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Titel614

Bemerkungen

Panne
Aus der Affäre um Sebastian Edathy haben die deutschen Medien exzessiv ihren Honig gesogen. Nicht wenige Beiträge sagen aber mehr über die Verwirrung im Kopfe der Autoren aus, als daß sie die Vorgänge in Justiz und Politik entwirren würden. Ein Beispiel von vielen:
Eine »Panne bei der SPD« beschrieb in Enthüllungsabsicht Robert Roßmann, Parlamentsredakteur der Süddeutschen Zeitung; da falle »schlechtes Licht auf die Sozialdemokraten«. Was hat die SPD-Führung falsch gemacht? Sie hat es doch tatsächlich nicht zu verhindern gewußt, daß der Abgeordnete Edathy Anfang November 2013 noch als Nachrücker in eine Unterarbeitsgruppe bei den Koalitionsverhandlungen gelangte, durch parteibürokratischen Zufall. Irgendetwas angerichtet hat der Mann dort offenbar nicht, dennoch – wie konnte das geschehen? Zwar gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Ermittlungen gegen Edathy, aber der Bundesinnenminister hatte doch schon dem SPD-Parteivorsitzenden von einem Geraune berichtet, auf strafbare Handlungen allerdings beziehe sich dieses nicht.

Empörend, diese Nachlässigkeit Sigmar Gabriels, nicht sämtliche Funktionäre und Funktionsträger seiner Partei sogleich von dem Gerücht in Kenntnis zu setzen.

Wie lassen sich, dem Gedankengang des SZ-Redakteurs folgend, solche Pannen in Zukunft vermeiden? Die Partei braucht ihre eigene NSA. Und sobald der Verdacht auftaucht, ein Sozialdemokrat könne in den Verdacht geraten, Verdächtiges zu tun – die betreffende Person parteiamtlich zur Unperson erklären! Die Partei sauber machen, Schluß mit dem sentimentalen Gerede von der Notwendigkeit, die Unschuldsvermutung zu beachten und Ermittlungen abzuwarten.

Freilich könnte eine solche Praxis unangenehme Nebenwirkungen haben, wer weiß denn, wie viele GenossInnen aus den vorderen Reihen genommen werden müßten wegen eines möglicherweise auftretenden Anfangsverdachtes; das Strafgesetzbuch hat viele Paragraphen.

P. S.


Worthülse »Gute Arbeit«
Überall tritt sie auf, in den Programmen der Parteien, in kirchlichen Diskursen, sogar in Papieren der Europäischen Union – die »Gute Arbeit«. Als Bezeichnung für das, was Lohnabhängigen zu wünschen sei. Modisch gemacht hat der Deutsche Gewerkschaftsbund den Begriff; in der gewerkschaftlichen Agitation ist er überall präsent, und es gibt sogar eine »DGB-Index Gute Arbeit GmbH«, die Muster liefert, um zu überprüfen, ob denn in einem Unternehmen die Arbeitsverhältnisse als »gut« empfunden werden. Der Vorstand der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie preist dieses Konzept als eine Orientierungshilfe an, die auch dem »Sozialpartner« dienlich sei; »alle profitieren von guter Arbeit«, meint er.

»Gute Arbeit« als Leitbegriff klingt wie ein Verheißung, die bei etwas gutem Willen aller Akteure und Bereitschaft zum Co-Management unschwer einzulösen sei – wer wird denn darauf bestehen, daß es schlecht zugehen soll in der Arbeitswelt?

Allerdings ist der Terminus deutungsbedürftig, möglicherweise versteht der eine »Partner« ihn nicht so wie der andere. Auch liegen, wenn es um die lohnabhängigen Adressaten der Botschaft geht, einige profane Fragen nahe: Muß nicht erst einmal ein Arbeitsplatz da sein, damit es sich dort gut arbeiten läßt? Und wie der Markt so spielt – wer kann denn schlechte Arbeit verschmähen, wenn gute nicht angeboten wird?

Vielleicht ist das so beliebte Leitwort ja weit vorausgreifend, futurologisch gemeint. Dann hätten seine Urheber doch formulieren können: Edel sei die Arbeit, hilfreich und gut. In dieser Version freilich hätte es Probleme gegeben bei der propagandistischen Verwendung, so mancher Malocher wäre stutzig geworden. Von der Malocherin wollen wir hier gar nicht erst sprechen.
M. W.


