So einfach ist das: Wer von der friedlich untergegangenen Deutschen Demokratischen Republik heute noch Erinnernswertes zu berichten hat, setzt sich dem Vorwurf aus, Vergangenheit zu glorifizieren. Oder – noch schlimmer – absichtsvoll Geschichte zu klittern. Nichts Gutes über die DDR war und ist noch immer die Devise der Vereinigung. Sie salviert einseitig den westdeutschen Staat und mißachtet das Leben der Bürger des ostdeutschen Staates, die allein die Last der Teilung zu tragen hatten.
»Was verboten ist, das macht uns gerade scharf«. sang der Ost-West-Pendler Wolf Biermann in seiner widerspenstigen, lustvollen Zeit. Diese Liedzeile mag den beiden ehemaligen DDR-Bürgern in den Sinn gekommen sein, die sich vor über sieben Jahren der Geschichte der einstigen Kultur- und Klubhäuser der DDR zuwendeten. Ihre Kinder- und Jugendzeit war von den vielseitigen Angeboten und Tätigkeiten im Klubhaus der Bunawerke Schkopau geprägt gewesen. Helga Storck, die Schauspielerin, die 1961 in den Westen ging, hat hier entscheidende Impulse für ihren Beruf empfangen. Sie sagt: »Buna war der Anfang. Das war meine erste Bühne. Seitdem bin ich nicht wieder heruntergekommen. Es war meine Schule.« Der Theater- und Filmmann Peter Goedel, der sich ebenfalls 1961 aus der DDR absetzte, war über seinen Vater, einen Musiker, Kapellmeister und Dozenten, eng mit dem Klubhaus verbunden. Über das System der mehr als tausend Klub- und Kultur-Häuser sagt er heute: »In ihren Räumen, Gängen und Sälen spiegelte sich eine bewegende Epoche der Nachkriegszeit in der damaligen sowjetisch besetzten Zone und späteren DDR, die heute zwar untergegangen ist, deren zum Teil visionäre Ansätze aber nicht vergessen werden sollten.«
Doch wie kann das geschehen, da Politiker, Medien und Öffentlichkeit so wenig an der Erforschung dieser Vergangenheit interessiert sind? Da noch viel Kalter Krieg in unseren Köpfen steckt, wie der Umgang mit der Linken zeigt? Und da der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) bisher alle Vorschläge der beiden Filmemacher mit unterschiedlichen, teilweise widersprüchlichen Argumenten abgelehnt hat? Dabei wäre gerade dieser Sender nach Auftrag und Zuständigkeit verpflichtet, sich des sperrigen und politisch brisanten Themas anzunehmen. Nicht nur weil es sozusagen vor der eigenen Haustür liegt, sondern vor allem weil es hier um unterdrückte Vergangenheit geht, die Rechtfertigung und Erkenntnis bietet, jenseits des üblichen Schlagabtausches auf der politischen Bühne und in den Medien.
Schon in dem ersten Ablehnungsbrief vom 20. Juli 2001 an Peter G. zeigt sich die ideologische Barriere. Oberlehrerhaft schreibt Programmchefin Claudia Schreiner: »Ein eigenwilliger, analytischer und ausreichend geschichtsbewußter Zugang an das Thema ist nicht zu erkennen. Im Vergleich zu anderen Dokumentarfilmen, die aus unserem Programmbereich kommen, ist der vorliegende Projektvorschlag unzureichend kritisch bis nostalgisch.« Jede dieser verlangten Eigenschaften ist auslegbar und kann als unüberwindbarer Hemmschuh mißbraucht werden. Was heißt denn schon »geschichtsbewußt« und woran macht man »unzureichende Kritik« fest? Mit der Pressefreiheit, zu der das Recht auf Ablehnung eines umstrittenen Themas gehören kann, hat dieses Finassieren nichts zu tun, sondern mit Meinungsführerschaft, die beim MDR wie bei anderen Rundfunkanstalten von oben nach unten geht. Programmchefin Schreiner ist eben auf die mausetote DDR nicht gut zu sprechen.
Doch es muß ja nicht unbedingt der MDR sein – bei dessen Aufbau der Bayerische Rundfunk Pate stand –, auch andere Sender könnten das Buna-Filmprojekt verwirklichen. Die beiden Initiatoren haben deswegen in all den Jahren auf eigene Kosten Material gesammelt, stundenlange Interviews mit dem kleiner werdenden Häuflein von Zeitzeugen gedreht und eine Arbeitskopie hergestellt, mit der sie mehrfach in der Öffentlichkeit aufgetreten sind. An Zustimmung und Zuspruch auch von Kollegen hat es nie gefehlt. Doch seltsam: Sobald es um Fertigstellung und Ausstrahlung des Filmes geht, mangelt es den Anstalten an allem. Dann ist kein Geld vorhanden oder es fehlt gerade an dem geeigneten Programmplatz. Am ehrlichsten ist noch immer das Geständnis: »Ich habe wenig Einfluß« oder »Das ist kein Thema für mich.«
Es gibt viele Arten, der Erinnerung aus dem Wege zu gehen.