Horst Neumann, fürs Humanoide. – Unter Karriereschwäche leiden Sie nicht: Ihr Weg führte Sie von der Vorstandsverwaltung der IG Metall in Aufsichtsräte von Konzernen, sie wurden Arbeitsdirektor bei Großunternehmen, inzwischen Vorstandsmitglied (Personal und Organisation) bei der VW-Aktiengesellschaft, in der Nachfolge von Peter Hartz. Ein nahes Verhältnis zum dortigen Betriebsrat wird Ihnen zugeschrieben; und den haben Sie auch, lobt die Welt am Sonntag, »eingebunden« in ein neues Reformprojekt: »VW will Menschen durch Roboter ersetzen«, durch »humanoide Maschinen«. Weil dann die Produktionskosten geringer würden, die Rentabilität des Unternehmens ansteige. Menschenfreundlich sei dieser Plan, sagen Sie; durch die Humanoiden werde anstrengende körperliche Belastung abgeschafft. Wie schön für die Arbeitnehmer – aber braucht man dann noch viele von ihnen? Auch kein Problem, jedenfalls nicht für VW, beruhigen Sie; ein erheblicher Teil der jetzigen Belegschaft gehe ohnehin demnächst in Rente, gut abgesichert, und für eine (kleinere) Stammbelegschaft blieben dauerhafte, angenehme Arbeitsplätze. In Ihrer Zeit im Vorstand der IGM, so vermuten wir, sind Sie schon dahintergekommen: Wie man angesichts der so bewunderten »Digitalisierung«, der »dritten industriellen Revolution«, existenzsichernde Lohnarbeit für alle, die darauf angewiesen sind, gesellschaftspolitisch durchsetzen könnte – dazu fällt den Gewerkschaften nichts ein. Den Arbeitgebern ebenfalls nicht, aber das ist ja auch nicht deren Ding. Wenn dies so ist, bleibt den Betriebsräten arbeits-politisch nur eins: Sich einschwören lassen auf knallharte Unternehmensinteressen am Standort und auf die Interessen der Stammbeschäftigten. Die allerdings werden dabei immer weniger.
Katja Suding, Hochglanzliberale. – Beachtliche 7,4 Prozent der Wählerstimmen konnten Sie als Spitzenkandidatin der schon totgeglaubten »Partei der Freiheit« bei der Hamburger Bürgerschaftswahl einheimsen. Beraten hat Sie bei Ihren Werbeauftritten, sei es beim Interview für die Bunte oder beim Posing in der Gala, jene PR-Agentur, die schon für die »18« unter der Schuhsole Guido Westerwelles oder für dessen »Big Brother«-Containerauftritt sorgte. Die Plakatreklame war ausschließlich auf Sie, unseren »Mann für Hamburg«, zugeschnitten. Ein – nicht geplanter, aber durchaus willkommener – Kameraschwenk in der »Tagesschau« über Ihre Beine (mehr als 120.000 Aufrufe bei YouTube) machte Sie bundesweit bekannt. So erotisch kann Postdemokratie sein! Doch bei Ihrem jüngsten kommunalen Aufmerksamkeitserfolg sollten Sie es nicht bewenden lassen. Wie wäre es nächstens mit einer, Eigenständigkeit demonstrierenden, freidemokratischen Kanzlerkandidatur? Neben dem üblichen Politpersonalangebot wären Sie ein echter »Eyecatcher«. Außerdem könnten Sie sich von dem Image als »Engel für Lindner«, das Ihnen die Gala verpaßt hat, emanzipieren. Aber das muß man Ihnen als »Mann vom Fach« ja nicht erst erzählen.