GroKo im Wortlaut
Im koalitionären Gerüst der Bundesregierung werde es wackelig – meinen Kommentatoren in den Medien, der Fall Edathy ff. habe einen noch gar nicht absehbaren Labilitätseffekt. Aber andererseits: CDU/CSU wie SPD wissen doch um ihre »staatspolitische Verantwortung«, und sie haben ja Großes vor, in ihrem Koalitionsvertrag sind einige gemeinsame Vorhaben recht eindeutig beschrieben, nicht zuletzt die deutsche Militärpolitik betreffend. Allerdings ist dieses Papier umfangreich, so daß vielleicht manche BürgerInnen sich die Lektüre nicht zugemutet haben. Deshalb dokumentieren wir hier einige Passagen, zum Zwecke politischer Bildung:
»Deutschland hat ein elementares Interesse an einer innovativen, leistungs- und wettbewerbsfähigen nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. […] Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben. […] Die Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz. Mit ihrer Neuausrichtung wird sie auf die veränderten sicherheitspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ausgerichtet. […] Die Koalition wird eine europäische Entwicklung für unbemannte Luftfahrzeuge voranbringen. Europa braucht schnell ein gemeinsames Regelwerk für ihre Zulassung und Teilnahme am europäischen Luftverkehr. Die Koalition wird die entsprechenden Initiativen hierzu weiterführen. […] Dies gilt insbesondere für neue Generationen von unbemannten Luftfahrzeugen, die über Aufklärung hinaus auch weitergehende Kampffähigkeiten haben. […] Vom Frühjahr 2014 an wird eine einheitliche militärische Luftfahrtbehörde aufgebaut. […]«

Solche militärischen Anstrengungen brauchen Partner, nicht nur in der EU und jenseits des Atlantiks. In Japan hat sich die Regierung jetzt zu mehr rüstungspolitischen Anstrengungen entschlossen, atomare eingeschlossen; vielleicht läßt sich eine Achse nach dorthin bauen? Dazu enthält der Koalitionsvertrag eine Aussage: »Die Freundschaft mit Japan ist ein wichtiger Eckpfeiler der deutschen Außenpolitik.«

So hat das jetzige Regierungsbündnis doch seine festen Grundlagen. Die Spitzen der beteiligten Parteien werden gewiß genau überlegen, ob sie ihre global gewichtigen Projekte gefährden wollen wegen leichtfertigen Tratschens über ein Posingverfahren. Also – noch hält sie, die Große Koalition, die Deutschland zu mehr militärischer Größe bringen will.
Dietrich Antelmann


Roboter im Schattenkrieg
Nein, hier geht es nicht um Science Fiction: Der Friedensforscher Peter Strutynski hat als Herausgeber des Bandes »Töten per Fernbedienung« 13 Texte von Autoren zusammengestellt, die sich kritisch mit dem Drohnenkrieg und seinen Auswirkungen auseinandersetzen.

Spätestens seit ihrem massiven Einsatz in Afghanistan und dem Norden Pakistans sind unbemannte Kampfdrohnen als militärische Waffe einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Erste Einsätze sind aus dem Jahre 2001 nachgewiesen; wie viele es derzeit sind, ist unbekannt – die beteiligten Staaten verweigern bei Anfragen die Auskunft.

Peter Strutynski charakterisiert in seinem Vorwort zum Buch den von US-Präsident Obama angestrebten Sieg im Antiterrorkrieg mittels dieser neuen Waffe als nicht realisierbar. Tatsächlich habe man mit dieser Waffe nur eine neue Runde im weltweiten Wettrüsten angeschoben – Drohnensysteme gehören mittlerweile bereits zum militärischen Arsenal von etwa 80 Staaten. Ihre Verbreitung unterliegt keiner wirksamen Kontrolle.

Ein Argument der Autoren des Bandes gegen den Einsatz von Drohnen ist der moralische Aspekt: Die Entscheidung über die Tötung oder Nicht-Tötung eines Menschen dürfe nicht in die Hände von Maschinen gelegt werden. Der britische Wissenschaftler Noel Sharkey bringt in seinem lesenswerten Beitrag diese Haltung auf den Punkt. Automatische Roboter oder Künstliche-Intelligenz-Systeme seien nicht in der Lage, »zwischen Kombattanten und Unschuldigen zu unterscheiden«. Es gebe »einfach keine visuellen oder sensorischen Systeme, die diese Leistung erbringen könnten«. Sharkey sieht in dem Einsatz bewaffneter Kampfdrohnen daher einen Verstoß gegen die »fundamentalen ethischen Prinzipien des allgemeinen Kriegsrechts«. Ähnlich argumentiert der Völkerrechtler Norman Paech: Kampfdrohnen würden für gezielte Tötungen programmiert; sie können keine Gefangenen machen. Paech sieht darin einen Verstoß gegen das auch im Völkerrecht geltende Prinzip der Verhältnismäßigkeit.

