch behaupten, daß die Ostdeutschen diskriminiert und »Bürger zweiter Klasse« seien?
Also lassen wir uns die gute Laune und die Vorfreude auf die 25. Jahrestage nicht verderben. Bleiben wir humorvoll. Schließlich ist Humor doch, wenn man trotzdem lacht. So betrachtet, haben wir doch allen Grund, immer aufs Neue heftig zu lachen!