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Titel516

Peter Kleinert und die Konzerne  (Henrik Müller)

»Immer auf der Seite der Opfer« und »Unser Gesetz heißt Solidarität« – solche Titel hat Peter Kleinert seinen Filmen gegeben. Sie drücken die Haltung aus, die sein Leben geprägt hat. Am 6. Februar 2016 ist der Journalist, Redakteur, Produzent, Regisseur, Zeitungsmacher und Gewerkschafter im Alter von 78 Jahren gestorben.


»Immer auf der Seite der Opfer« hieß 1976 sein Dokumentarfilm über Steine, die Journalisten bei ihrer engagierten Berichterstattung über skandalöse Zustände in einem Chemiebetrieb des Flick-Konzerns in den Weg gelegt wurden – von den eigenen Verlagen. Nach der Ausstrahlung des Fernsehfilms setzte der Eigentümer des Kölner Stadt-Anzeigers, Alfred Neven-DuMont, prompt seinen Redakteur Kleinert auf die Straße, obwohl sein Verlag in dem Film nicht einmal namentlich erwähnt worden war. Zudem war Kleinert als Mitglied des Redaktionsbeirats eigentlich unkündbar.


Der engagierte Gewerkschafter, damals ehrenamtlich nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzender der Berufsgruppe Deutsche Journalisten-Union (dju) in der Industriegewerkschaft Druck und Papier (einer der ver.di-Vorgängerorganisationen), wehrte sich mit Unterstützung seiner Gewerkschaft und zahlloser solidarischer Kolleginnen und Kollegen vor Gericht gegen seine Entlassung. Der Prozess zog sich über Jahre durch etliche arbeitsgerichtliche Instanzen, bis das Bundesarbeitsgericht Kleinerts Entlassung durch den DuMont-Konzern endgültig für rechtswidrig erklärte.


Vier Jahre zuvor hatte Kleinert am Schwarzen Brett einen Artikel des Berliner Extra-Dienstes über die Entlassung von Kollegen beim Spiegel ausgehängt, die sich für Mitbestimmung in der Presse engagiert hatten. Dieser Aushang, so der Verlag, sei dem Betriebsfrieden nicht dienlich gewesen. Kleinert wurde beurlaubt und dann in ein Ein-Mann-Büro nach Düsseldorf versetzt. Er erhielt sein Gehalt, aber keiner seiner Berichte aus der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt wurde veröffentlicht. Im Kölner Stadt-Anzeiger erschien keine einzige Zeile von Peter Kleinert mehr. In dieser Zeit begann er, Filme zu produzieren. Sein Prozesserfolg beim Bundesarbeitsgericht führte nicht zur Wiederbeschäftigung als Redakteur. Er ließ sich mit einem stattlichen Betrag abfinden, den er als Grundstock für seine Produktionsfirma einsetzte.


»Unser Gesetz heißt Solidarität« war 1977 der Titel eines der ersten Filme, die Kleinert mit seinem »Kaos Film- und Video-Team Köln« produzierte: eine Dokumentation des legendären Zeitungsstreiks beim Weser-Kurier und bei den Bremer Nachrichten. Monopolverleger Meyer (»Mein Gesetz heißt Meyer«) wollte die von der IG Druck und Papier erkämpften Gehaltserhöhungen für Angestellte und Redakteure nicht auszahlen, sondern auf die übertariflichen Zulagen anrechnen. Mit Unterstützung der Setzer und Drucker traten die Betroffenen daraufhin in einen »wilden Streik«, den ihre Gewerkschaft aus juristischen Gründen zunächst offiziell nicht unterstützen durfte (was sie aber später doch tat). Der Film wurde ein Jahr später vom Westdeutschen Rundfunk ausgestrahlt und in der Folge vielfach bei gewerkschaftlichen Bildungsveranstaltungen und Mitgliederversammlungen gezeigt.


Das Kaos-Team gewann zahlreiche Auszeichnungen – vom Adolf-Grimme-Preis in Gold bis zum Preis der Internationalen Jury beim Leipziger Dokfilm-Festival. 1985 gründete Kleinert zusammen mit der Künstlerin Marianne Tralau die Kölner »Kaos-Galerie« und 1988 mit anderen Dokumentarfilmern das »unabhängige Fernsehfenster Kanal 4« auf RTL und Sat1, das zehn Jahre lang viele aufklärende, auch experimentelle Beiträge sendete, bis es auf Druck der beiden Kommerzsender geschlossen werden musste, nachdem der damalige Sozialdemokrat Wolfgang Clement Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen geworden war. Daraufhin gründete Kleinert mit anderen die Kölner Woche und schließlich im Internet die Neue Rheinische Zeitung, deren Herausgeber und verantwortlicher Redakteur er bis zuletzt war. Vorgestellt hatte er dieses Projekt 2005 in dem Ossietzky-Sonderheft »Keine Demokratie ohne Demokratisierung der Medien«.