Chuzpe war bisher die Bitte des vor Gericht stehenden jugendlichen Elternmörders um mildernde Umstände, weil er Vollwaise sei.
Inzwischen ist der junge Mann von einem veritablen Außenminister abgelöst worden. Frank-Walter Steinmeier, der vor wenigen Wochen das Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt und damit die UNO-Sicherheitsratsresolution 1244 gebrochen hat, die eine einseitige Trennung der Provinz von Serbien verbietet, ruft Serbien dazu auf, sich an die Resolution 1244 zu halten:
»Die Gewaltakte serbischer Demonstranten gegen Kräfte der UNMIK-Polizei und der internationalen Schutztruppe KFOR in Nord-Mitrovica sind inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen. Ich verurteile sie auf das Schärfste. Die hierfür Verantwortlichen müssen ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden. Die VN-Resolution 1244 und damit die Zuständigkeit von UNMIK auch für den Norden des Kosovo müssen ohne Abstriche und von allen Seiten respektiert werden. Die internationale Gemeinschaft wird allen Versuchen, dies in Frage zu stellen, entschlossen entgegentreten. Ich unterstütze daher nachdrücklich die von UNMIK und KFOR eingeleiteten Schritte, um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Die Rechnung serbischer Nationalisten darf nicht aufgehen!«
Bemerkenswert: Die in Mitrovica festgenommenen Serben wurden ins Gefängnis nach Pristina verbracht, die Hauptstadt des Kosovo, aus der in den vergangenen Jahren 140.000 Serben vertrieben wurden. Eine UNMIK-Meisterleistung, die jedoch nicht verwundert, wenn man weiß, wer der Chef dieser Behörde ist: Joachim Rücker, Angehöriger des Auswärtigen Dienstes der Bundesrepublik Deutschland, ehemals Oberbürgermeister von Sindelfingen.
Dieser offenkundig unfähige Provinzpolitiker, der mit dem in Den Haag wegen Kriegsverbrechen vor Gericht stehenden ehemaligen Ministerpräsidenten und – immer noch – Mafia-Boss Ramush Haradinaj ein herzliches Verhältnis zur Schau stellte und ihn persönlich mit den besten Wünschen aus dem Kosovo verabschiedete, war etwas unsicher geworden, wer denn nun sein Dienstherr sei. Er entschied sich vor wenigen Tagen für den deutschen Außenminister anstatt für den UNO-Generalsekretär – und hatte mit Zitronen gehandelt. Rücker wollte nämlich dem serbischen Minister für das Kosovo, Slobodan Samardic, die Einreise nach Mitrovica zu den Kosovo-Serben verbieten. Schließlich, so dachte er wohl, darf ich mir die weitere Karriere nicht verbauen, nachdem mein Außenminister Stein und Bein behauptet, daß das Kosovo völkerrechtlich nicht mehr Teil Serbiens sei. Vielleicht kam ihm auch der Vorname des Ministers nicht geheuer vor. Daraufhin setzte es aus New York eine schallende Ohrfeige: Die UNO-Vorgesetzten erklärten, daß die Resolution 1244 das Kosovo als Teil Jugoslawiens bezeichne, dessen Rechtsnachfolger Serbien sei, und darum solle er mal ganz schnell seine Entscheidung zurücknehmen. Und so geschah es.
Die Anweisung der UNO entlarvt die »Rechtsauffassung« der Bundesregierung, Kosovo sei seit seiner einseitigen Erklärung vor einem Monat ein unabhängiger Staat, als feiges Wegducken vor befürchteten amerikanischen Prügeln.
Wenn sich Steinmeier nun an seine eigene Aufforderung hielte, die VN-Resolution 1244 müsse »ohne Abstriche und von allen Seiten respektiert werden«, und wenn er dies in der nächsten Kabinettssitzung der Bundesregierung durchsetzte, müßten die KFOR-Soldaten der Bundeswehr nicht länger im rechtsfreien Raum agieren. Andernfalls laufen sie auch weiterhin Gefahr, sich vor einem nationalen oder internationalen Gericht verantworten zu müssen.