Die Aufarbeitung der gegenwärtigen Krise müsse »ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und gegen den Shareholder-Value-Kapitalismus beinhalten«, meint der DGB-Vorsitzende Michael Sommer. Damit ist er auf Regierungslinie. »Die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft müssen weltweit beachtet werden. Erst das wird die Welt aus der Krise führen«, so Kanzlerin Merkel. Auch Finanzminister Peer Steinbrück ortet die Krise in den USA, nicht in Deutschland.
Die Gesamtverschuldung der USA liegt mit rund 50 Billionen Dollar beim 3,8-fachen des Bruttoinlandsprodukts (BIP), also des Gesamtwertes aller Waren und Dienstleistungen, die in einem Jahr innerhalb einer Volkswirtschaft hergestellt wurden. Ein bedeutender Teil der US-Kredite – Ansprüche an US-Schuldner – wurden weltweit verkauft, vor allem Hypotheken. Auch Kredite an eigentlich zahlungsunfähige Schuldner wurden als Wertpapier verpackt und mit Kreditversicherungspapieren ohne ausreichende Deckung versichert.
Die Gesamtverschuldung Deutschlands ist unbekannt. Sie dürfte aber ebenfalls beim Zwei- bis Dreifachen des BIP von 2,5 Billionen Euro liegen. Und deutsche Banken haben lt. FAZ »Finanzprodukte aus der Wall-Street begeistert ins eigene Haus« geholt, für die sie im Versicherungsfall eintreten müssen.
Die Ursachen waren in den USA und in Deutschland gleich. Der stark gestiegene weltweite Kapitalüberschuß hat dazu geführt, daß sich die Bilanzsummen der Banken enorm ausweiteten und sich im letzten Konjunkturzyklus von 2000 bis 2006 auf 75 Billionen Dollar mehr als verdoppelten, die außerbilanziellen Geschäfte nicht gerechnet. Im Euro-Raum stiegen die Bilanzsummen der Banken noch schneller als in den USA. Deutsche Banken legten von 2000 bis 2008 um etwa 2.000 Milliarden Euro zu, während das BIP nur um 500 Milliarden Euro stieg. Deutschland, dessen Exporte die Hälfte des BIP ausmachen, profitierte in starkem Maße vom Kreditdoping, mit dem weltweit die Konjunktur am Leben gehalten wurde.
Kredite waren die Hauptform, die Kapitalüberschüsse anzulegen. Zwei Drittel bis drei Viertel der Bankprofite stammen aus dem Kreditgeschäft. Das Überangebot an Geldkapital drückt jedoch das Zinsniveau nach unten und untergräbt damit die Hauptquelle der Bankprofite, den Zins.
Die Durchschnittsraten der Zinsen für Dreimonatsgeld und für langfristige Anleihen der öffentlichen Hand sind in den letzten Jahrzehnten weltweit gefallen. Vor allem aber ist die Zinsspanne gefallen, verstärkt ab Mitte der 1990er Jahre, in Deutschland zum Beispiel von 1,9 Prozent im Konjunkturzyklus 1980–1991 über 1,6 Prozent im Zyklus 1991–2000 auf 1,15 Prozent im Zyklus 2000–2007. Die Zinsspanne ist das Verhältnis des Zinsüberschusses zum insgesamt in Bewegung gesetzten Kapital, der Bilanzsumme. Der langfristige gefallene Zinsfuß spiegelt auch wieder, daß Zinsraten abnehmen, wenn die Profitraten langfristig fallen. Deshalb sagt Karl Marx: »abgesehen von der Profitrate, (hat) der Zinsfuß eine Tendenz zum Fallen ... infolge des Wachstums des verleihbaren Geldkapitals«. Der Fall der Zinsen und der Zinsmargen trug erheblich zu einem langfristigen Fall der Eigenkapitalrenditen der Banken bei, die in der letzten Krise 2000–2003 auf neue Tiefstände sanken. Die Methoden, mit denen man dieses Problems Herr zu werden versuchte, sind der Ausgangspunkt für die noch tiefere Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007.
