erstellt mit easyCMS
Titel0612

Freispruch im Franco-Prozeß  (Karl-H. Walloch)

Mit sechs zu einer Richterstimme ist Baltasar Garzón am 27. Februar im letzten von drei gegen ihn angestrengten Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof Spaniens in Madrid freigesprochen worden. Dem 56jährigen Untersuchungsrichter wurde Amtsmißbrauch vorgeworfen. Bei seinen Ermittlungen zu den Verbrechen Francos im Spanischen Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 sollte er laut Anklage im Jahr 2008 das Amnestiegesetz von 1977, bekannt als »Transición«, nicht beachtet haben (s. auch Ossietzky 4/12).

Garzón ist der erste Richter, der nach den Schicksalen von über 118.000 Menschen forschte, die verschleppt, ermordet oder in den Kerkern und Lagern der faschistischen Diktatur verschwanden. Mit seinen Ermittlungen kam Garzón der Klage der Hinterbliebenen nach. Noch immer suchen diese nach dem Verbleib ihrer Familienangehörigen, die überall, wo sie ermordet wurden, in Massengräbern, auch an Straßenrändern, verscharrt wurden.

Den Prozeß gegen den über die Landesgrenzen bekannten Juristen hatten zwei rechtsextreme Organisationen aus dem Umfeld der Franquisten angestrengt. Danach soll er wissentlich gegen das Amnestiegesetz verstoßen haben, daß alle zu Francos Zeiten begangenen Verbrechen straffrei läßt. Der Untersuchungsrichter Garzón vertrat die Auffassung, daß es sich bei den Verschleppungen und Ermordungen um Menschrechtsverletzungen handelt, die keiner Verjährung unterliegen.

Der Oberste Gerichtshof urteilte, daß der Angeklagte Garzón zwar einem Irrtum unterlag, als er seiner Argumentation folgte, dabei aber keine Straftat begann. Die Taten aus den Jahren des Bürgerskrieges und der ihr folgenden Diktatur durfte Garzón nicht ermitteln, da es kein Gesetz zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit gab. Somit kann dieses Prinzip auch nicht rückwirkend angewandt werden. Das Gericht erinnerte auch daran, daß das 1977 verabschiedete Amnestiegesetzt, das alle Verbrechen der Franco-Ära straffrei läßt, der Versöhnung diente. In ihrem Urteil betonten die Obersten Richter, daß das Gesetz nicht durch die Justiz, nur durch das Parlament aufgehoben werden kann.

Bereits während des Prozesses erklärte die UN-Menschenrechtskommission das spanische Amnestiegesetz für antidemokratisch und inhuman. Daß diese Gesetz heute noch besteht, sei ein Versagen der sozialistischen Regierung von Jóse Luis Rodríguez Zapatero. Sie hatte die Möglichkeit, das »Transición«-Gesetz aufzuheben. Der Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und seine Volkspartei werden das »Transición«-Gesetz in den nächsten Jahren im Cortes nicht aufheben. Somit bleibt in Spanien weiter das antidemokratische Gesetz von 1977 bestehen, auch das vom obersten Tribunal verkündete Berufsverbot von elf Jahren für Baltasar Garzón.