Nach der jüngsten Präsidentenwahl in der Tschechischen Republik (s. Ossietzky 4/13) schrieb die Deutsche Presse-Agentur in einer Meldung über den Sieger Miloš Zeman, der ehemalige Sozialdemokrat habe die Sudetendeutschen während seiner Ministerpräsidentenzeit als »fünfte Kolonne Hitlers« diffamiert und damit einen internationalen Skandal ausgelöst. Die meisten Zeitungen haben den Satz übernommen, obwohl er zwei Fehler enthält – einen handwerklichen und einen sachlichen. Beginnen wir mit dem letzten.
Richtig ist, daß Zeman die Sudetendeutschen als Fünfte Kolonne Hitlers bezeichnet hat – diffamiert hat er sie damit aber nicht. Der Begriff stammt aus dem spanischen Bürgerkrieg. Geprägt hat ihn Emilio Mola, einer der Anführer des faschistischen Putsches gegen die demokratisch gewählte Regierung. Als der General mit vier Kolonnen auf die von den Republikanern gehaltene Hauptstadt vorrückte, verkündete er siegessicher, eine Fünfte Kolonne befinde sich bereits in Madrid. Er meinte damit die Sympathisanten der Faschisten.
Nach dieser Definition kann nicht zweifelhaft sein, welche Rolle die Sudetendeutschen mehrheitlich gespielt haben, als Hitler seine Kolonnen gegen die Tschechoslowakische Republik in Marsch setzte. Zehntausende beließen es nicht bei bloßer Sympathie für Hitler, sondern schlossen sich dem von Deutschland aus operierenden Sudetendeutschen Freikorps an, einer bewaffneten Terrororganisation, die durch Überfälle auf tschechische Grenzposten für jene Spannungen sorgte, die Hitler für die geplante Zerschlagung der Tschechoslowakei brauchte. 110 Menschen wurden bei solchen Aktionen ermordet. Die Teilnahme von Personen deutscher Volkszugehörigkeit an illoyalen Aktionen oder Verschwörungen lasse sich dokumentarisch belegen, schreibt der amerikanische Historiker Alfred M. de Zayas in seinem Buch »Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen«.
Ein halbes Jahr bevor sie den Einmarsch der Soldaten Hitlers mehrheitlich bejubelten, stimmten 90 Prozent der Sudetendeutschen bei der Kommunalwahl im Mai 1938 für die Partei jenes Konrad Henlein, der seine Rolle später – als Gauleiter der NSDAP – so beschrieb: »Um uns vor tschechischer Einmischung zu schützen, waren wir gezwungen[,] zu lügen und unsere Ergebenheit für die Sache des Nationalsozialismus zu leugnen. Lieber hätten wir uns offen zum Nationalsozialismus bekannt. Es ist jedoch eine Frage, ob wir dann imstande gewesen wären, unsere Aufgabe zu erfüllen – die Tschechoslowakei zu vernichten.« (Der neue Tag, 5. März 1941)
Ein deutscher Regierungschef, zumal ein sozialdemokratischer, sollte sich in mitteleuropäischer Geschichte halbwegs auskennen. Nicht so Gerhard Schröder, der aus Protest gegen die Äußerung seines damaligen Parteifreundes Zeman einen Besuch in der tschechischen Hauptstadt kurzerhand absagte. Anschließend reiste sein Außenminister Joschka Fischer nach Prag, um den Schaden zu kitten, den Schröder angerichtet hatte. Ein internationaler Skandal war das nicht, allenfalls eine Blamage für die deutsche Regierung, die den einseitigen Geschichtsbildern der sudetendeutschen Landsmannschaft auf den Leim gegangen war. Soweit die sachliche Seite der Angelegenheit.
Was den handwerklichen Fehler betrifft, so hat sich die Deutsche Presse-Agentur mit ihrer Aussage, Miloš Zeman habe die Sudetendeutschen diffamiert, ein Werturteil Dritter zu eigen gemacht und damit gegen das Gebot der Objektivität verstoßen. Von beiden Fehlern wollte die Agentur anfänglich nichts wissen. Doch dann – das erfuhr ich hinterher – stieß jemand im Internet unter www.bohemistik.de/vertreibung auf den Text eines Vortrages, den ich als kleine Nachhilfe für Unkundige 2008 über das »Geheimnis der Fünften Kolonne« gehalten habe. Nun änderte sich alles. Die Agentur gab zu, ein »unkorrektes Geschichtsbild« transportiert zu haben, und entschuldigte sich. Da hatten die Zeitungen dieses falsche Geschichtsbild längst an Millionen Haushalte weitergegeben und der Aussöhnung zwischen Tschechen und Deutschen wieder einmal einen Bärendienst erwiesen.