Wieder ein Abschied. Am 23. März starb nach kurzer, schwerer Krankheit der »Theaterspaziergänger« Jochanan Trilse-Finkelstein nach einem arbeitsreichen, kreativen und kampferfüllten Leben. Jahrzehntelang besuchte er für die Ossietzky-Leser die Aufführungen der Berliner Bühnen und bestach in seinen Bewertungen durch unschlagbare Sachkunde und kritische Originalität.

Mit seiner Peter-Hacks-Biographie, deren Titel sich des Dichterzitats »Ich hoff, die Menschheit schafft es!« bedient, beschloss JTF sein literarisches Schaffen und gab sich zugleich selbst preis. Sein Lebensverlauf war von den tragischen und hoffnungsvollen Zeitereignissen des 20. und 21. Jahrhunderts geprägt. Sein Weg ist von unermesslichem Leid ebenso gezeichnet wie von seiner antifaschistischen Haltung, seiner Hoffnung und Toleranz und seinem unbeugsamen Friedenswillen. Bereits als Halbwüchsiger kämpfte JTF in Jugoslawien an der Seite seiner Eltern gegen die Nazis und deren Kollaborateure.

Erst in den 1950er Jahren konnte Jochanan Trilse-Finkelstein seinen philosophischen und theaterwissenschaftlichen Studien nachgehen und seinen Ambitionen folgen. Daran schlossen sich die dramaturgische Arbeit an mehreren Theatern und sein wissenschaftliches Wirken an den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten Weimar an. Als Lektoratsleiter im Henschelverlag und Redakteur der Weimarer Beiträge, als freischaffender Publizist und Herausgeber hinterließ er prägende Spuren. Seine Theaterlexika gehören zum Standard der Fachliteratur; seine vergleichenden Forschungen zu Heine und Tucholsky in Paris wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Seine jüdischen Lebens- und Gesellschaftsbilder »Jeder Tag ein Gedenktag« entstanden im Zusammenhang mit seinem Engagement im Jüdischen Kulturverein und förderten das deutsch-jüdische Kulturgedächtnis.

Der Verlust des klugen Humanisten und großen Theaterkenners wiegt schwer. Dennoch ist es für mich und die Redaktion Ossietzky eine kleine Genugtuung, mit Jochanan Trilse-Finkelstein 2015 seine Freude und seinen Stolz über den Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik geteilt zu haben.

Jochanan Trilse-Finkelstein fand seine letzte Ruhe auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee.

Verlag und Redaktion Ossietzky trauern um ihren Autor Jochanan Trilse-Finkelstein.