Er winkte lächelnd ab, wann immer ich davon sprach – »eine Selbstverständlichkeit«, sagte er dann. Für mich war es alles andere als das, war unerwartet, nicht zu erhoffen gewesen. Keiner aus der Reporterschar, die sich damals in San José zum Prozess gegen Angela Davis eingefunden hatte, wäre willens gewesen, ein solches Insiderwissen zu teilen – dass nämlich die Geschworenen Richter Arnason gebeten hätten, schon am Sonntagmorgen auftreten zu dürfen, und nicht erst am Montag.
Ich sah Host Schäfer an. Im Gerichtsgebäude herrschte Stille. Die meisten Presseleute waren längst über alle Berge, verstreut ins Wochenende. Freitagnachmittag war´s, die Gerichtsverhandlung war bis Montag vertagt. Wie die anderen hatte auch ich geglaubt, dass frühestens am Montag das Urteil zu erfahren sein könnte. Horst aber schüttelte den Kopf. Aus den Unterstützerkreisen um Angela Davis wisse er, dass Richter Arnason den Geschworenen entgegenkommen würde – nach all den Wochen Klausur wollten die endlich nach Hause. »Also sei schon am Sonntag hier, nicht am Montag. Besser ist besser!«
Es überzeugte mich nur bedíngt – wie all die anderen hatte ich erst nach dem Wochenende wiederkommen wollen, hatte die Zeit für San Francisco eingeplant, und dabei war ich dann auch geblieben. Bei Morgengrauen am Sonntag aber kamen mir Bedenken. Horst wird gewusst haben, was er sagte: »Verlass dich nicht auf Montag!« Kurzentschlossen hatte ich mich aufgerafft, hatte mein Hotel in Chinatown verlassen und war die zwei Stunden zurück nach San Josè gefahren.
Und war keinen Augenblick zu früh dort eingetroffen – die Verhandlung hatte begonnen, die Geschworenen waren schon im Gerichtssaal. Atemlose Stille herrschte: Schuld oder Unschuld. Freiheit oder Todesstrafe.
»Wir, die Geschworenen, erklären die Angeklagte für nicht schuldig!« Mir war, als hörte ich nur die Worte »nicht schuldig« und wie Angela Davis nach Atem rang und Franklin Alexander aufschrie und sein Schluchzen die Stille des Gerichtssaals durchbrach. Vor mir, links von Angela, sah ich Margaret Burnham die Hände vors Gesicht schlagen … Und dass die Kunde von all dem, von mir aufgeschrieben, in jenen Tagen um die Welt ging, ist auch Horst Schäfer zu verdanken.
Geboren wurde Horst Schäfer 1930 in Detmold/Lippe. Er studierte Journalistik und arbeitete seit 1955 als Journalist und Fotoreporter, viele Jahre als Korrespondent für Medien der DDR. Er war Sonderberichterstatter beim Prozess gegen Angela Davis in Kalifornien. Aus den USA berichtete er mehr als zehn Jahre lang unter anderem für den Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst (ADN), für Rundfunk und Fernsehen der DDR. Seine Stationen waren München, Berlin, Washington, New York und Bonn. 1991 kehrte Horst Schäfer von Bonn nach Berlin zurück und arbeitete weiterhin als Journalist, unter anderem auch für Ossietzky. Horst Schäfer starb am 8. März. Die Trauerfeier findet am 5. April um 14 Uhr im Münzenbergsaal, Franz-Mehring-Platz 1, in Berlin statt.