Über die Unterwanderung von Politik und Medien durch transatlantische Netzwerke ist bereits einiges veröffentlicht worden. So hat der Leipziger Medienwissenschaftler Uwe Krüger über die Verbindungen deutscher Alphajournalisten zu außen- und sicherheitspolitisch aktiven Eliten geforscht und seine beängstigenden Ergebnisse 2013 in dem Buch »Meinungsmacht« veröffentlicht. Und der Schweizer Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser (»Nato-Geheimarmeen in Europa«) hat über seine Recherchen und Erfahrungen hinsichtlich der Aktivitäten der NATO und ihrer Netzwerke berichtet. Er kam zu dem Schluß, daß in den westlichen Medien aufgrund der Vernetzung leitender Redakteure nichts Kritisches über die NATO berichtet wird.
Jetzt sind in dem Buch »Die Macher hinter den Kulissen« des Politologen Hermann Ploppa weitere brisante Informationen über den Einfluß der US-Regierung und ihrer Netzwerke auf die Politik der westeuropäischen Staaten zu finden. Der Autor beweist anhand zahlreicher Beispiele, daß die Synchronisierung bundesdeutscher Eliten zu den Interessen der US-Eliten das Ergebnis einer beharrlichen, generationsübergreifenden Netzwerkarbeit seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist. Das habe fundamentale Auswirkungen, schreibt Ploppa. Heute stehe der parlamentarisch-demokratischen Regierungsform in Zentraleuropa (Government) die »elitäre indirekte Machtausübung durch diskrete Netzwerke« (Governance) in den angloamerikanisch geprägten Ländern gegenüber.
Transatlantizismus und Neoliberalismus sind allerding nicht notwendigerweise deckungsgleich – so der Autor. Nach seiner Meinung haben die transatlantischen Netzwerke über einige Jahrzehnte eine eher keynesianische Wirtschaftspolitik gefördert (die Nachfrage regelt Produktion und Beschäftigung), seit den 1980er Jahren jedoch mehrheitlich marktradikale Strategien durchgesetzt. Inzwischen sei der Neoliberalismus von dem menschenverachtenden Marktradikalismus abgelöst worden und die fortwährende Benutzung des Begriffs »Neoliberalismus« zur Bezeichnung der gegenwärtigen marktradikalen Bestrebungen insofern irreführend.
Nach Ploppa unterscheidet sich die Wirtschaftsordnung in den kontinentaleuropäischen Ländern Deutschland, Österreich, Schweiz und auch in den skandinavischen Ländern grundlegend von den angloamerikanischen Gesellschaftsformen. Während dort die allermeisten öffentlichen Bereiche privatwirtschaftlich oder über philanthropische Stiftungen organisiert seien, was erhebliche Nachteile für die Bevölkerung mit sich bringe, herrsche hier eine Dreiteilung, nämlich in »öffentlich-rechtlich-staatlich, genossenschaftlich und privatwirtschaftlich-profit-orientiert«. Dieser dreiteiligen Organisation liege die Erkenntnis zugrunde, daß das Profitprinzip in den Bereichen öffentlich-rechtlicher Versorgung und Infrastruktur naturgemäß kontraproduktiv sei.
Ploppa schreibt, mit dem Fall der Mauer 1989 sei auch gesellschaftlich ein Dammbruch erfolgt. Die »feindliche Übernahme« und Privatisierung des DDR-Vermögens habe eine neue Kaste der Privatisierungsgewinner hervorgebracht, die mit den jetzt verfügbaren Mitteln und Möglichkeiten auch die Privatisierung der gesamten Bundesrepublik Deutschland betreibe. Dies geschehe mit der »geballten Macht des transatlantischen Netzwerkes« in Politik, Verbänden und Medien.
Es werde – so der Autor – eine systematische Umwandlung Deutschlands von Government zu Governance und zur Privatisierung betrieben, und diese Umwandlung sei ein Teilaspekt der Anbindung Europas an die Interessen der Oligarchie der USA. Die Europäische Einigung sei nicht aus einer Basisbewegung entstanden, sondern aus einem »von den USA initiierten Top-Down-Projekt, zunächst zur geopolitischen Einhegung gegenüber der Sowjetunion, dann zur marktradikalen Umwandlung«.
Der Autor prognostiziert, nun werde durch TTIP Europa als Ganzes dasselbe passieren wie seinerzeit der DDR bei der Übernahme durch die BRD: Europa werde zur »enthaupteten verlängerten Werkbank der USA«. Dafür spreche auch die Tatsache, daß zeitgleich mit TTIP ein transpazifisches Freihandelsabkommen geschlossen werde, das sich ebenfalls um die USA zentriert. Er ist aber dennoch der optimistischen Auffassung, Deutschland habe noch so viel Substanz, daß ein Gegenentwurf auf den »ererbten Strukturen der Dreiteilung« aufbauen, und diese mit modernen Alternativen verbinden könne.
Hermann Ploppa liefert viele wertvolle Informationen, er nimmt Stellung und klärt auf. Seine Thesen überzeugen. Allerdings passen die hoffnungsvollen Schlußbetrachtungen nicht so ganz zu den bisweilen deprimierenden Befunden im Hauptteil des Buches.
Hermann Ploppa: »Die Macher hinter den Kulissen«, Nomen Verlag, 200 Seiten, 14,90 €