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Titel072013

Sozialabbau 2013, Folge 2  (Franziska Walt und Tilo Gräser)

1. Februar: Die Ostfriesen-Zeitung online berichtet beispielhaft von Jannette A. Sie lebt seit geraumer Zeit mit ihrer 19jährigen Tochter in einer 60 Quadratmeter kleinen Wohnung in Aurich. Nach etlichen Mieterhöhungen muß die Frau nun für ihre Wohnung 330 Euro bezahlen. Nach den Vorgaben des Jobcenters dürfte die Bleibe nur 292,25 Euro kosten. Vom »Hartz IV«-Geld kann Frau A. die Differenz nicht begleichen. »Ich müßte in eine andere, billigere Wohnung umziehen«, zitiert das Blatt die Frau. »Es ist aber nahezu unmöglich, eine Wohnung zu finden, die in den vorgeschriebenen finanziellen Rahmen paßt.«

2. Februar: Jugendarmut sei im Landkreis Vogelsberg (Zentralhessen) »keine gesellschaftliche Randerscheinung mehr«, zitiert der Kreis-Anzeiger online den DGB-Kreisvorsitzenden Bernhard Bender. 2012 waren im Vogelsbergkreis 630 Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren auf »Hartz IV« angewiesen. Sie seien laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) »direkt von Armut betroffen«. 57 Prozent der hilfebedürftigen Jugendlichen zählten zu den Langzeitbeziehern, die in den letzten 24 Monaten mindestens 21 Monate auf staatliche Fürsorge angewiesen waren. »Neben materieller Entbehrung erleben diese Jugendlichen Arbeitslosigkeit und niedriges Erwerbseinkommen im Familienkontext, schlechtere Wohnverhältnisse sowie schlechte Chancen im Ausbildungssystem und in der Arbeitswelt. Hinzu kommt, daß sich Einkommensarmut auch verstärkt negativ auf die Gesundheit auswirken kann«, zitiert die Zeitung Bender weiter.

14. Februar: Die Bevölkerung der Stadt Celle und des gleichnamigen Landkreis in Niedersachsen ist überdurchschnittlich von Armut betroffen. Besonders hart treffe es (Klein-)Kinder und Jugendliche, berichtet die Cellesche Zeitung online. 28,4 Prozent der unter Dreijährigen in Celle lebten von »Hartz IV«, zitiert die Zeitung den kürzlich vorgestellten Sozialbericht für den Landkreis. Schlimmer sei es mit 29 Prozent nur noch in Unterlüß. In Eschede (26,8 Prozent) und Bergen (21,8 Prozent) sei die Quote ähnlich beunruhigend. Die Hilfsbedürftigkeit der Erwachsenen gehe in vielen Fällen einher mit einem fehlenden Schul- oder Berufsabschluß. Laut Dr. Henning Schridde, Verfasser des Sozialberichts, ließen sich aus diesen Erkenntnissen wichtige Leitlinien für die Politik entwickeln. »Für Kinder aus benachteiligten Familien sind Maßnahmen zur Unterstützung eines erfolgreichen Bildungsweges zu verstärken. Ein besonderes Augenmerk ist hier auf die Gruppe der Erwachsenen im Alter von 25 bis 40 Jahren zu richten, die keinen Berufsabschluß haben«, rät der Sozialwissenschaftler laut Cellesche Zeitung online.

16. Februar: Laut der Freien Presse aus Sachsen war im Vogtland jeder zehnte Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren auf »Hartz IV« angewiesen. Im Bundesdurchschnitt seien es rund 8,6 Prozent, so die Zeitung.

18. Februar: Das 2011 eingeführte Bildungspaket, das für Kinder aus sozial benachteiligten Familien bessere Teilhabe ermöglichen sollte, wurde von den Empfängern nicht angenommen. Zu wenige Eltern der rund 2,5 Millionen anspruchsberechtigten Kinder hätten entsprechende Anträge gestellt, meldet die Frankfurter Rundschau. Der Bund will nun sein Geld zurück, die Länder aber wollen es behalten und für andere Zwecke ausgeben. Schon bei seiner Einführung galt das Bildungspaket wegen der umständlichen Antragsformulare als bürokratisches Monstrum. Offenbar wird es aber auch nach einer längeren Eingewöhnungsphase nicht angenommen. »Die Verwaltung tut nicht genug, um den Bedürftigen die ihnen zustehende Unterstützung zukommen zu lassen«, zitiert die Zeitung den Politiker Özcan Mutlu von Bündnis 90/Die Grünen.

19. Februar: Die Kosten für eine Brille sind im Regelsatz von 382 Euro enthalten. Die realitätsferne Bürokratie, die die »Hartz-IV«-Gesetze zu Papier gebracht hat, hatte sich gedacht, daß die Menschen jeden Monat von dem so schon knappen Geld ein paar Cent zur Seite legen und für eine Brille sparen würden. Diesen Irrsinn im wahrsten Sinn des Wortes mußte laut der Meinerzhagener Zeitung eine junge Frau aus dem nordrhein-westfälischen Lüdenscheid erleben. Die 29Jährige hatte bei ihrem Jobcenter eine Umschulung beantragt, für die sie laut ihrem Augenarzt eine Brille gebraucht hätte. Beide Anträge wurden abgelehnt, schreibt das Blatt. Hilfe in der Not erhielt die Frau schlußendlich dank einer finanziellen Spende der Initiative »Glücksbringer« der Lüdenscheider Zeitung. Denn sie wolle sich weiter um eine neue Ausbildung bemühen, um den Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen, zitiert das Blatt die Frau.