Hans-Peter Friedrich, Bundesinnenminister. – Im evangelischen Monatsmagazin chrismon haben Sie Ihr Selbst- und Weltbild skizziert: Schon in Schulzeiten suchten Sie »den Kampf«, mit Ihrem »linkssozialistisch-kommunistischen Umfeld«, mit »ultralinken Marxisten«. Und »nächtelang« wurde dabei »diskutiert, getrunken und geraucht«. Und heute – »wenn die Sozis und die Linken meinetwegen schreien und keifen, dann weiß ich: Du hast es gut gemacht«. Bei alledem können Sie auf eine feste Burg rechnen: »Ich habe ein großes Gottvertrauen. Ich glaube, daß Gott für alles und jeden einen Plan hat.« Göttliche Fügung also hat Ihnen einst die Ultralinken zugeführt, zu Übungszwecken, und nun wissen Sie, wie man Linke, die gar nicht mehr so ultra sind, in Panik versetzt, auch wenn es dabei trockener zugeht. Mit Ultrarechten sind Sie als Schüler offenbar nicht in kämpferische Berührung gekommen, so daß Sie diese jetzt auch nicht zum Schreien und Keifen bringen können. Und so zeigt sich eine Lücke in der außerirdischen Planung, auf die Sie vertrauen.
Joachim Gauck, Staatsoberhaupt. – Eine »große Rede« wurde von Ihnen erwartet, zur »Idee Europa«. Aber zum präsidialrhetorischen »Ruck« reichte es nicht, zu hören waren die üblichen Lobsprüche auf den »gemeinsamen Wertekanon« und der obligatorische Verweis auf »notwendige Anpassungen im wirtschafts- und finanzpolitischen Bereich«, selbstverständlich dürfe man sie nicht als »deutsches Diktat« mißverstehen. Aber ein originelles Argument haben Sie dann doch gebracht, zu der Frage, weshalb keine »gemeinsame europäische Erzählung« verfügbar ist: Es fehle »ein Gründungsmythos nach Art einer Entscheidungsschlacht, in der Europa einem Feind gegenübertreten konnte ...« Ein Versäumnis der Geschichte; da müßte sich doch etwas nachholen lassen, ein Feind wird sich wohl finden lassen.
Reinhard Müller, FAZ-Redakteur. – Bei der Zeitung, der Sie dienen, sind Sie unter anderem verantwortlich für das Ressort »Zeitgeschehen«. Und mitunter geschieht etwas, das Ihnen Freude macht, so die »Annäherung« zwischen Bundeswehr und DGB, von der Sie erhoffen, daß sie »Teil eines gesellschaftlichen Grundkonsenses über Einsätze der deutschen Streitkräfte« werde: »Frieden zu schaffen zur Not mit Waffen«. Und dann merken Sie an: »Damit hat auch die Friedensbewegung ihren Frieden gemacht; sie gibt es eigentlich gar nicht mehr.« Ihre Formulierungskunst läßt erkennen: So kommt ein gelernter Feldjäger auch als Reserveoffizier journalistisch zu seinem Spaß. Etwas irritierend aber das »eigentlich«. Kann ja sein, daß es die Friedensbewegung doch noch gibt, uneigentlich. Und daß sie, wenn der pazifistische Teufel es will, wieder kräftiger wird. Gelegentlich finden sich übrigens auch in der Zeitung, für die Sie arbeiten, Beiträge zum Thema »Friedenswaffen«, die Unbehagen an dem von Ihnen gemeinten »Grundkonsens« wecken könnten. Als Lektüreempfehlung: Im Feuilleton, die Seite von Jenni Roth über einen »Tag auf dem Basar des Todes«, FAZ vom 27.2.13.
