Die Stoßrichtung vieler, die sich zunehmend Sorgen um ihre wirtschaftliche Situation machen, richtet sich weniger gegen das kapitalistische System als gegen die Banken innerhalb dieses Systems. Zum Teil sind ganze Theoriegebäude entstanden, die von einem »finanzmarktgetriebenen Kapitalismus« sprechen und so mehrwertabschöpfende Banken anstelle der mehrwertproduzierenden Unternehmer in den Mittelpunkt des heutigen Kapitalismus rücken. Das verbindet sich zuweilen mit dem Hinweis, daß der Kapitalismus etwa zu Zeiten eines Ludwig Ehrhard, als die Banken noch keine so große Rolle gespielt hätten, viel besser gewesen sei.
Zwei Argumente sind in diesem Theoriegebäude zentral, um die es in der letzten Zeit jedoch stiller geworden ist.
Das eine ist das Argument von einem völlig aufgeblähten Sektor, der dringend geschrumpft werden müsse, damit die dort Tätigen einer sinnvollen, produktiven Arbeit zugeführt werden könnten. Das Argument mag in der Hochphase der spekulativen Welle, die sich 2008 mit der Pleite von Lehman Brothers brach, gewisse Plausibilität gehabt haben. Danach sind aber nicht nur in London und New York viele Arbeitsplätze der smarten Jungs in Designeranzügen abgebaut worden. Nach Untersuchungen von ver.di sinkt auch die Zahl der im Bankbereich beschäftigten Kolleginnen und Kollegen in Deutschland beständig. Waren es 2007 noch über 660.000 Menschen, die bei Banken und Sparkassen ihr Einkommen verdienten, sind es 2013 noch 630.000 gewesen. Das sind weniger als 1,5 Prozent aller Beschäftigten. Aufgebläht sieht anders aus.
Die zweite zentrale These dieser Theorie, die in den 1980er und 1990er Jahren modern war, lautet, daß dieser neue Kapitalismus Mechanismen entwickelt habe, einen überproportional hohen Anteil des im produzierenden Gewerbe geschaffenen Mehrwerts an sich zu raffen. Vom höchsten Olymp der kapitalistischen Welt, dem Weltwirtschaftsgipfel, aus, der im Januar 2015 in Davos zusammentrat, hat sich auch dieses Argument in Rauch aufgelöst. Die Unternehmensberatung Oliver Wyman beklagte dort laut Börsenzeitung, daß die durchschnittliche Rendite der großen Finanzinstitute kurz nach der Jahrtausendwende noch bei rund 20 Prozent gelegen habe und bis zum Jahr 2013 auf sieben Prozent gesunken sei – damit sei sie »deutlich unter den Schnitt der Industrieunternehmen gerutscht«.
Der Kapitalismus mag sich in seinen Erscheinungen wandeln, aber sein Kern ist immer die Erzeugung von Mehrwert und Profit aus der Produktion gegenständlicher Waren und konkret nützlicher Dienstleistungen. Die Fixierung auf die raffenden Banken führt in die Irre. Versuche, die Profite schaffenden Unternehmer aus dem »Schußfeld« von Klassenkämpfen zu ziehen, mögen verlockend sein, sie stimmen mit den ökonomischen Fakten des Systems aber nicht überein.