»Du arbeitest mit Kriminellen zusammen!« Das bekomme sie zu hören, wenn sie die Proteste gegen die Atomwaffen in Büchel unterstützt, berichtete eine Aktivistin neulich auf einem Treffen zur Planung weiterer Proteste. Einer der »Kriminellen«, von denen da die Rede war, bin ich: Das Amtsgericht Cochem hat mich wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung zu 40 Tagessätzen verurteilt, weil ich zusammen mit vier Freundinnen und Freunden der US-Ploughshare-Gruppe in das Gelände des Fliegerhorsts Büchel eingedrungen bin. Nur wenige Wochen früher sind jüngere und ältere Aktive vom selben Richter wegen ähnlicher Delikte verurteilt worden.
In einer solchen Situation ist es wichtig, nicht zurückzuweichen und sich verunsichern zu lassen, sondern sich Argumentationsstrategien zu überlegen, die derartige Vorwürfe entkräften oder zumindest relativieren. Etwa den Satz von Henry David Thoreau zu bedenken geben: »Man sollte nicht den Respekt vor dem Gesetz pflegen, sondern vor der Gerechtigkeit.«
Beim Planungstreffen waren mehrere Kirchenvertreter anwesend, zum Beispiel von Pax Christi und von der rheinischen Landeskirche. Und es ging wiederholt um den Besuch des Trierer Bischofs am Fliegerhorst, darum, dass man ihn wieder einladen will, und um andere christlich gefärbte Veranstaltungen, die für 2018 geplant sind. Das ist alles schön und gut, aber es liegt die Gefahr darin, mit ihnen die Religion zu missbrauchen. Werden alle diese religiösen Veranstaltungen nicht deshalb so besonders gerne gesehen, weil sie dem Image des Widerstands einen respektablen Anstrich geben? Dabei: Jesus ist als verurteilter Krimineller am Kreuz gestorben. Schon Jesus war also kriminell – wie sollte ich mich schämen, es zu sein?
Die Zuschreibungen, die der Staat in unsere Köpfe gesteckt hat, sie wirken. Kriminell: Das ist dasselbe wie gewalttätig. Kriminell, das sind immer die da unten, nicht die Banker, nicht die Waffenhändler. Die Schande, die die Kriminalisierung darstellt: Es gilt, ihr ohne Furcht ins Auge zu sehen. Dann verschwindet sie.
Ins Gefängnis zu gehen, sei ein ausgesprochen individueller Akt, das war ein weiterer Gedanke, der irgendwann geäußert wurde. Aus meiner Sicht schwingt bei dieser Individualisierung jedoch mit: Das können nur wenige machen. Oder gar: Wer das tut, trennt sich von der Gemeinschaft.
Gandhi ermutigte seine Anhänger, massenhaft ins Gefängnis zu gehen. Er hatte dabei immer wieder Kampagnen im Auge, bei denen er es als möglich ansah, durch solche massenhafte Verhaftungen die Unterdrückungsmaschinerie zum Knirschen zu bringen. Selbstverständlich muss jeder oder jede, die sich dazu bereit erklärt, bestimmte Bedingungen erfüllen, die in unserem Land fast nur junge oder aber ältere Menschen erfüllen können: Dazu gehört neben einer gewissen geistigen Stärke und Belastbarkeit die Freiheit von sozialen Verpflichtungen, wie sie etwa auch unsere US-amerikanischen Freunde mitbringen: Der jüngste meiner Mitkriminellen war 53 Jahre alt, die anderen alle über 60, einige von ihnen sind Mitglieder in einem religiösen Orden und von daher sowieso von sozialen Bindungen frei.
Es ist völlig klar: Wenn ich nicht die Unterstützung Gleichgesinnter spürte, wäre ein solcher Akt viel schwerer oder könnte mich überfordern. Dass ich in der Lage bin, diesen Weg einzuschlagen, verdanke ich dem Vorbild und der Unterstützung anderer, die mich dazu ermutigt haben. Mit dieser Unterstützung ist der Akt aber nicht mehr individuell. Ebenso wie die vielen, die in der Türkei gerade eingesperrt werden, nicht als Individuen im Knast sitzen, sondern als Kollektiv – das Kollektiv derjenigen, die innerlich frei sind und frei denken. Den Staat und seine Richter mit der Schande der Atomwaffen zu konfrontieren, ist genauso ehrenwert.
Ein Grund, weshalb ich das Treffen in Köln besucht habe, war die Frage nach einem Solidaritätskonto. Nicht nur für mich, sondern auch für die übrigen, die das Gesetz gebrochen haben, um auf den Skandal der Atomwaffen aufmerksam zu machen. Wer gut findet, was wir getan haben, es aber selbst nicht tun kann und uns auf irgendeine Weise unterstützen möchte, soll die Gelegenheit dazu bekommen. Eine Möglichkeit dazu besteht über das Portal https://www.spendenportal.de/geldspenden/projekt/12438, das ist die Seite des Komitees für Grundrechte und Demokratie. Stichwort: Büchel.