Auswärtiges Amt, Berlin. – Für Ihre Mitarbeiter im Diplomatischen Dienst haben Sie am 18. Februar »Handreichungen« herausgegeben unter dem Titel »Realitätscheck – Russische Behauptungen – unsere Antworten«. Offenbar befürchten Sie, daß deutsche Diplomaten gelegentlich auch schon mal in ein Gespräch über den Ukrainekonflikt hineingezogen werden und unsicher sein könnten, was sie denn Kritikern der NATO-, US- und EU-Politik entgegenhalten sollen; deshalb nun Ihre offiziellen »Argumentationslinien«. Diese sind schlicht gehalten, eigentlich hätte es genügt, die Hauptlinie vorzugeben: Rußland ist schuld. An einer Stelle kommt Verlegenheit zum Ausdruck, und deshalb bringen Sie dieses Argument gleich zweimal: Wieso rückt NATO-Militär, entgegen früheren westlichen Zusicherungen, bis an die Grenzen Rußlands vor? Ihr »Realitätscheck«: Der Westen habe nur versprochen, sich bei der »permanenten Stationierung substantieller Kampftruppen« dort zurückzuhalten. Nun wissen wir also: Nicht in jedem Falle hat NATO-Militär »Substanz«. Am merkwürdigsten Ihr Argument gegen den russischen Anspruch darauf, daß die Krim nicht unter Regie der NATO kommt – dem liege ein historisch falsches Bild zugrunde. Denn auf der Krim hätten sich im Laufe der Geschichte nicht nur Russen angesiedelt, sondern auch »Kimmerer, Taurer, Griechen, Goten, Hunnen« und so weiter. In dieser Aufzählung fehlt etwas. Vor allem in den Jahren 1942/43 hielten sich Deutsche massenhaft auf der Krim auf, allerdings bewaffnet, in Uniformen der deutschen Wehrmacht und der Waffen-SS. Eigentlich wollten sie dort bleiben, Hitler hatte große Freude an einer deutschen Krim, nur das Tatarenvölkchen sollte dort einen Platz behalten, aber dann erwies es sich doch als störend, »alle Fremden müssen raus«, sagte Deutschlands Führer. Für Sewastopol war schon der neue Name »Theoderichshafen« gefunden. Der Versuch einer »Regotisierung« der Krim, er kostete Hunderttausende von Menschen das Leben, scheiterte dann doch, die Rote Armee kam dazwischen. Warum lassen Sie dieses Kapitel der Krim-Geschichte unerwähnt? Es kann doch passieren, daß deutsche Diplomaten im Gespräch mit ausländischen Kollegen auf historisch Gebildete stoßen, was dann?
Sigmar Gabriel, auf Partnersuche. – Eine »Expertenkommission« sucht im Auftrag Ihres Ministeriums nach Wegen, die »Teilprivatisierung der deutschen Infrastruktur« einzuleiten. In »öffentlich-privater Partnerschaft« sollen Fonds geschaffen werden, die privates Kapital an Bau und Betrieb von Straßen, Brücken und Bildungseinrichtungen beteiligen. Investoren könnten vor allem Versicherungsunternehmen und »institutionelle Anleger« sein. Ihr Kabinettskollege Alexander Dobrindt freut sich über solche Vorhaben, ÖPP sei »wirtschaftlicher« als der Alleingang von Staat und Kommunen. Eben deshalb ist auch die Finanzindustrie sehr an Ihren Plänen interessiert, sie versteht sich auf »Wirtschaftlichkeit«, auf ihre eigene. Damit all das rationeller organisiert werden kann, sollten Sie auch Ihr Ministerium selbst teilprivatisieren; Ansätze dafür gibt es ja schon. Machen Sie ganz offiziell ein Modell daraus, ein Wirtschaftsminister muß da voranschreiten. Vor allem ein sozialdemokratischer, Ihre Partei will doch Wirtschaftskompetenz nachweisen.
Petro Poroschenko, Friedensschaffer. – Es hat uns beeindruckt, wie forsch Sie als ukrainischer Präsident und Oberkommandierender der ukrainischen Streitkräfte gleich nach den Waffenstillstandsvereinbarungen von Minsk erklärten: »Der Frieden wird nicht in den Hallen der Diplomatie entschieden, sondern in den Schützengräben.« Wir würden es aber ein bißchen anders sagen: Aus den beiden Weltkriegen des vorigen Jahrhunderts wie beispielsweise auch aus dem Irakkrieg Ihrer US-amerikanischen Freunde wissen wir: Aus Gräben können, wenn die Panzer darüber rollen, Gräber werden, Massengräber. Und dann herrscht Friedhofsruhe.