Einige Autoren konzentrieren sich darauf, die Argumente der Gegenseite zu widerlegen. Der Journalist Knut Mellenthin charakterisiert beispielsweise den Drohnenkrieg der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan und Pakistan als »wahllosen Massenmord«; allein in Pakistan seien durch Kampfdrohnen bisher 168 bis 197 Kinder getötet worden.

Andere Artikel liefern weitere interessante Details: Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Tom Barry schildert beispielsweise das Aufrüstungsprogramm der US-Streitkräfte mit Drohnen als Ergebnis einer langfristig angelegten Kampagne der Rüstungsindustrie, von Militärs und Geheimdienstlern. Der deutsche Friedensaktivist Lühr Henken thematisiert die geplante Aufrüstung der Bundeswehr mit Drohnen als Bestandteil ihrer Umstrukturierung für weltweite Kriegseinsätze.

Ein weiterführender Beitrag stammt von dem Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko (Die Linke) und seinem Mitarbeiter Matthias Monroy: Die Aufrüstung mit Drohnen bleibe keineswegs auf das Militär beschränkt; die Polizei ziehe nach. Aufklärungsdrohnen filmen Demonstranten, werden bei Grenzüberwachung und Flüchtlingsabwehr eingesetzt. Nachgewiesen ist in Deutschland ein Forschungsprogramm, künftig verdächtige Fahrzeuge mittels Drohnen zu stoppen.

Eine Exekution flüchtender Verdächtiger durch Polizei-Drohnen ist derzeit noch nicht geplant. Aber wie bei allen technisch möglichen Szenarien, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, wann auch dies zur Durchführung kommt. Wer dieses Buch gelesen hat, kann hinterher nie mehr behaupten, er hätte davon im Vorfeld nichts gewußt.
Gerd Bedszent

Peter Strutynski (Hg.) »Töten per Fernbedienung. Kampfdrohnen im weltweiten Schattenkrieg«, Promedia Verlag, 222 Seiten, 14,90 €



Tränen und Wut
löste der mit dem Friedensfilmpreis 2014 auf der Berlinale gekürte Dokumentarfilm »We Come as Friends« bei mir aus. Der österreichische Filmemacher Hubert Sauper hat den kolonialkritischen Aspekt aus Sydney Pollacks Kinomelodram »Jenseits von Afrika« (Romanvorlage Tania Blixen) herauskristallisiert und ist mit einem Kleinflugzeug auf Spurensuche heutiger Fremdbestimmung in Afrika gegangen. Missionare, Mitarbeiter von ölfördernden Firmen und Goldminen, einheimische Eliten, UN-Angestellte … – Sauper filmt ihr Tun und Treiben im Sudan. Dazwischen immer wieder Statements von Einwohnern, Einblicke in das traditionelle Dorfleben. Die Lockstoffe der modernen Raubritter reichen vom solarbetriebenen Bibelrecorder, Gottes Segen, bis zu Waffen, Macht und Geld. Zurück bleibt eine Spur der Verwüstung: geraubtes oder geschundenes Land, verdrecktes, todbringendes Wasser, eine in den Staub getretene Kultur, eine deformierte Gesellschaft. Die Zusammenschau aus Saupers sechsjähriger Arbeit bringt weniger neue Fakten als vielmehr einen schonungslosen filmischen Beleg für das, was wir wissen und dulden. Der Streifen »We Come as Friends« werfe mehr Fragen auf, als er Antworten gebe, meinte Ralf Fücks von der Heinrich-Böll-Stiftung in seinem halbherzig anmutenden Grußwort anläßlich der Preisverleihung im vollbesetzten Kino Babylon. Für mich ließ der zu Recht preisgekrönte Beitrag nur eine Frage offen, die aber nicht Gegenstand des filmischen Konzepts war: Was tun?
Katrin Kusche


