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Deutschland braucht mehr Suppenküchen  (Werner René Schwab)

Ende letzten Jahres gab es in unserem reichen Deutschland sieben Millionen Hartz-IV-Empfänger. Das Arbeitslosengeld II beträgt pro Monat für den Haushaltsvorstand 347 Euro, je 278 für jeden weiteren Erwachsenen und 208 Euro für ein Kind. Miete wird bis zu einem Quadratmeterpreis von 6,46 Euro für Einzimmer- und 5,78 für Zweizimmer-Wohnungen übernommen. Als angemessen gelten 45 Quadratmeter für die erste Person und 15 für jede weitere. Menschen über 65 Jahre haben seit 2005 einen Anspruch auf Grundsicherung: monatlich 347 Euro plus »angemessene« Beihilfe für Heizung und Unterkunft; davon abgezogen werden aber sonstige Einnahmen, auch die Renten.
So suchen immer mehr Menschen die Suppenküchen auf, die Tafeln und die Tafelläden, in denen Minderbemittelte, Hartz IV- und Sozialhilfeempfänger, Alleinerziehende, Rentnerinnen und Rentner gegen einen amtlichen Ausweis, der ihre Armut betätigt, billig Waren kaufen können, zum Beispiel Gebäck und Gemüse von gestern und vorgestern, abgelegte Kleidungsstücke, ältere Spielsachen; Ellen Diederich hat darüber in Ossietzky 23/07 anschaulich berichtet. Und vor diesen Läden sieht man ein Bild, von dem man glaubte, es gehöre der Vergangenheit an oder man finde es nur noch in Slums der sogenannten Entwicklungsländer: Männer und Frauen, die offenbar keine Arbeit haben, junge Mütter mit Kindern auf den Armen, alte Menschen stehen hier Schlange und warten auf Einlaß.

Arm ist nach Ansicht der Bundesregierung jeder, dessen Netto-Einkommen geringer als 938 Euro im Monat ist. Das mittlere Einkommen in der BRD liegt zur Zeit bei rund 1570 Euro. Laut Statistisches Bundesamt waren 2005 rund 13 Prozent der Deutschen »armutsgefährdet«. Schon heute leben nach den Erhebungen des Sozialverbandes VdK 2,5 Millionen Kinder in Armut, die dadurch permanent verletzt werden – vielfach für ihr ganzes Leben. Der Anteil von Studierenden aus armen Familien ist innerhalb von sieben Jahren von 23 auf heute 13 Prozent gesunken – schon vor der Einführung von Studiengebühren. Nicht nur das Recht auf Bildung, auch das Recht auf Gesundheit wird verletzt. Bei 28 Prozent der armen Kinder wurde 2005 ein schlechter allgemeiner Gesundheitszustand konstatiert, bei nicht armen war es ein Prozent. Noch viel mehr erschreckende Beispiele führt der Deutsche Kinderschutzbund auf.

Und die Armut bei Jungen und Alten wächst weiter, während seit längerem die Wirtschaft boomt, die Großaktionäre immer höhere Profite einstreichen, die Brutto-Einkommen der Unternehmer 2006 um 25 Prozent stiegen, dagegen nach den Berechnungen der kapitalfreundlichen OECD die Reallöhne in den letzten drei Jahren durchschnittlich um 3,5 Prozent sanken. Schlimmer noch: Die Sozialhilfen werden weiter beschnitten. Sie sind seit dem Jahr 2000 um sechs Prozent verringert worden. Vermutlich braucht man das Geld für das Militär, das Deutschland am Hindukusch, am Horn von Afrika und im Kosovo verteidigt.

Der Anblick von Suppenküchen und Schlangen vor »Tafelläden« ist für viele Besserverdienende, voran Mitglieder sogenannter staatstragender Parteien, unangenehm und widerlegt augenscheinlich ihre Parole vom »Aufschwung für alle«. Man findet sie deshalb (und natürlich auch wegen der hohen Mieten) zumeist in den Nebengassen der Städte. Doch es gibt bereits Stimmen – nicht nur von der FDP, sondern auch von den Grünen, zum Beispiel in der badischen Kreisstadt Emmendingen – die meinen, am Stadtrand seien sie besser untergebracht. Dort fielen sie noch weniger auf, und die Bezugsberechtigten hätten ja mangels Arbeit Zeit genug zu einem »erholsamen« Spaziergang dorthin. Es ist zu befürchten, daß wir solche ungeniert inhumanen Äußerungen in Zukunft häufiger zu hören bekommen werden – solange sich Barbarei statt Sozialismus ausbreitet.