erstellt mit easyCMS
Titel718

Antworten

Hermann Unterstöger, bei der Süddeutschen Zeitung verantwortlich für gutes Deutsch. Sie wie die ganze SZ-Redaktion kümmern sich um die gute Sprache. Kürzlich waren Sie alle sehr bemüht, den Frauen zu ihrem Recht zu verhelfen. Es soll neben Kunde auch Kundin heißen und so weiter. Aber eines beachten Sie offenbar nie: Wo liegt Europa, und wie heißt es? Nehmen wir die Seite 1 am 13. März: Russische Flugzeuge hätten »Mal um Mal den europäischen Luftraum verletzt«. So zitieren Sie Theresa May. Russland ist jedoch das größte europäische Land. Es verletzt den europäischen Luftraum also durch seine bloße Existenz? Nach der Logik der SZ oder/und Frau Mays ist Europa nur Europäische Union. Norwegische oder schweizerische Flugzeuge zum Beispiel verletzen also den europäischen Luftraum? Und britische künftig – nach dem Brexit – auch? Olaf Scholz auf der gleichen Seite in der SZ: Es sei unbedingt notwendig, dass die Europäer zusammenhalten. Meint er damit wirklich »die Europäer«, also auch Russen, Norweger, Schweizer und künftig auch Briten?

 

Fa. Knorr, Marketing-Abteilung. – Noch immer glauben Sie, bestimmte Produkte Ihrer Firma nur unter dem Namen »Zigeunersoße« gewinnbringend vermarkten zu können. Appelle, auf den alten Namen zu verzichten, wiesen Sie zurück. Dass für die Menschen, die sich selbst als Angehörige der Volksgruppe der Sinti und Roma verstehen, die Fremdbezeichnung »Zigeuner« untrennbar mit der Jahrhunderte langen Geschichte ihrer Verfolgung und Diskriminierung verbunden und daher beleidigend und verletzend ist, ist Ihnen egal. Ihre Begründung: Es sei eine alteingeführte Bezeichnung, und die Kunden wüssten dann gleich, wie es schmeckt. Fällt Ihnen nichts Schlaueres ein? Sind Sie so phantasielos, dass Sie keine besseren Namen erfinden können? Ihr Konkurrent Maggi war kreativer. Im Maggi-Sortiment gibt es zwar weiterhin entsprechende Produkte, aber der Name »Zigeunersoße« wird schon lange nicht mehr verwendet.

 

Andrea Nahles, GroKo-Fan. – In der Bundestagsdebatte über die Regierungserklärung der Kanzlerin am 21. März wiesen Sie auf die Unsicherheit in der Welt hin und nannten die zahlreichen »militärischen Konflikte, die es derzeit gibt«, darunter die völkerrechtswidrige Aggression der Türkei gegen die Kurden in Nordsyrien. Sie forderten, auch mit Blick auf Afghanistan, Irak, Ukraine und die koreanische Halbinsel, »umsichtiges Vorgehen, aber auch eine klare Haltung«. Diesbezüglich waren Sie unzufrieden, und so schlossen Sie Ihre Ausführungen zu diesem Thema mit einem heftig hervorgestoßenen: »›Pfui‹ sage ich dazu nur.« Leider bezog sich das weder auf die geplante Verdoppelung der Militärausgaben noch auf die deutschen Rekorde beim Waffenexport oder auf die fehlende deutsche Unterschrift unter dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag. Was Sie monierten, war das Fehlen eines »funktionierenden Kompasses« bei der AfD. Sehr beeindruckend, Ihre klare Haltung!

