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Titel715

Die neuen Gottesstreiter in Schleswig-Holstein  (Hartwig Hohnsbein)

Die Bürger Schleswig-Holsteins sollen mittels ihrer Verfassung wieder zu Gott gebracht werden. Das jedenfalls will eine »Volksinitiative«, die dieser Tage eine Kampagne unter dem Motto »Für Gott in Schleswig-Holstein« startete und darauf abzielt, in die Präambel der Landesverfassung einen »Gottesbezug« aufnehmen zu lassen. Genau das hatte der Landtag im Oktober vorigen Jahres abgelehnt.


Innerhalb von zwölf Monaten muß die »Volksinitiative« nun 20.000 Unterschriften für einen »Gottesbezug« zusammenbringen. Gelingt das, muß sich der Landtag noch einmal mit dem Thema beschäftigen; bei erneuter Ablehnung droht die »Volksinitiative« schon einmal ein Volksbegehren mit möglichem Volksentscheid an.


Initiator der Kampagne war die katholische Kirche des Landes, die hier mit 160.000 Mitgliedern mächtige sechs Prozent der Bevölkerung stellt. Nach anfänglichem Zögern hat sich ihr die evangelische »Nordkirche« angeschlossen, der 2007 53 Prozent der Bevölkerung angehörten. In Zeiten rapiden Mitgliederschwundes, so erkannte man, müssen religiöse Organisationen zusammenstehen. Das sahen dann ebenso auch die jüdischen Gemeinden und der muslimische Verband »Schura«; auch sie machen mit. Schura-Chef Fatih Mutlu erklärte in den Kieler Nachrichten: »Die Weltreligionen glauben an einen Gott«, als ob der »eine« Gott, liest man ihre »Heiligen Schriften« – den Koran der Mohammedaner, die Thora der Juden, die Bibel der Christen – überall der gleiche wäre. Das Gegenteil ist richtig!


Die Kirchen stellten als Anschubfinanzierung der Kampagne je 40.000 Euro bereit; aus einem »Unterstützerkreis« mit inzwischen mehr als 15 »Promis« des Bundeslandes aus Politik (so die Ex-Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen und Björn Engholm), Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Sport wird bald noch mehr Geld »für Gott« fließen. Und die einfachen Bürger, die zu über 40 Prozent in keiner Religionsgemeinschaft sind, werden sich monatelang anhören müssen, warum »Gott« unbedingt in ihre Landesverfassung hineingehört: Björn Engholm sieht darin laut Lübecker Nachrichten »einen Appell, höheren Werten zu folgen«. Der Ex-Minister Claus Möller (SPD) bekennt, »daß er sich ein ethisch verantwortliches Handeln ohne Gottesbezug nicht vorstellen könne« (KN), und alle wissen laut Göttinger Tageblatt: »Der Gottesbezug macht deutlich, höheren Werten verpflichtet zu sein als menschlichen Gesetzen« – als ob 1700 Jahre Christentumsgeschichte seit dem römischen Kaiser Theodosius (um 400 n. Chr.) nicht lehren: Wo das Bekenntnis zu »Gott« in der Politik, in der (Natur-)Wissenschaft, in der Kunst, in kirchlichen Heimen vorgegeben wurde, da waren meist Brutalität und Menschenverachtung, Rückständigkeit und Engstirnigkeit nicht weit, wohl aber die Menschenrechte. Die Kreuz- und Missionsfeldzüge bis in unsere Zeit unter dem Schlachtruf »Gott will es« und der Kampf der Kirchen gegen alle Erkenntnisse, die die biblische Weltsicht, wonach die Erde eine Scheibe sei, außer Kraft setzten, sind nur die bekanntesten Beispiele dafür.


Darüber wird in der »Kampagne für Gott« selbstverständlich nicht gesprochen, auch nicht davon, was es mit dem biblischen »Gott« auf sich hat und welche »Werte« sich mit ihm verbinden. Das soll hier nun geschehen, zum Nutzen vielleicht in aufdringlichen Gesprächen mit den neuen Gottesstreitern.