Das Prinzip dieser Methoden bestand darin, die Profitmasse mit einem hohen Einsatz von Krediten und möglichst wenig Eigenkapital zu steigern und darüber die Eigenkapitalrendite hochzuhebeln. Die Explosion der Verbriefungen von Krediten in Form von Wertpapieren, der Credit Default Swaps, der außerbilanziellen Zweckgesellschaften, der Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften und die Explosion der Wettgebühren aus dem Verkauf von Wetten auf Preise, Kurse, Währungen, Rohstoffe und so weiter haben hier ihre Ursache.
Diese Methoden waren keine »Fehler« von gierigen Bankern ohne soziale Verantwortung, sondern im Großen und Ganzen sachliche Notwendigkeiten, die von den ökonomischen Gesetzen der Kapitalverwertung diktiert wurden. Und die gelten auch in einem Deutschland, das sich als Soziale Marktwirtschaft verkleidet. Immerhin ließ sich Axel A. Weber, der Präsident der Bundesbank, im Handelsblatt die Einsicht entlocken: »Die Verluste (der Kreditwirtschaft in Deutschland) kommen vor allem aus Wertpapierportfolien, die aufgebaut wurden, um die zu geringen Margen im Kreditgeschäft im Inland zu ersetzen und durch höhere Erträge am Kapitalmarkt oder von Immobilienmärkten im Ausland auszugleichen.« Ein herausragendes Eingeständnis, da sich sonst nahezu niemand zur Entwicklung der Profitraten äußert.
Die Gründe, weshalb die Müllpapiere in den USA produziert und auch in Deutschland gekauft wurden, waren die gleichen: enorme Probleme bei der Verwertung von Überschußkapital. Die Kapitalverwertung, egal ob unter dem Titel Neoliberalismus oder Soziale Marktwirtschaft, führt in die Finanzkrise hinein, nicht hinaus. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums könnte bis zu einer Billion Euro an Kapital in den Aktiva deutscher Banken abgeschrieben werden, damit die »Soziale Marktwirtschaft« die Krise »lösen« kann. Daß der Reichtum, den die LohnarbeiterInnen produzieren, die Eigenschaft hat, Kapital zu sein, und nicht dazu dient, gesellschaftliche Bedürfnisse zu befriedigen und die Lebensverhältnisse der breiten Masse zu verbessern, ist eine Grundbedingung dieser Krise. Die Soziale Marktwirtschaft verjubelt den Reichtum dieser Gesellschaft lieber in Spekulation, als ihn für höhere Löhne, höhere Renten oder Arbeitslosenunterstützungen zu verwenden.
Michael Sommer gibt als Ziel der geplanten bundesweiten DGB-Demonstration am 16.Mai die »echte Renaissance der Sozialen Marktwirtschaft« aus. Der bisherige Aufrufentwurf für eine bundesweite Demonstration gegen die Abwälzung der Krisenlasten am 28.3. in Frankfurt und Berlin steht – maßgeblich zurückzuführen auf die Intervention von Attac und der Linkspartei – für einen »Systemwechsel« zu einer »solidarischen Gesellschaft« auf der Basis einer sozial und ökologisch gezähmten Marktwirtschaft. Ob unter der Formel »Marktwirtschaft für Menschen« oder »solidarische Gesellschaft« durch »solidarische Umverteilung« beziehungsweise Verteilungsgerechtigkeit – die Proklamation einer sozialen Kapitalverwertung ist allemal illusionär.
Für die Lohnabhängigen stellt sich nicht die Aufgabe, die Kapitalverwertung und damit die Grundbedingung von Verarmung und Krisen zu verteidigen, sondern sie anzugreifen.
Gute Real-, böse Finanzwirtschaft?
