»Du Forscher im Laboratorium. Wenn sie dir morgen befehlen,
du sollst einen neuen Tod erfinden gegen das alte Leben,
dann gibt es nur eins: Sag NEIN!« (Wolfgang Borchert, 1947)
Vor zwei Jahren wurde durch eine Serie von Anfragen der Bundestagsfraktion Die Linke aufgedeckt, wie weit Hochschulforschung schon mit Militärforschung – sogenannter wehrtechnischer und wehrmedizinischer Forschung – durchsetzt sind. Das gilt hauptsächlich für die Naturwissenschaften, aber auch Sozialwissenschaften werden eingebunden. Allein im Jahr 2008 gab die Bundesregierung dafür 1,1 Milliarden Euro an 27 Hochschulen aus. Einige Beispiele:
Zwischen der Universität Kassel und den beiden großen Kasseler Rüstungsschmieden Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall Defence bestehen engmaschige Forschungskooperationen. Kürzlich erhielt Rheinmetall Defence die Projektführerschaft eines millionenschweren Forschungsauftrags der Europäischen Verteidigungsagentur für unbemannte »kognitive« Kampfmaschinen. Ziel des Auftrags ist, die Verluste unter den eigenen Soldaten zu minimieren und Widerstände gegen den Krieg zu schwächen.
Die Universität Freiburg macht Werbung für die Freiburger Waffenfirma LITEF und läßt sich von ihr sponsern. Die zum US-Konzern Northrop Grumman gehörende Firma rüstet das Aufklärungsflugzeug Tornado ECR mit Drehkreiseln und Infrarotkameras aus. Tornados, daran sei hier erinnert, wurden 2008 gegen die Demonstranten in Heiligendamm eingesetzt.
An der Freien Universität Berlin gibt es den Sonderforschungsbereich 700 mit der Aufgabenstellung: »Wie und unter welchen Bedingungen werden Governance-Leistungen in den Bereichen Herrschaft, Sicherheit und Wohlfahrt in Räumen begrenzter Staatlichkeit erbracht, und welche Probleme entstehen dabei?« Im Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums erstellte dieser Sonderforschungsbereich eine Afghanistan-Studie; denn gerade Afghanistan gilt als »Raum begrenzter Staatlichkeit«, in den imperialistische Mächte glauben eindringen zu dürfen.
An der Universität Karlsruhe konnte gegen den Vertuschungsversuch der Uni-Leitung unter Mithilfe der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) das Militärforschungsprogramm »Cognitive Radio« aufgedeckt werden. Es handelt sich um ein rechnergestütztes Breitbandkommunikationssystem für multinationale Interventionstruppen. Und kürzlich wurde ein Forschungsprojekt für unbemannte »kognitive« Landfahrzeuge gestartet, dessen Projektleiter direkt in andere Militärforschungsinstitute eingebunden sind. Die baden-württembergische Landesregierung behauptet: »Eine militärische Ausrichtung ist nicht gegeben.«
Proteste gegen Rüstungsforschung flackern bisher nur vereinzelt und kurzfristig auf. Die zuständigen Ministerien und Teile der Hochschulverwaltungen tun alles, um den Charakter der Rüstungsforschung und die Verflechtungen mit Rüstungsindustrie und außeruniversitärer Rüstungsforschung zu verharmlosen, zu verdecken oder gar zu leugnen. Große Teile der Studierenden, Gewerkschaften, Kirchen, Friedensgruppen und der globalisierungskritischen Initiativen wissen noch zu wenig über die neue Entwicklung – anders als zu Beginn der 1990er Jahre, als nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation in Erwartung einer Friedensdividende an vielen Hochschulen die Forderung nach Zivilklauseln laut wurde: Verzicht auf Militärforschung, Verpflichtung aller Hochschulforschung auf ausschließlich friedliche Zwecke. An einer Reihe von Universitäten kamen damals entsprechende Senatsbeschlüsse zustande, zum Beispiel an der Technischen Universität Berlin und den Universitäten Bremen, Oldenburg, Dortmund und Konstanz.
In Baden-Württemberg ist in jüngster Zeit etwas in Bewegung geraten. Auslöser war die Zusammenlegung des Forschungszentrums Karlsruhe (wo aufgrund des völkerrechtlichen Kernwaffenforschungsverbots eine Zivilklausel gilt) mit der Universität Karlsruhe (ohne Zivilklausel) zum Karlsruhe Institute of Technology (KIT). Entgegen der vielfachen Forderung nach einer einheitlichen Zivilklausel für das KIT, von den Studierenden der Universität in einer bisher einmaligen Urabstimmung mit deutlicher Mehrheit unterstützt, beschloß der Landtag auf Betreiben der Landesregierung eine geteilte Klausel, obwohl beide Institutionen völlig verschmolzen werden sollen – eine schizophrene Regelung, die keinen Bestand haben kann.
Die schwarz-gelbe Landesregierung lehnt Zivilklauseln für Universitäten generell mit dem Argument einer angeblich grundgesetzlich garantierten Freiheit für Militärforschung ab. Der Verfassungsrechtler Eberhard Denninger kommt hingegen in einem Gutachten zu der Schlußfolgerung, daß eine derartige Selbstbindung der Universitäten nicht nur zulässig sei, sondern an öffentlich-rechtlichen, dem Gemeinwohl verpflichteten Bildungs- und Forschungsstätten auch mit der »Friedensfinalität« des Grundgesetzes (um ein Wort des Verfassungsrechtlers Erhard Denninger zu benutzen) übereinstimme.
Im Dezember hat der Senat der Universität Tübingen auf Forderung der für bessere Bildung streikenden Studierenden die Grundordnung der Universität um folgende Zivilklausel ergänzt: »Lehre, Forschung und Studium an der Universität sollen friedlichen Zwecken dienen, das Zusammenleben der Völker bereichern und im Bewußtsein der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen erfolgen.« Dieser Beschluß hat inzwischen weitere Kreise gezogen. Die Forderung nach Zivilklauseln für alle baden-württembergischen Hochschulen ist Bestandteil eines gemeinsamen Bildungsstreik-Forderungskatalogs geworden. Nützlich wäre jetzt die Bildung von Arbeitskreisen zur Aufdeckung von Rüstungsforschung an allen Hochschulorten. Die beste Antwort auf die absehbare Behinderung der Tübinger Senatsentscheidung durch die baden-württembergische Landesregierung wäre eine bundesweite Solidarisierung an den Hochschulen. Überall sollten Zivilklauseln gefordert werden.
Mehr Informationen gibt die »Initiative gegen Militärforschung an Universitäten« (www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf)