Zu Silvester wurde er abgewatscht, Olaf Scholz, der Bürgermeister der Freien und Hansestadt an der Alster. Der Präses der Handelskammer, Fritz Horst Melsheimer, tadelte in der »Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg e. V.« vor etwa 2200 »hochkarätigen Gästen« den vom Volk gewählten Bürgermeister, weil er sich dem Volksentscheid gegen Olympia in Hamburg gebeugt hatte. Hamburg sei so unregierbar geworden (Ossietzky 2/2016).
Jetzt parierte der Sozialdemokrat in seiner würdigen Weise. Zaubersäfte durchströmten ihn, er berührte Mutter Merkels Hand, lud sie zum Convivium Eines (ebenso) Ehrbaren Rates, zum Matthiae-Mahl, das Hamburgs Obere seit 1356 einnehmen. Und dorten schlug er zurück. Nicht gegen den großen Lümmel von der Handelskammer. Sondern gegen das Volk, das Olaf Scholz einst gewählt hatte. Durch Angela Merkel ließ er verkündigen, dass seine Stadt im Juli 2017 Austragungsort für die G20-Konferenz werde.
Natürlich gehört so einer nach Ochsenzoll, wo schon weit harmlosere Irre sind. Doch das entbindet uns nicht davon, zu versuchen, seine Beweggründe zu verstehen. Es muss ihm großen Kummer bereit haben, dass er auf die Olympischen Spiele 2024 zu verzichten hatte. Schon lange vorher hätte Olaf Scholz im Glanze ihrer Vorbereitung – koste das, was es wolle – zum Kanzlerkandidaten, zum Kanzler gar, erblühen können. Daraus ist nichts geworden. Und jetzt pressiert es. Nach der SPD-Niederlage bei den bevorstehenden Märzwahlen und der damit verbundenen Abdankung Sigmar Gabriels – notfalls bekommt der einen Tritt – will Scholz bereitstehen. Und er glaubt, mit Hamburg als Kampfzone für die G20 könne die Hansestadt allüberall auf diesem Planeten als »Tor zur Welt« erstrahlen, die Pfeffersäcke könnten scheffeln, und er als derzeitiger Bürgermeister könne von dieser neuen Herrlichkeit viel abbekommen.
Am Ende stehen – wie schon bei Olympia – Milliardenkosten für Hamburg und noch mehr Armut in Deutschlands reichster Stadt. Die Grünen, stets hilfswillige Koalitionspartner von Scholzens SPD, wurden vorher nicht informiert, sind fast schon abgesprungen und fordern: »Bürger- und Demonstrationsrechte« dürften nicht eingeschränkt werden – ja wie sonst wäre dieses Gesslerhut-Treffen möglich? Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Cansu Özdemir, weiß – Kunststück! – schon jetzt: »Wenn sich der russische und der neue amerikanische Präsident – oder die Präsidentin – und weitere 18 Staats- und Regierungschefs mit ihren Delegationen und ihren Sicherheitsdiensten in Hamburg treffen, wenn mit allem Recht zehntausende Menschen gegen die Politik der G20 demonstrieren, dann hat das massive Auswirkungen auf die Stadt.« 9000 Polizisten sind jetzt schon angefordert – das wird kaum ausreichen.
Der G7-Gipfel in Heiligendamm verwandelte 2007 weite Teile Mecklenburgs in eine Stacheldrahtfestung und beim G8-Treffen im einsam gelegenen Schloss Elmau sah es auch nicht besser aus. Und jetzt will Hamburgs Bürgermeister das G20-Treffen in den Messehallen stattfinden lassen, gleich neben der Roten Flora und nahe der Universität. Und auch im Rathaus und in der bis dahin bestimmt fertiggestellten Elbphilharmonie sollen G20-Konferenzen stattfinden. Glaubt Olaf Scholz ernsthaft, all diese mitten in der Stadt liegenden Orte vor demonstrierenden Bürgern schützen zu können? Das ist nur möglich, wenn Hamburgs Zentrum zum Hochsicherheitstrakt wird.
Gibt es keinen Psychiater in Hamburg, der sich dieses Mannes annehmen kann? In Heiligendamm hat man – verfassungswidrig – die Bundeswehr gegen Demonstranten eingesetzt. In Hamburg wird es da ohne NATO-Kampfeinsatz kaum abgehen. Und das alles nur, weil Olaf Scholz glaubt, so könne er doch noch Kanzlerkandidat der SPD werden.