Nun fordert zum Beispiel die IG Metall: »Um die Realwirtschaft vor der Ansteckung durch die Finanzmarktkrise zu schützen, muß das Vertrauen in das Bankensystem wieder hergestellt werden.« Aber lassen sich Real- und Finanzwirtschaft auseinanderhalten? Auch Industriekonzerne verwalten riesige Kapitalüberschüsse. Die Kapitalüberschüsse, die die Finanzmärkte aufblähen, sind in der sogenannten Realwirtschaft erzeugt worden. Banken, Versicherungen und Pensionsfonds verfügen über Gelder von Unternehmen und privaten Haushalten, die überschüssig sind, das heißt im Reproduktionsprozeß des Kapitals zeitweise oder dauerhaft brachliegen. Wie eng Finanz- und Realwirtschaft zusammenhängen, zeigt sich aber auch daran, daß die angeblich so solide Realwirtschaft ohne die enorme Expansion der Verschuldung, der Finanzmärkte und der Zockergewinne aus den Immobilien- und Aktienblasen die Wachstumsraten des letzten Konjunkturzyklus gar nicht hätte erzielen können. Auch die Explosion der Geldmenge, eine indirekte Folge der Kreditnachfrage, förderte die Produktion. Solange der Laden lief, beschwerten sich die Vertreter der »Realwirtschaft« und ihre Sozialpartner nicht und lobten die USA sogar als das Land der niedrigen Zinsen.
Das Kreditdoping, möglich durch den Kapitalüberschuß der Realwirtschaft, produzierte die Scheinblüte der Realwirtschaft. Es ist aber zugleich Ursache der heutigen tiefen Krise. Es trieb die Produktion noch weiter über die Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft hinaus, als sie es aufgrund der Produktion von Privateigentümern für unbekannte Märkte ohnehin getan hätte. Die Kreditansprüche, die die Realwirtschaft beflügelten, wuchsen so weit über die reale Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft hinaus, daß sie heute billionenfach abgeschrieben werden müssen. Der Kredit, untrennbarer Bestandteil der Realwirtschaft, erweist sich, wie die gegenwärtige Finanzkrise zeigt, als gewaltiges Mittel zur tiefen Erschütterung der bestehenden Produktionsweise.
Richtig ist: So, wie das gegenwärtige Finanzsystem konstruiert ist, kann es nicht bleiben. Was muß dringend geändert werden?
Die wichtigste Größe, die darüber bestimmt, ob die Banken in der Lage sind, im Krisenfall für ihre Verluste eigenverantwortlich ohne Staatshilfe aufzukommen, ist ihr Eigenkapital. Je geringer das Eigenkapital, desto eher kalkulieren Banken staatliche Hilfe ein. Sie wollen möglichst wenig Eigenverantwortung für die eingegangenen Risiken übernehmen. Der Staat soll es richten.
Das Eigenkapital der US-amerikanischen Geschäftsbanken belief sich Ende 2008 auf 1,2 Billionen Dollar, die Bilanzsumme auf 12,4 Billionen Dollar. Die Eigenkapitalquote der Geschäftsbanken, bezogen auf ihre Bilanzsumme, betrug also 9,7 Prozent. Die Banken der sogenannten Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland stehen noch schlechter da. Sie verfügten im Oktober 2008 über ein Eigenkapital in Höhe von 366 Milliarden Euro, ihre Bilanzsumme betrug 8.030 Milliarden Euro, die Eigenkapitalquote also mit 4,6 Prozent nur die Hälfte derjenigen der USA. Das Flaggschiff der Sozialen Marktwirtschaft, die Deutsche Bank, deren Bilanzvolumen in etwa dem BIP Deutschlands entspricht, hat ihre Bilanzsumme von 2.061 Milliarden Euro mit einem Eigenkapital von 32,8 Milliarden Euro unterlegt. Für risikobehaftet hält die Deutsche Bank nur Aktiva in Höhe von 319 Milliarden Euro. Wenn nur zehn Prozent davon abgeschrieben werden müßten, wäre das Eigenkapital aufgezehrt und die Deutsche Bank wäre pleite, wenn sie kein neues Kapital bekommt.
Die FAZ warnt in diesem Zusammenhang davor, »daß ein vergleichsweise geringer Wertberichtigungsbedarf oder Verlust bei den Aktivposten Kapital und Rücklagen empfindlich schmälern, wenn nicht aufzehren kann. Ginge eine Bank pleite, müßten auch die Einleger und Halter von Bankanleihen einen Teil der Verluste schultern, was eine Kettenreaktion auslösen könnte.« Daraus ergeben sich Forderungen wie die folgenden: Die Eigenkapitaldeckung für Finanzgeschäfte muß erheblich ausgedehnt werden, vielleicht auf 20 Prozent der gesamten Bilanzsumme, nicht nur auf die risikogewichtete Bilanzsumme. So war es bis in die 1940er Jahre.