 

Angela Merkel, Hoffnungsträgerin. – In Ihrer Regierungserklärung vom 21. März forderten Sie im Zusammenhang mit den Fluchtursachen zu einem Rückblick auf: »Vor sieben Jahren begann der so verheerende syrische Bürgerkrieg, ein Krieg, der Hunderttausende das Leben kostete, ein Krieg, der die Hälfte des syrischen Volkes zu Flüchtlingen gemacht hat. Hinzu kamen das Wüten des IS im Irak und in Syrien sowie der Zerfall der staatlichen Ordnung Libyens.« Im Kern, so Ihre Analyse, seien »all das Folgen des zunächst mit so vielen Hoffnungen begleiteten Arabischen Frühlings« gewesen. Leider haben Sie nicht gesagt, welche Rolle die Instrumentalisierung des »Arabischen Frühlings« durch ausländische Mächte mit dem Ziel des prowestlichen Regime Change als Fluchtursache gespielt hat. Die darauf gerichteten Hoffnungen zu benennen, wäre ehrlicher gewesen.

 

Christian Lindner, Anwalt der Bedürftigen. – In der Aussprache zur Regierungserklärung der Kanzlerin haben Sie Ihre Zuhörer in Erstaunen versetzt. Als »letzten, abschließenden Gedanken« kritisierten Sie die GroKo dafür, dass sie sich als »Koalition der kleinen Leute« bezeichnet habe. In unserem Land gebe es »keine kleinen Leute, auf die eine Regierung herabschauen kann«, monierten Sie. Sie selbst würden nur »Bürgerinnen und Bürger mit geringem Einkommen« kennen oder auch »Bürgerinnen und Bürger, die bedürftig und auf Hilfe und Solidarität angewiesen sind«. Haben wir da etwas nicht mitbekommen? Hat die FDP ihre Klientel gewechselt? Hat sie ihr Selbstverständnis als Partei der Besserverdienenden aufgegeben und jetzt die Erhöhung von Hartz IV und Mindestlohn auf ihre Fahnen geschrieben?

 

Heiko Maas, Außenminister-Darsteller. – Über die Präsidentenwahl in Russland äußerten Sie, die könne »sicherlich nicht als fairer politischer Wettbewerb bezeichnet werden, wie wir ihn kennen«. Dass auch die Bürger der Krim wählen durften – Wahlbeteiligung 63,8 Prozent, Wahlergebnis: 92 Prozent für Putin – finden Sie »inakzeptabel«, weil die Wahl auf »völkerrechtswidrig annektiertem Gebiet« stattgefunden habe. Für alles, was Recht ist, sind Sie die letzte Instanz. Das wissen wir seit dem Zensurgesetz, dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz, mit dem Sie sich einen Namen als reaktionärster Justizminister der BRD machten; Hans Globke lässt grüßen. Dass Sie nun russische Wahlergebnisse für nichtig erklären, erschüttert den Kreml bestimmt bis in die Grundmauern. Erstaunlich: Woher nehmen Sie nur das Selbstvertrauen, sich jedes politische Amt anzumaßen?

 

Marlehn Thieme, medienpolitisch führende Kirchenfrau. – Dem neuen ZDF-Fernsehrat bescheinigten Sie eine wesentlich größere Staatsferne als früher. Als dessen Vorsitzende nutzen Sie mit solchen Presseerklärungen grenzwertig das Recht auf Schönfärberei. Früher, bei 77 Ratssitzen, sah die Verteilung so aus: 16 Vertreter der Länder, drei des Bundes und nochmal drei der Kreise und Kommunen. Staatsquote: 29 Prozent. Hinzu kamen zwölf Bundestagsabgeordnete, das hob die Staatsquote auf 44 Prozent. Aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts hat der ZDF-Fernsehrat jetzt nur noch 60 Sitze. Ihm gehörten nach wie vor 16 Vertreter der Landesregierungen an, zwei Vertreter der Bundesregierung und zwei der Landkreise und Gemeinden. Das ergibt zwar eine Staatsquote von »nur« noch 33,3 Prozent. Aber lediglich der Anteil der Legislative wurde verringert. Die Exekutive gewann anteilig kräftig hinzu. Und da Sie und die anderen Kirchenvertreter als Staat im Staate unverändert massiv im Gremium repräsentiert blieben, kann von stärkerer gesellschaftlicher Kontrolle des Herz-Jesu-Senders ZDF überhaupt keine Rede sein. Amen.