Zuviel Mißtrauen
Daß Brecht nicht der Staatsdichter der DDR war, wie seine Gegner gern behaupteten, wußte jeder, der nur ein bißchen mit ihm befaßt war. Auch wenn er ein Ensemble und später ein ganzes Theater »spendiert« bekommen hatte, er galt beim inneren Herrschaftskreis als ein Außenseiter, auf den man aufpassen mußte und den man »kleinhalten« wollte. So gab es seit seiner Rückkehr aus dem Exil immer, bis über seinen Tod hinaus, Querelen. Erinnert sei nur an Debatten um »Lukullus«, um Stanislawski, um den »Urfaust«, um die »Kriegsfibel«. Die Einlösung des Versprechens, über ein eigenes Theater verfügen zu können, ließ auf sich warten und die Druckgenehmigungen für Texte, die zeitgleich mit Suhrkamp erscheinen sollten, waren ein Kapitel für sich. Genau nachzulesen ist das alles im neuesten Buch des Brecht-Spezialisten Werner Hecht. Der Autor hat die dazugehörigen Details in Akten, Briefen und anderen Dokumenten gefunden, so daß ein respektabler Band entstanden ist, der den Politikern der DDR kein gutes Zeugnis ausstellt. Zu viel Taktik, zu viel Mißtrauen, zu viel Einmischung.

Hecht bleibt seiner etwas trockenen Chronistenrolle treu, ja manchmal wirkt er gar ein bißchen beleidigt, was man »seinem« Brecht so antat. Anders dagegen das Vergnügen des Lesers an Brechts Reaktionen gegenüber kleineren und größeren Behinderungen. Er hat manchmal gekämpft wie Schweyk und ein andermal wie ein geübter Diplomat, und trotz manchem Ärger hatte er wohl großen Spaß dabei. Eben Brecht.
Christel Berger

Werner Hecht: »Brecht und die DDR. Die Mühen der Ebenen«, Aufbau, 362 Seiten, 29,99 €



Wladiwostok
ist die letzte Station meiner halbjährigen Reise. Wladiwostok ist eine schöne Stadt, vielleicht die schönste und interessanteste neben Moskau, Nowosibirsk, Krasnojarsk und einigen kleineren Städten mit eigenem Charme. Das starke Straßengefälle zwischen den Hügeln würde mich an San Francisco erinnern, wenn ich dort gewesen wäre. Das spezifisch Russische: Die Gefährlichkeit mancher Verkehrswege, die im Unterschied zu der teils übertrieben gesicherten Trasse zwischen Tschita und Chabarowsk ungesichert sind.

Ansonsten merke ich wieder einmal, daß ich meine Reise zur richtigen Zeit gestartet habe: Nicht nur der Abschnitt Tschita – Chabarowsk ist seit dem Besuch Putins leichter befahrbar und ungefährlicher geworden (damit ist nicht der Straßenverlauf gemeint), auch der bauliche Zustand von Wladiwostok, die Verbindung zwischen den zuvor teils nur umständlich zu erreichenden Teilen der Stadt sowie die gesamte Infrastruktur haben sich verbessert. In Vorbereitung des im September 2012 in Wladiwostok stattgefundenen Gipfeltreffens der Pazifikanrainerstaaten wurden drei gigantische Brücken gebaut, die die Entwicklung zu einer modernen Stadt beschleunigten. Die häufig im Jugendstil errichteten Häuser im Stadtkern der gerade mal 150 Jahre alten Stadt wurden saniert, neue Kaufhäuser und andere Geschäfte eröffnet, unterschiedlich gestaltete Hochhäuser auf den Hügeln gebaut. Sogar den von mir so geliebten Latte macchiato bekomme ich hier in vielen netten Cafés.

Wladiwostok besitzt mehrere Strandpromenaden, immer wieder verändert sich die Ansicht, wenn man um eine Ecke biegt. Das liegt vor allem an den Hügeln von bis zu 200 Metern Höhe, auf und an denen die Stadt gebaut ist.

Mit meinen Gastgebern fahre ich auf die Russeninsel, wo eines der größten Universitätsgelände der Pazifikregion (Rußland und Gigantomanie sind Synonyme) entstanden ist. Durch das mit modernem technischen Equipment (Infobildschirme, eigene Bankfiliale für Studenten …) ausgestattete Hauptgebäude gelangen wir in ein weitläufiges Parkgelände, das am Strand endet. Hier erfüllt sich endlich mein Wunsch, im Stillen Ozean zu baden. Es ist dies der Höhepunkt meiner Reise und gleichzeitig ein Abschied.