Der Einlagensicherungsfonds der Privatbanken ist so auszustatten, daß die Banken auch tatsächlich gegenseitig für Bankrotte aufkommen können und nicht der Staat.
Die Verbriefung von Krediten ist zu untersagen, ebenso ihre Versicherung über Käufer von handelbaren Kreditversicherungswertpapieren, die im Versicherungsfall gar nicht flüssig sind.
Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften müssen geschlossen werden oder, wenn nicht, dann den gleichen Eigenkapitalrichtlinien unterliegen wie Banken.
Der Handel mit Finanzprodukten wie Aktien, Devisen und so weiter muß mit Mehrwertsteuer belegt werden. Es geht nicht, daß der Kauf von Brot besteuert wird, nicht aber der Kauf einer Aktie.
Jeder Kapitalverkehr mit Steueroasen ist zu untersagen. Allein deutsche Banken haben 295 Milliarden Euro in Steueroasen angelegt, vor allem auf den Cayman Islands. Die Summe ist höher als der Bundeshaushalt.
Die Senkungen des Spitzensteuersatzes, die Senkung des Körperschaftssteuersatzes und die Abschaffung der Vermögenssteuer haben sich nur als Mittel erwiesen, den Finanzkonzernen das Spielkapital zuzuführen, das der Gesellschaft ungeheure Verluste zufügt. Spitzensteuersatz und Körperschaftssteuersatz müssen wieder auf 56 Prozent angehoben werden. Statt das Zockerkapital der Banken zu stärken, sollten die Mittel für massive Investitionen in Bildung, erneuerbare Energien, öffentlichen Nahverkehr und öffentlichen Wohnungsbau verwendet werden.
Diese Forderungen würden auf eine erhebliche Senkung der Profitraten der Banken hinauslaufen, aber auch der Nettoprofitraten der Unternehmen. Aus den neu erhobenen Gewinn- und Vermögenssteuern könnte auch der von attac geforderte Krisenfonds gespeist werden, der die Konsequenzen von Krisen abmildern soll. Die Finanzmärkte wären damit aber nicht entwaffnet. Ihre Waffe, das Geldkapital, das sie sammeln und anlegen, wäre immer noch in ihrer Hand.
Es wäre auch illusionär, diese Forderungen mit dem Wunsch zu verbinden, daß eine globale Finanzkrise wie die jetzige sich dann nicht wiederholen und daher die Realwirtschaft nie mehr anstecken könne, wie es die IG Metall meint.
Krisen entstehen, weil Unternehmen, ob Finanz- oder Industriekonzerne, jeder für sich in Konkurrenz zueinander Kapital verwerten und für unbekannte Märkte produzieren oder zum Beispiel Finanzprodukte verkaufen. Erst hinterher stellt sich heraus, ob die Märkte aufnahmefähig waren. Das treibt die Warenmasse und auch Kapitalmassen immer wieder über die Aufnahmefähigkeit der Märkte hinaus. Die Grundlagen für Krisen bestehen also trotz stärkerer Beschränkung der Kapitalverwertung weiter. Für Vertrauen in die Kapitalverwertung als stabile Grundlage besteht kein Anlaß, auch wenn dem Kapital Schranken gesetzt worden sind.
Demokratische Kontrolle der Finanzmärkte?
Mit den oben genannten Maßnahmen wäre auch keine demokratische Kontrolle der Finanzmärkte verwirklicht. Kontrolle von Märkten ist ein Widerspruch in sich. Märkte bestehen aus den unbekannten Wirkungen unbekannter Entscheidungen einer unbekannten Zahl von unbekannten Leuten, die auf unbekannte private Rechnung handeln. Märkte sind ihrer Natur nach unkontrollierbar, weil anarchisch.