Jürgen Trittin, Spitzenkandidat. – Den Entwurf eines Wahlprogramms Ihrer Partei haben Sie den Medien vorgestellt und wurden dabei wieder einmal nach der Möglichkeit einer schwarz-grünen Bundesregierung gefragt. Mit dieser Wißbegier können Sie leichten Mundes umgehen: Laut Umfragen, so Ihre Auskunft, seien 90 Prozent der Grünen-Sympathisanten für eine Koalition mit der SPD, und bei der Variante Schwarz-Grün reduziere sich die Wahlsympathie für Ihre Partei drastisch. War das, wie Pressevertreter es deuteten, Ihre Absage an Schwarz-Grün? Unsinn – Sie haben Parteidemoskopie referiert. Und damit auch erklärt, weshalb Sie vor der Bundestagswahl nicht von einem schwarz-grünen Regierungsbündnis sprechen. Wer im September seine Stimme abgegeben hat, kann sie ja nicht zurückholen. Notfalls kann Ihre Partei, falls eine Koalition mit der CDU/CSU ansteht, rasch eine Mitgliederbefragung arrangieren. Wir sind sicher, daß Sie imstande wären, ein positives Ergebnis herbeizuargumentieren. Über jene Wendefähigkeit, die an der Kanzlerin so bestaunt wird, verfügen Sie allemal.
Klaus Riegert, CDU-MdB, abserviertes Ausschußmitglied. – Nicht einmal Ihrer Großmutter, geschweige Ihren Anhängern im Wahlkreis Göppingen können Sie erzählen, Sie hätten Ihren attraktiven Posten im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung freiwillig geräumt. Auf Ihrem Platz sitzt – mächtig breit und gemäß dem Willen Ihres Fraktionschefs Volker Kauder – nunmehr die Ex-Doktorin und Ex-Ministerin Annette Schavan. So sind ihr weitere Zulagen und, bis zum Ende der Legislaturperiode, noch etliche schöne Fernreisen auf Staatskosten sicher. Sie braucht dringend staatliche Förderung, sowohl für die persönliche Reputation wie auch finanziell. Wie sonst soll sie im Ausland kostengünstig Ersatz für den Ehrendoktor-Titel einwerben, den ihr die Universität Kairo gerade aberkennen will. Und von wo aus sonst den Sprung zurück ins Kabinett wagen, ins Entwicklungshilfe-Ministerium, das sie nach der Bundestagswahl offenbar übernehmen soll.
»Verfassungsschutz«-Behörden. – Länger als 40 Jahre haben Sie Rolf Gössner observiert, und nun müssen Sie erleben, daß der Ossietzky-Mitherausgeber wegen seines Engagements für die Grundrechte – als wahrer Verfassungs-schützer also – mit dem Bremer Kultur- und Friedenspreis geehrt wird, nachdem er schon zum stellvertetenden Mitglied des Bremer Verfassungsgerichts ernannt worden ist. Hört man denn nicht mehr auf Sie? Und Ihre seit langem mit viel Geld und krimineller Energie gesponnenen neonazistischen Netzwerke scheinen auch nicht mehr zu funktionieren. Frustrierend für Sie. Am besten, Sie machen einfach Schluß.
Leitartikler sämtlicher Monopolzeitungen. – Immer wieder haben Sie den Lesern versichert, der Kapitalismus, den Sie Freie Marktwirtschaft nennen, garantiere Pressevielfalt als Grundbedingung der Demokratie. Nun übernimmt der FAZ-Konzern, zu dem schon die Frankfurter Neue Presse gehört, auch die Frankfurter Rundschau. In der Bankenmetropole gibt es keinen konkurrierenden Zeitungsverlag mehr. Müssen nun nur noch in Berlin, Hamburg und München ebensolche Monopole entstehen, bis Sie sich endlich korrigieren? Aber nein, das Problem wird auf andere Weise gelöst: Der Essener Verlagskonzern, dessen Haupterzeugnis die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) ist, das auflagenstärkste deutsche Regionalblatt, hat jetzt die ganze Redaktion der Westfälischen Rundschau in Dortmund aufgelöst. Das Blatt erscheint zwar unter dem alten Titel weiter, aber gefüllt mit Inhalten, die von der bisherigen Konkurrenz übernommen werden. Am Kiosk sieht es also weiterhin wie Pressevielfalt aus. Darauf kommt es an.