Schnell noch meine Versprechen einlösen: Das Treffen mit einer Journalistin von Argumente und Fakten findet in einer »Bäckerei«, einem an deutschen Traditionen orientierten Backwarengeschäft, statt. Der Besitzer hat eine interessante Idee aufgegriffen, ohne seine Mitarbeiter darüber zu informieren, daß Donuts keine deutsche Spezialität sind.

Zu einem allerletzten Treffen mit einem Fahrradfreak reicht die Kraft, dann entziehe ich mich vorerst dem Fremdinteresse, will nur noch das Ende meiner Anstrengungen auf einem Vorposten des Paradieses genießen.
Uwe Meißner


Kurzer Jubel
Für einen Tag stand der deutsche Außenminister glänzend da. Ein erster Erfolg der »Übernahme weltpolitischer Verantwortung« wurde gefeiert, Frank-Walter Steinmeier habe mit Hilfe seiner Kollegen aus Frankreich und Polen die ukrainischen »Konfliktparteien« zu einem Vertrag gebracht, der Recht und Ordnung beim Übergang in die »Zivilgesellschaft« sichere. Der Vertrag war nicht das Papier wert, auf dem er stand, aber dem »rechten Sektor« verschaffte er taktische Vorteile. Vitali Klitschko – Favorit der deutschen Kanzlerin – gilt nur der Konrad-Adenauer-Stiftung als künftiger Regierungschef, inzwischen verzichtet selbst die Tchibo-Kette auf ihn als Werbefigur. Steinmeier, froh wieder heil in Berlin gelandet zu sein, klagte über die Aggressivität in Kiew. Die Frankfurter Allgemeine, sonst eher schweigsam, wenn es um ukrainische Faschisten geht, brachte einen recht informativen Beitrag über »Die Extremisten vom Majdan«, offenbar ahnt sie Böses; nicht immer geht die Geschichte vom Zauberlehrling gut aus für den Zaubermeister.
P. S.


Kritisches im Netz
Ossietzky erscheint nicht jeden Tag. Täglich sind unbequeme Informationen und kritische Kommentare zu Politik und Gesellschaft zu finden in zwei Internetmagazinen: www.heise.de/telepolis und www.nachdenkseiten.de. Das Internet hat Freiräume, trotz aller Zugriffe der Medienkonzerne.
Red.


Zuschrift an die Lokalpresse

So‘n Handy ist ein unentbehrlicher Helfer in allen Lebenslagen. Wie unsere Altvorderen ohne Handy klargekommen sind, ist für mich das achte Welträtsel. Simsen, Kalkulieren, Chatten, Fotografieren, Mailen, Navigieren, Verspätungen abfragen, die Alarmanlage einschalten, einen Date absprechen und was es da sonst noch alles gibt. Es gibt in der U-Bahn kaum noch einen, der dich nicht an seinen Schicksalsschlägen teilnehmen läßt. Mit einer freien Hand – die andere braucht er für seine schäumende Bierflasche – flötet er seiner Handy-Partnerin zu: »Du, eh, ick habe jrade Mohrenstraße ee‘m Wichsa wat auft Maul jehau‘n, der hat mir schief anjehimmelt, jetzt bin ick aba schon Stadtmitte!« Ob es sich um Liebesbeteuerungen handelt (»Mann, Schaggeline, wen denn sonst?«), ob es um den Chef geht, den Krausemeier (»wofür der seine Knete kriecht, möcht` ick mal wissen ...«), ob es darum geht, daß Tante Klara schon wieder zu Besuch kommt (»die sollte ihre off‘nen Beene mal lieber zu Hause wickeln«), ob Sissy und Maik schon wieder aus‘nander sind (»det konnte ja ooch nischt werd‘n, wo die jede Hose aufreißt, die um de Ecke flattert«), – alle lassen dich an ihren und den Befindlichkeiten der restlichen Menschheit teilhaben. Das Überflüssigste, was das Handy zu bieten hat, ist inzwischen das Telefonieren. Als älterer Bundesbürger, der seinem Sozialstaat schon längere Zeit durch Rentenbezug zur Last fällt, wünsche ich mir ein Handy ohne den ganzen Schnickschnack, aber eens mit großen Zahlen, mit dem ich telefonier‘n und mich trocken rasier‘n kann. Das wäre eine echte Hilfe für mich und andere Senioren! – Guido Stoppelmeier (81), Rentner, 08209 Schnarrtanne
Wolfgang Helfrtisch