Heribert Rech, Innenminister, Stuttgart. – »Wenn ich alle meine verdeckten Ermittler aus den NPD-Gremien abziehen würde, dann würde die NPD in sich zusammenfallen« – so zitiert Sie der Schwarzwälder Bote von einer Veranstaltung in Gechingen. Danke für Ihre Offenherzigkeit. Nun wissen wir aus Ihrem eigenen Munde, warum Sie im Gegensatz zu einigen anderen Innenministern die V-Leute nicht abziehen wollen. Zugleich blockieren Sie damit die Wiederaufnahme des Verbotsprozesses gegen die NPD, den das Bundesverfassungsgericht 2003 eingestellt hatte, weil wegen der vielen V-Leute in NPD-Gremien nicht entscheidbar sei, welche Aktivitäten der Partei von dieser selbst und welche von Verfassungsschutzämtern initiiert seien. Als beste Lösung erscheint uns, die Verfassungsschutzämter zu verbieten, dann wären zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Aber wir befürchten, daß Sie damit erst recht nicht einverstanden wären. Beide werden gebraucht – gegen links, versteht sich.
Erika Steinbach, am Pferdehaar hängend. – Erleichtertes Aufatmen war von fast allen Seiten zu hören, als der Bund der Vertriebenen darauf verzichtete, Sie für den Stiftungsrat des geplanten Zentrums zum Vertreibungsgedenken zu nominieren. Den Pferdefuß übersahen die meisten. Er bestand in dem Wörtchen »vorläufig«. Das Nachspiel ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Auf die Frage, wie lange das BdV-Präsidium die Stelle unbesetzt lassen wollte, antworteten Sie als Präsidentin laut Spiegel Online: »Drei Wochen, drei Monate, drei Jahre – je nachdem. Das ist ein wunderbares Damoklesschwert.« Damit war die Verschnaufpause vorbei. Wie einst der Tyrann von Syrakus, der über dem Haupte seines Höflings Damokles ein Schwert an einem Pferdehaar aufhängen ließ, gaben Sie den Polen (wie auch vielen verständigungsbereiten Deutschen) zu verstehen, daß sie sich zu früh gefreut haben. So weit darf es schließlich nicht kommen, daß die Nachbarn im Osten aufhören, vor Ihnen zu zittern.
Franz Müntefering, gnädig gestimmt. – Mißtrauen bei einigen Kommentatoren haben Sie durch Ihre Äußerung geweckt, »die Kinder und Enkelkinder der SED« müßten irgendwann auch einmal »in der Demokratie ankommen dürfen«, und es sei falsch, »die Mitglieder der Partei Die Linke für die nächsten 200 Jahre zu exkommunizieren«. Also haben Bisky, Gysi und Co. (mit Lafontaine wollen Sie »nichts mehr zu tun haben«) oder doch wenigstens deren Kinder und Kindeskinder Aussicht, irgendwann sozialdemokratische Sakramente zu empfangen. Ihrem Wink mit künftiger Gnade haben Sie ein Argument beigemischt, das Linksparteilern zu denken geben könnte: Eine unendliche Ausgrenzung von »SED-Erben« stünde, so sagten Sie, »auch in einem Mißverhältnis zu dem, was nach 1945 Personen mit NS-Vergangenheit ermöglicht worden« sei. Denen – fast allen – war damals ermöglicht worden, sehr schnell ihre alten Positionen wieder einzunehmen. Vielleicht läßt sich ja die Begnadigung von SED-Nachfahren beschleunigen, wenn diese ein Schuldbekenntnis ablegen, daß Kommunisten nichts anderes als »rotlackierte Nazis« gewesen seien, wie schon der erste Ihrer Vorgänger in der Reihe der SPD-Vorsitzenden, Kurt Schumacher, sie genannt hatte.
Frank-Walter Steinmeier, vollmundig. – Im Vorwahlkampf treten sie jetzt immer mehr als Schröder-Imitator auf, so auch als zupackender Retter von Arbeitsplätzen. Im Falle Opel, verkündeten Sie, dürfe man »nicht die Zeit mit dem Warten auf Antworten verstreichen lassen«. Zwar sei noch ungeklärt, was geschehen könne, aber es müsse »rasch gehandelt werden«. Ein Kraftprotz – so sollen wir es sehen – steht da vor uns, den nur die verwirrte und ängstliche Union daran hindert, alles wieder ins Lot zu bringen. Das »Handeln gegen die Krise«, sagten Sie dem stern, trage »die Handschrift der SPD«. Präzise müßte es heißen: Die Verheißung Steinmeierschen Handelns gegen die Krise trägt die Handschrift der SPD-Marketingexperten.
Karl Jüsten, einfühlsam. – Mit Ihrem Buch »Angela Merkel – Die Protestantin« haben Sie als Leiter des Büros der Katholischen Bischofskonferenz in Berlin jetzt die Kanzlerin gewürdigt. Eine »kalte Physikerin« sei Frau Merkel nicht, meinen Sie, sondern »religiös durchaus musikalisch«, auch bete sie »fast täglich«, allerdings »nicht für konkrete politische Inhalte«. Und einen eher weltlichen Vorzug der Kanzlerin haben Sie entdeckt: »Sie macht jeden Fehler nur einmal.« Benedikt XVI. darf also erwarten, daß er in Zukunft von Merkel-Mahnworten verschont bleibt.
Jürgen Reents, Chefredakteur Neues Deutschland. – In der von Ihnen geleiteten »sozialistischen Tageszeitung« werfen Sie der SPD vor: »Auf diejenigen, die wie die Linke seit Jahren verlangen, die Gesellschaft so zu sanieren, daß die soziale Kluft sie nicht irgendwann auseinanderreißt, will sie nicht zugehen.« Ist damit die Aufgabe der erstrebten rosaroten Koalition beschrieben? Was eigentlich könnte dann beispielsweise Frau Schaeffler, wenn sie wieder bei Kasse ist, hindern, für eine solche Koalition zu spenden, wenn sie sich schon nicht entschlösse, Mitglied einer der beiden Parteien zu werden? Und was könnte Sozialisten dann davon abhalten, den schwierigen Versuch zu unternehmen, sich eine Organisation zu schaffen, die entschlossen wäre, den Mächtigen bessere Lebensbedingungen der Massen abzutrotzen, statt sich um Bestand und Stabilität der Gesellschaft (die früher bei Linken auch einen Namen hatte) zu sorgen, die jetzt weltweit Milliarden Menschen – und es werden mehr – hungern läßt?