Willy-Brandt-Stiftung. – Die geplante Benennung des Flughafens Berlin- Brandenburg nach Willy Brandt bereitete Ihnen zu Beginn des Jahres angeblich Sorgen, weil das Andenken an den Friedensnobelpreisträger dadurch möglicherweise beschmutzt werden könnte. Inzwischen sollen Sie Ihre Bedenken mit der Begründung zurückgestellt haben, die Erinnerung an Willy Brandt werde die unrühmliche Vorgeschichte des Flughafens überleben. Sie sollten sich da nicht allzu sicher sein. Der neue Flughafenchef Hartmut Mehrdorn kennt diesbezüglich keine Skrupel. Als Bahnchef hat er die Namen von Sophie Scholl, Carl von Ossietzky und Graf Stauffenberg schließlich auch kurzerhand von den ICE-Zügen entfernt – mit Rückendeckung des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder.
Olaf Scholz, HH-Bürgermeister. – Unter dem Kanzler Gerhard Schröder waren Sie als SPD-Generalsekretär parteiamtlicher Verfechter der Agenda 2010. Zu deren zehnjährigem Jubiläum wollte die FAZ von Ihnen wissen, wie es denn zur Expansion des Niedriglohnsektors gekommen sei, ob da ein Zusammenhang mit der Agendapolitik bestehe. Nein, nein, sagten Sie – Globalisierung sei die Ursache für Armutslöhne. Das Licht Ihrer Partei sollten Sie aber nicht unter den Scheffel stellen! Halten Sie sich an Ihren Ex-Kanzler, der hat doch – 2005 anläßlich der Eröffnung des Weltwirtschaftsforums in Davos – als seinen Erfolg verkündet: »Wir haben einen der am besten funktionierenden Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.«
Bertelsmann-Stiftung, politikberatend. – Mit einer neuen Studie haben Sie wieder einmal den Diskurs über soziale Reformen bereichert, eine Agenda 2020 zeichnet sich ab: Das gesetzliche Renteneintrittsalter, schlagen Sie vor, soll auf 69 Jahre heraufgesetzt werden. Aber warum so moderat, dann muß doch alle paar Jahre eine weitere Steigerung verlangt werden, geben Sie einfach bekannt: Deutschland muß wettbewerbsfähig bleiben – die Rente gibt es in Zukunft erst ab 80 Jahren!
Jorge Mario Bergoglio, Bischof von Rom. – »Möge Gott Euch Eure Tat vergeben.« So sprachen Sie nach Ihrer Wahl zum Papst den Kardinalskollegen zu, die Ihnen dieses Amt zugeteilt hatten. »Sinn für Humor« wurde Ihnen daraufhin attestiert. Warten wir ab, ob daraus nicht eher vorausschauender Realitätssinn sprach, Humor schon, jedoch schwarzer.
ARD-ZDF. – Wirklich empörend war Ihre kaum vorhandene Berichterstattung über die Wahl des neuen Papstes. Am Mittwoch, dem 13., haben sie uns in einer kurzen Sondersendung von 19 bis 20 Uhr über die diversen Erwartungen katholischer Presse- und Würdenträger sowie mit lustigen Ratespielen unterhalten, um uns dann in der »Tagesschau« lumpige 30 Minuten über den neuen Stellvertreter zu informieren. Durch einen technischen Fehler war merkwürdiger Weise auf dem ZDF das gleiche Programm zu empfangen. Auch das öffentlich-rechtliche Radio hat das Ereignis nicht so gewürdigt, wie es in einem Gottesstaat üblich wäre. Der Deutschlandfunk widmete dem Ereignis am nächsten Tag nicht mal 50 Prozent seiner Sendezeit, in den darauffolgenden Tagen sank der Anteil nochmals um etliche Prozentpunkte ab, so daß viele wichtige Fragen wie der Name des Frisörs des neuen Pontifex oder seine Lieblingslasagne unter den Tisch fielen. Wir fordern daher als gläubige Gebührenzahler eine ausgewogene und neutrale Berichterstattung, wie sie von Radio Vaticana schon seit langem beispielhaft praktiziert wird. In dubio pro deo!
Jeroen Dijsselbloem, Eurozonenchef. – Kaum erst im Amt, dürfen Sie einen kreativen Beitrag zur Sanierung von Banken der Öffentlichkeit vorzeigen: Die privaten Kleinsparer sollen blechen. Ihre Kollegen Finanzminister aus den Staaten der Euro-Gruppe wollen dies mit einem Probelauf des Modells in der Zypern-Finanzkrise auf den Weg bringen. Ungewiß ist, ob Ihre Genossen in der niederländischen Partei der Arbeit auf den Gedanken kommen, demnächst irgendwann könnte es auch ihren Sparguthaben übel ergehen.