erstellt mit easyCMS
Titel062013

Bravo, Kriegsminister  (Otto Köhler)

Über einen Abgrund hinweg reiche ich Thomas de Maizière die Hand. Die ehrliche Mißachtung, ja Verachtung des deutschen Soldaten, die ich empfinde, seit es die Nachfolger der Hitler-Wehrmacht gibt – er teilt sie, nach zwei Jahren Erfahrung an der Spitze des Verteidigungsministerium, endlich auch.

Gewiß, neulich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hub er im Interview erst einmal so an: »Durch den Einsatz in Afghanistan ist die öffentliche Zuwendung zu den Soldaten und zur Bundeswehr deutlich größer geworden.« Da hat er insoweit recht, daß wenn dies wirklich so wäre – außer einer Bambi-Verleihung für einen schwerverletzten Soldaten ist das nicht so – man dem schleunigst entgegentreten müßte. Er tut es, und das verdient Lob. Er tadelt die Soldaten, die »geradezu süchtig« sind im »Wunsch nach Wertschätzung«. Richtig, damit nerven die uns alle. Warum sollten wir sie wertschätzen? De Maizière: »Ich sage den Soldaten: Hört einfach auf, dauernd nach Anerkennung zu gieren.«

Doch dieses Verlangen ist unter den Soldaten noch gestiegen, seit es dem Minister gelang (nach wochenlangen Mahnungen an die türkische Adresse – morgen kommt ganz bestimmt eine Anforderung aus Ankara) sie endlich dort zu plazieren.

Die Türken nehmen es sich heraus, Unseresoldatinnenundsoldaten zu behandeln wie einen Gast, der uneingeladen in eine fremde Wohnung eingedrungen ist. De Maizière, der ja die Einladung arrangiert hat, nahm die türkische Tücke nicht wahr, als er die Soldaten vor Ort besichtigte.

Umso schlimmer schimpfte ein anderer. Die sanitären Anlagen vor Ort seien in einem katastrophalen Zustand, klagte der Wehrbeauftragte aus der vornehmen FDP, Hellmut Königshaus. Unzumutbar für deutsche Soldaten – fremder Kulturkreis! Unsinn. Was verteidigen denn diese anspruchsvollen Herrschaften am Hindukusch, jetzt in der Türkei und morgen in Mali? Die verdreckten Toiletten in den heruntergekommenen Schulen unserer Kinder, die längst durch Einrichtungen unseres Kulturkreises ersetzt wären, wenn wir nicht das dazu nötige Geld für unsere Damen und Herren Soldaten ausgeben müßten.

Schrecklich: Ein türkischer General habe deutsche FeldjägerInnen, die sich ihm in seinem Land in den Weg stellten, weggeschubst. Prellungen habe es dabei gegeben! Danke General – für die Revanche. Besucher der Leipziger Buchmesse erinnern sich noch gut, daß dort die Kettenhunde, die Feldjäger der Bundeswehr, Hausherrnrecht ausübten, indem sie Verleger zu Boden schlugen – die Zeiten wenigstens sind vorbei.

Und dann noch die deutsche Flagge – abgehängt! Es ist doch richtig, daß in jedem Land, in dem der deutsche Soldat steht – und keinem Staatswesen dieser Erde soll diese Huld versagt bleiben – auch die schwarzrotgoldene Textilie weht, das ist der deutsche Soldat seiner Selbstachtung schuldig.

Doch das sind die Marotten eines – schöner Name – »Wehrbeauftragten«. Entscheidend ist, daß der deutsche Soldat dank der lukrativen Auslandszulagen alles hat, was er verdient. Noch mehr Wertschätzung, da hat der Minister recht, braucht er nicht. Wir werden die weitere Entwicklung von Thomas de Maizière im Auge behalten. Weiter so! Vielleicht erleben wir noch die Menschwerdung eines Kriegsministers.