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Titel0609

Merkel-Dämmerung?  (Arno Klönne)

Es ist nicht mehr lange hin bis zur Bundestagswahl, in den Unionsparteien herrscht Unruhe. Nicht nur der bayerische Ministerpräsident (er muß um den Erfolg schon bei der Europawahl bangen) ist im Profilierungswettbewerb der Unions-Granden sich selbst der nächste, auch Rüttgers, Koch, Oettinger und Wulff sind darauf aus, ihre eigenen Markenzeichen zu setzen – wobei sie am Image der Kanzlerin Kratzspuren hinterlassen. Mag sein, daß dabei auch Rachegelüste mitspielen, die Parteivorsitzende hat so manchen führenden Parteifreund verärgert.

Bemerkenswert ist, daß für die Union meinungsmachende Zeitungen aus dem Hause Springer und die Frankfurter Allgemeine auf konzertierte Weise das Gefühl wecken, Angela Merkel sei nicht mehr die, die sie war. Auch Sticheleien zeigen da Wirkung: Hätte die Kanzlerin nicht doch mehr für die oberste deutsche Vertriebene tun können – und hat sie den deutschen Papst so demütigen müssen? Zweifel werden gesät: Hat Angela Merkels DDR-Vergangenheit vielleicht doch psychische Reste hinterlassen? Ist ihr die mentale Ablösung vom linksprotestantischen Vater wirklich gelungen? Solche Sorgen sind, da können wir sicher sein, unbegründet, aber die Irritationen in der Union haben ihre machtkalkulatorischen Gründe.

Die düstere wirtschaftliche Lage hat Verwirrung in den Köpfen vieler Anhänger der Unionsparteien erzeugt. Mittelständler laufen zur FDP über, weil diese Partei ihnen wenigstens Steuervorteile verspricht. Auch wenn CDU und CSU auf ein schwarz-gelbes Regierungsbündnis nach der Bundestagswahl setzen, wollen sie an den Wunschpartner nicht Massen von Stimmen verlieren. Mehr noch ängstigt die Unionsparteien, daß der Trend zur Enthaltsamkeit bei Wahlen sich verstärkt. Und so kommt der Hilferuf nach »mehr Profil« bei der Union auf, und dieser Wunsch nach besserem Design läuft darauf hinaus, neue Verwirrung hervorzubringen. Wie soll sie sich nun anbieten, die Union? Noch härter neoliberal? Endlich wieder »konservativ«? Oder »sozialer als die Sozialdemokratie«?

In den Stabsstellen der kapitalistischen Wirtschaft und bei Parteigängern der Union in den Massenmedien wird man sich vorstellen können, das Kanzleramt (und auch den Vorsitz der CDU) in diesen turbulenten Zeiten mit einer demagogisch besser qualifizierten Kraft zu besetzen als der jetzigen Kanzlerin. Aber woher nehmen? Und wie eine solche Person binnen kurzer Zeit marktfähig machen? Also wird Angela Merkel erst einmal ihre Rolle weiterspielen dürfen. Im wesentlichen ist sie verläßlich: Am Rande der Handwerksmesse in München hat sie sich mit den Spitzen der großen Unternehmerverbände getroffen, sich deren Wünsche gemerkt und den »Schulterschluß von Politik und Wirtschaft« noch einmal bestätigt. In dieser Hinsicht steht ihre Loyalität außer Zweifel.