Hans-Georg Maaßen, der Ex-Präsident des Verfassungsschutzes, macht wieder von sich reden. Rotzfrech erklärte er am 12. März in der FAZ zu der bewiesenen, aber von ihm bestrittenen Hetzjagd einer Gruppe Rechtsradikaler auf Antifaschisten und Ausländer im August 2018 in Chemnitz: »Eigentlich war ich derjenige, gegen den eine Hetzjagd stattgefunden hat.«
Wie ist dieser bedauernswerte Verfolgte und AfD-Versteher, der jetzt Mitglied eines rechtslastigen Werte-Zirkels der CDU ist, im August 2012 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) geworden? Und wer hat Dieter Romann, Maaßens offenbaren Bruder im Geiste, zum Chef der Bundespolizei und damit zum Leiter der 40.000 Mann zählenden Polizeitruppe ernannt, die immer wieder durch Gewalt gegen Demonstranten von sich reden macht? Beide waren zuvor hohe Beamte im Innenministerium unter Minister Hans-Peter Friedrich (CSU). Wer war damals der Strippenzieher der Nacht- und Nebel-Aktion? Gab es da vielleicht so etwas wie ein rechtes Netzwerk?
Heute muss man diese Frage wohl bejahen. Denn der große Förderer der beiden Rechts-Polizisten war offenbar der damalige Staatssekretär im Innenministerium, Klaus-Dieter Fritsche (CSU). Der Tagesspiegel beschrieb am 15. März 2018 den Vorgang so: »Im August 2012 platzierte Fritsche an der Spitze von Bundespolizei und Bundesamt für Verfassungsschutz zwei Männer aus dem Innenministerium. Referatsleiter Dieter Romann übernahm die Bundespolizei, Ministerialdirigent Hans-Georg Maaßen das BfV. So stärkte Fritsche die Bindung beider Behörden an das Innenministerium, dem sie zugeordnet sind. Die Vorgänger von Romann und Maaßen waren nicht aus dem Ministerium gekommen.«
Fritsche entpuppte sich nach seiner Pensionierung 2018 als grenzüberschreitender rechter Gesinnungsgenosse. Nach fünf Jahren als oberster Koordinator aller deutschen Geheimdienste in der ersten GroKo unter Merkel von 2005 bis 2009, als Staatssekretär im Innenministerium und dann als aufgewerteter Staatssekretär des Bundeskanzleramts von 2014 bis 2018 und voll Verantwortlicher ebenfalls für alle Geheimdienste landete er jetzt ausgerechnet in Wien.
Nun kann ein frisch gebackener Regierungs-Pensionär sicher fast überall hingehen, wo er es schön findet. Doch der deutsche Ober-Geheimdienstler Fritsche flog quasi direkt aus dem Bundeskanzleramt – mit einer kleinen Schamfrist – als Berater ins österreichische Innenministerium, das von der rechtsradikalen FPÖ geführt wird. Und nicht etwa klammheimlich und gegen den Willen der Bundeskanzlerin und ihrer Regierung, sondern mit deren ausdrücklicher Genehmigung. Und was soll er dort machen? Na, den Verfassungsschutz nach deutschen Erfahrungen umgestalten!
Und Erfahrungen kann der Rechts-Rentner genügend einbringen. »Mehr als 20 Jahre gehörte er zu den führenden Geheimdienstlern der Bundesrepublik«, berichtete das ARD-Magazin »Panorama« am 7. März. Schon von 1996 bis 2005 war er Vizepräsident des Verfassungsschutzes. In dieser Zeit begann auch die Terrororganisation NSU mit ihrer 10-fachen Mordserie. Fritsche erlangte im folgenden Jahrzehnt immer größeren Einfluss in den Geheimdiensten, während das »staatlich betreute Morden«, wie es die Vorsitzende des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses Dorothea Marx (SPD) nannte, gleichzeitig immer verheerendere Ausmaße annahm.
Zu den Erfahrungen, die Fritsche vermutlich sammeln konnte, gehören auch Einsatz und Umgang mit den vielen Dutzend V-Leuten der deutschen Geheimdienste unter den Neonazis, die die Mitglieder der NSU umschwirrten und sie mit Hunderttausenden Euro päppelten, die sie so überaus großzügig vom Verfassungsschutz erhalten hatten. Mögliche Erkenntnisse beim Schreddern von NSU-Akten, ehe sie in die Hände verschiedener NSU-Untersuchungsausschüsse gefallen wären, könnte Fritsche ebenfalls an den Österreichischen Geheimdienst weitergeben. Profitieren könnte das FPÖ-Ministerium auch von den Erfahrungen Fritsches mit NSU-Untersuchungsausschüssen des Bundestages, vor die er geladen war, aber die Aufklärung eher behinderte.
Und dann ist da noch ein anderes, ziemlich aktuelles Problem. Die Wiener Zeitung Der Standard berichtet am 15. März, dass der rechtsradikale Terrorist von Christchurch in Neuseeland, der mindestens 50 Menschen ermordete, sich angeblich auch auf ein rechtsradikales Netzwerk in der deutschen Bundeswehr berufen habe. Die Überschrift des Artikels lautet: »Christchurch-Attentäter bezog sich auf rechte Soldaten in Bundeswehr – deren Netzwerk führt nach Österreich.«
Österreichische Politiker und Vertreter von Bürgerrechtsorganisationen, so berichtet die Zeitung, würden jetzt gerne Auskunft haben über die Verbindungen dieses rechtsradikalen Netzwerkes in und außerhalb der Bundeswehr in die Alpenrepublik. Sie wandten sich mit ihrer Forderung an den österreichischen Innenminister. Der müsste jetzt nur ein paar Zimmer weiter gehen, um von seinem neuen Mitarbeiter und Ex-Staatssekretär im Bundeskanzleramt Klaus-Dieter Fritsche aus erster Hand zu erfahren, was der Koordinator aller Geheimdienste – und dazu gehört auch der militärische Abschirmdienst MAD – darüber weiß.
Alles in allem: Der Alters-Vollzeitjob des bisherigen obersten deutschen Geheimdienstlers beim rechtradikalen FPÖ-Innenminister könnte die österreichische Demokratie weiter beeinträchtigen. Und um seinen Einsatz noch zu toppen: Vielleicht holt er sich ja seinen Schützling Hans-Georg Maaßen zur Verstärkung!
Ein Wort noch zur Überschrift: Ich habe sie bei »Panorama« entliehen und nur das Fragezeichen hinzugefügt. Die Kollegen wollten damit wohl andeuten, dass Klaus-Dieter Fritsche bei seinem jetzigen Ost-Einsatz von seinem bisherigen Kurs rechts abgebogen sei. Muss es nicht heißen: Der CSU-Mann ist schon immer stramm rechts gefahren?