Was soll Demokratie bedeuten? Die jetzige Krise führt zu einer gewaltigen Konzentration im Bankgewerbe. Enteignung einer Bank durch die andere, d.h. Monopolisierung ist die Devise. Der Staat überläßt diesen hochkonzentrierten Banken nach wie vor die Geschäftsführung. Die Verteilung der Staatsgelder an gefährdete Banken und Konzerne geschieht nicht öffentlich. Sie wird weitgehend Sonderetats und deren keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegenden Verwaltern überlassen. Da die Rettungsprogramme für Banken und Wirtschaft überwiegend mit Staatsschulden bezahlt werden, liefert sich auch der Staat immer mehr seinen Geldgebern und deren oligarchischer Kontrolle aus. Statt eines Prozesses der Demokratisierung sehen wir einen Prozeß wachsender Konzentration in weniger Händen. Und gerade die massive Ausdehnung der Staatsverschuldung, mit der die jetzige Krise bewältigt werden soll und die auch von DGB-Gewerkschaften befürwortet wird, stärkt die Dominanz der Finanzkonzerne. Die oben erwähnten Maßnahmen würden allerdings ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe erheblich einschränken.
Im Umfang des Geldkapitals drückt sich der Reichtum kapitalistischer Gesellschaften aus. Dieser Reichtum wird nicht verwandt, um Bereiche zu entwickeln, die unterdurchschnittliche oder gar keine Renditen abwerfen, zum Beispiel für den Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, den Ausbau erneuerbarer Energien, den Bau von Mietwohnungen, den Ausbau von Bildungs- und Kultur- und Sporteinrichtungen, die Förderung von Landwirtschaft und Handwerk. Er wird nicht in den Ausbau aller Möglichkeiten gesteckt, die individuellen Fähigkeiten jedes Einzelnen zu entwickeln, nicht in massive Arbeitszeitverkürzung, Gesundheitsprävention und bessere Krankenversorgung, kostenlose Befriedigung von Grundbedürfnissen nach Mobilität, den massiven Ausbau der Kinderbetreuung und so weiter. Er wird auch nicht zur Bekämpfung der Armut verwandt, die sich als Kehrseite des Reichtums ebenso schnell entwickelt wie dieser. Der Reichtum wird lieber in unglaublichem Umfang verwettet. Auf der Basis dieser asozialen Wirtschaft gibt es letztlich keine Lösung für die Probleme, die sie erzeugt. Die Krise mit der Explosion von Staatskrediten zu »lösen«, bereitet die nächste Krise vor, falls die jetzige überhaupt bewältigt werden kann.
Ein Systemwechsel wäre in der Tat nötig. In der Form, daß der wirtschaftliche Überschuß kein Kapital mehr und die Arbeitskraft keine Ware mehr ist. Die Produzenten des Reichtums müßten auch die Eigentümer ihrer Produktionsbedingungen sein, um zu ermöglichen, daß der von ihnen erarbeitete Reichtum für die maximale Entfaltung ihrer Bedürfnisse verwendet wird und nicht in Krisen vernichtet und in Spekulation verjubelt wird. Das wäre die Vorbedingung einer Gesellschaft, die man als solidarisch bezeichnen könnte.
Wir leben in einer Wirtschaftsordnung, in der die Menschen die wirtschaftlichen Abläufe nicht unter Kontrolle haben (denn keiner will doch Krisen), sondern in der sie durch die Produkte ihrer eigenen Arbeit beherrscht werden: durch sachliche, ökonomische Gesetze, die wie Naturgesetze wirken, aber von Menschen gemacht sind und damit nicht ewig gelten müssen. Erst wenn Menschen nicht mehr von den Naturgewalten der Kapitalakkumulation beherrscht werden, kann man davon sprechen, daß Zeiten angebrochen sind, in denen statt Abhängigkeit Freiheit, statt Demütigung Menschenwürde Einzug gehalten haben, Zeiten, die sich dadurch auszeichnen, daß die maximale Entwicklung des Potentials aller Menschen der einzige Zweck menschlicher Tätigkeit geworden ist.
Rainer Roth, der an der Fachhochschule Frankfurt am Main lehrt, hat unter dem Titel »Sie kriegen den Karren nicht flott« eine Broschüre zur Krise fertiggestellt, die gegen 3 Euro plus Porto über info@klartext-info.de zu beziehen ist.