Die Berliner Wasserbetriebe waren im Jahr 1999 über eine Holding AG zu 49,9 Prozent an die Konzerne RWE und Veolia veräußert worden. Es war die größte Teilprivatisierung eines kommunalen Wasserbetriebes innerhalb der Europäischen Union. Die geheimen Verträge dieser »Öffentlich-Privaten Partnerschaft« (ÖPP) enthielten eine Gewinngarantie und wurden erst unter dem Eindruck des vom Berliner Wassertisch erzwungenen Volksentscheides vom Senat veröffentlicht. Im Oktober 2012 kaufte das Land Berlin den Anteil des Konzerns RWE zurück, der Rückkauf des Veolia-Anteils erfolgte im November letzten Jahres.
Mit dem überteuerten Rückkauf der privaten Anteile ist das Ende des Weges zur Rekommunalisierung noch nicht erreicht. Viele umweltpolitische und soziale Aufgaben sind liegengeblieben. In den 14 Jahren nach dem Privatisierungsbeschluß war die Tätigkeit der Berliner Wasserbetriebe der Gewinnerzielung untergeordnet. Obwohl das Land Mehrheitseigner der Wasserbetriebe blieb, lag die technische und kaufmännische Leitung vollständig in privater Hand. Die Wasserpreise stiegen um mehr als 35 Prozent. Die für Investitionen vorgesehenen Anteile des Wassergelds wurden als Gewinne an die Privaten ausgezahlt. Die Belegschaft der Wasserbetriebe wurde um ein Drittel reduziert.
Der Berliner Wassertisch fordert nun eine Umstrukturierung der nach wie vor als komplexe Holding organisierten Berliner Wasserbetriebe (s. Ossietzky 4/14) und zieht aus den Fehlentwicklungen der Teilprivatisierung den Schluß, daß die Bürgerinnen und Bürger künftig an Entscheidungen der Wasserbetriebe beteiligt sein müssen, um sicherzustellen, daß die rekommunalisierten Betriebe sich an den gebotenen sozialen, ökologischen und demokratischen Kriterien orientieren. Der öffentliche Status eines Betriebes garantiert heutzutage keinesfalls die Orientierung am Gemeinwohl, zu stark ist die Dominanz der Wirtschaft gegenüber der Politik. In Zeiten, da immer mehr privatrechtlich gefaßte Verträge die Demokratie aushöhlen und die Orientierung an einzelwirtschaftlicher Rentabilität das Denken und Handeln der Führungskräfte in Verwaltung und öffentlichem Dienst bestimmt, versagen die Repräsentativorgane zunehmend bei der Aufgabe, die notwendigen demokratischen Kontrollen auszuüben. Die bestehenden Gremien der repräsentativen Demokratie allein sind nicht mehr imstande, die Probleme eines von der entfesselten Ökonomie unterminierten Gemeinwesens und der immer massiveren Einflußnahme von Lobbyisten zu lösen.
Vor diesem Hintergrund gründeten Ende November letzten Jahres Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher gesellschaftlicher Initiativen und Organisationen den Berliner Wasserrat. Erste Stellungnahmen wurden bereits in der Gründungsversammlung eingebracht, weitere Initiativen, Verbände und Experten haben seitdem in den öffentlichen monatlichen Sitzungen zentrale Themenfelder zur Bürgerbeteiligung an den Berliner Wasserbetrieben erschlossen.
Künftig sollen nicht nur alle relevanten Unterlagen für die Bevölkerung zugänglich sein, wichtig ist, daß die Berlinerinnen und Berliner auch in die unternehmerischen Entscheidungen eingebunden werden. Gefordert wird, daß der Berliner Wasserrat neben Informations-, auch Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte über die grundlegenden Unternehmensziele und die Grundsätze der Unternehmensführung der Berliner Wasserbetriebe erhält. Die Zusammensetzung des Wasserrates und wer in welchem Verfahren seine Mitglieder wählt, wird eine entscheidende Frage des weiteren gesellschaftlichen Diskurses sein.
Der Berliner Wassertisch hatte zur inhaltlichen Verständigung der Akteure und zur modellhaften Orientierung im September 2013 den Entwurf einer »Berliner Wassercharta« vorgestellt, die in den laufenden Sitzungen durch inhaltliche Eingaben weiter bearbeitet wird. Leitlinie der Wassercharta ist eine transparente, also ohne geheime Gremien arbeitende, sozial gerechte, ökologisch nachhaltige und direkt-demokratische Wasserwirtschaft – eine erneute Privatisierung soll durch sie ausgeschlossen werden.
Eine Zukunftsoption für Berlin eröffnet das Pariser Modell. Im Jahr 2010 brachte die französische Hauptstadt nach 25 Jahren privater Wasserwirtschaft die Wasserversorgung in städtischen Besitz zurück. Mit »Eau de Paris« wurde ein Unternehmen in öffentlicher Hand gegründet. Neben dem Verwaltungsrat des Unternehmens, dem »Conseil d'Administration«, besteht ein partizipatives Kontrollgremium mit beratender Funktion, der »Observatoire parisien de l'eau«, in dem Vertreter des Verbraucher-, Mieter-, und Umweltschutzes wie auch unabhängige Wissenschaftler und Experten versammelt sind. Das Beteiligungsmodell für die deutsche Hauptstadt wird eine Weiterentwicklung des Pariser Modells darstellen, insofern es nicht nur beratende, sondern eine direkt mitbestimmende und kontrollierende Funktion übernehmen soll.
Auf Rekommunalisierung muß Demokratisierung folgen. Für die Berliner Wasserbetriebe besteht jetzt die einzigartige Chance, ein Modell der direkten Beteiligung an einem öffentlichen Unternehmen zu entwerfen, das ein wichtiger Markstein auf dem Weg zur Wiederherstellung des Primats der Politik und Leitbild für Rekommunalisierungen im Bereich der Daseinsvorsorge sein kann.
Weitere Informationen unter: www.berliner-wassertisch.net, Diskussionsvorlagen können eingebracht werden über: sprecherteam@berliner-wassertisch.net.
Zur Autorin: Ulrike von Wiesenau ist Pressesprecherin des Berliner Wassertisches, Mitbegründerin des direktdemokratischen Untersuchungsausschusses »Klaerwerk« und des Berliner Wasserrates.