Der christliche Gott, der »dreieinige Gott«, nahm seinen Anfang durch den heidnischen römischen Kaiser Konstantin auf der Reichssynode in Nicäa (Kleinasien) im Jahre 325 n. Chr. (Rolf Bergmeier: »Kaiser Konstantin und die wilden Jahre des Christentums«, 2010). Der Kaiser wußte, daß für die Einheit des Reiches auch ein »einheitlicher Gott« erforderlich wäre und beendete den bürgerkriegsähnlichen Streit der Christen untereinander, ob Jesus, der Sohn, mit seinem Vater, dem »Vatergott«, »wesensgleich« oder nur »wesensähnlich« wäre, mit dem Machtwort: »Beide sind wesensgleich!« Diese Gottesformel ist zwar, genealogisch betrachtet, ziemlicher Unfug, doch für den Glauben gerade deshalb überzeugend, weil für ihn gilt: »Credo quia absurdum est.« (»Ich glaube, weil es unsinnig ist.«) Im Jahre 381 n. Chr. wurde dann, ebenfalls durch ein kaiserliches Machtwort, das des Kaisers Theodosius, der »Heilige Geist«, der bis dahin nur Kandidat im Wartestand war, als dritte Person in den Gottesbund aufgenommen – fertig war die Trinität, die »Dreifaltigkeit«, zu der sich seitdem Tag für Tag Abermillionen Christenmenschen bekennen. Für den gläubigen Mohammedaner ist die »Trinitätslehre« eine »Dreigötterlehre« und damit ein Greuel. Deshalb heißt es in der 112. Sure seiner Heiligen Schrift: »Allah ist der alleinige einzige und ewige Gott. Er zeugt nicht und ist nicht gezeugt und kein Wesen ist ihm gleich.« Dieses Wort aus dem Koran richtet sich gegen den »Bibelgott«.


Wer nun danach fragt, welches die »Werte«, die vielgepriesenen »Christlichen Werte« sind, die vom Bibelgott ausgehen und die uns nach der Vorstellung der »Volksinitiative« »Leit- und Richtschnur« (www.domradio.de) sein sollen, der sollte die »Heilige Schrift« der Christen aufmerksam und unvoreingenommen lesen. Dabei wird er finden: Diese »Werte« sind widersprüchlich, weil der Bibelgott selbst ein widersprüchliches Wesen ist: Mal ist er rachsüchtig (1. Könige 18), mal fürsorglich (1. Mose 3.21); mal ist er mitfühlend mit »Fremdlingen« (2. Mose 22.20), mal blutrünstig gegen ganze Volksgruppen, die er ausrotten läßt (Josua 11.6 ff.). Er kann hinterhältig sein, wenn er seinem auserwählten Volk »Gebote gibt, die nicht gut waren, und Gesetze, durch die sie kein Leben haben« – und damit noch prahlt (Hesekiel 20.25). Er verfügt den Tod für Homosexuelle (3. Mose 20.13) und die Steinigung für »widerspenstige Söhne« (5. Mose 21.16 ff.). Und diejenigen, die seinen Gesetzen nicht gehorchen, bestraft er damit, daß sie »das Fleisch ihrer Söhne und Töchter essen sollen« (3. Mose 26.29). Noch brutaler war er gegen Jeftah, seinen »Richter« und Heerführer, der wegen einer Vereinbarung mit ihm seine Tochter als Brandopfer für ihn schlachten muß (Richter 11) und später, im Neuen Testament, den Christen als Vorbild für Gerechtigkeit angedient wird (Hebräer 11.32).


Anzumerken bleibt zu einem besonderen biblischen »Wert«, dem knabenschändenden Ritus der »Beschneidung«, der kürzlich noch vom Bundestag – von den Kirchen unterstützt – gebilligt wurde, daß der auf einen Mordanschlag Gottes auf seinen Erwählten Mose zurückgeführt wird. In 2. Mose 4.24-26 ist über den göttlichen Blutrausch zu lesen: »Und als Mose unterwegs in der Herberge war, kam ihm der Herr entgegen und wollte ihn töten. Da nahm Zippora (die Frau des Mose) einen scharfen Stein und beschnitt ihrem Sohn die Vorhaut und berührte damit seine Scham und sprach: ›Du bist mir ein Blutbräutigam.‹ Da ließ er von ihm ab. Sie sagte aber ›Blutbräutigam‹ um der Beschneidung willen.«

Bei Wikipedia findet man unter der Eingabe »Christliche Werte« diese: Glaube, Liebe, Hoffnung, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Recht. Diese Auflistung ist erheblich weniger als die halbe Wahrheit. Die allermeisten Texte, vor allem im ersten Teil des Bibelbuches, dem sogenannten Alten Testament, nennen – wie ausgeführt – auch andere: den Gehorsam immer wieder und die Kriegsbereitschaft, auch für Ausrottungskriege. Das 3. bis 5. Buch Mose, das Buch Josua und das Richterbuch sollten für jeden, der die gegenwärtige »Volksinitiative« kritisch begleitet, Pflichtlektüre sein.