Die Bundesrepublik Deutschland ist europäische Spitze. In allen Export- (auch von Kriegswaffen), Produktivitäts- und Profit-Statistiken steht sie ganz oben.
Anders sieht es aus, wenn wir die Arbeitsbedingungen und die Lage der Abhängigen betrachten. Würde man hier eine Rangliste aufstellen, landete die BRD weit abgeschlagen
Fast 6,5 Millionen Menschen (22 Prozent der Beschäftigten) sind sogenannte Niedriglöhner; ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Häufig wird ihnen unterstellt, sie seien selbst schuld: Sie hätten zu wenig gelernt. Aber 75 Prozent von ihnen haben eine abgeschlossene Berufsausbildung oder sogar einen akademischen Abschluß. Nach Großbritannien hat die BRD den höchsten Niedriglöhner-Anteil in der Europäischen Union.
Mindestlöhne, mit denen ein Abrutschen in Niedriglöhne verhindert werden soll, sind in 20 von 27 EU-Ländern per Gesetz verbindlich eingeführt. Nicht bei uns. Und so soll es nach dem Willen der meisten Unternehmer bleiben, damit sie die Löhne weiter nach unten drücken können. Sie profitieren auch von der Leiharbeit, die immer mehr Dauerarbeitsplätze verdrängt. 2007 zählte man mehr als eine Million Leiharbeiter.
Wenn Wissen und Bildung so wichtig für die Beschäftigung wären, wie Wirtschaftsfürsten und ihnen nahestehende Politiker sagen, und wenn ihnen an Vollbeschäftigung wirklich so viel gelegen wäre, wie sie behaupten, dann sollte man annehmen, daß die BRD kräftig ins Bildungswesen investieren würde. Aber es sind genau 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Benachbarte Staaten wie Tschechien, Italien und Frankreich wenden mehr auf, der EU-Durchschnitt beträgt 2,5 Prozent. Deutschland liegt ganz weit hinten.
Das gilt auch für die Sozialpolitik. Nach einer Untersuchung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) sind hierzulande in den vergangenen Jahren ausgerechnet die Menschen mit den höchsten Einkommen mehr als alle anderen von Steuern und Abgaben entlastet worden, während die Einkommensschwachen und auch die Durchschnittsverdiener von den diversen Steuer-»Reformen« kaum Nutzen hatten. Laut OECD haben Geringverdienende, vor allem Alleinerziehende, nirgendwo in der EU außer in Belgien und Ungarn so hohe Abgabelasten zu tragen wie in der BRD.
Aber auch der ehemalige Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Olaf Henkel, hat einen deutschen »Minus-Rekord« festgestellt: In keinem anderen Land zögen die Menschen dermaßen »neidisch« über die Gehälter der Manager her wie bei uns. Daran beteiligten sich sogar bekannte Politiker wie Horst Köhler, Angela Merkel, Kurt Beck, Jürgen Rüttgers und Heiner Geißler, sagte Henkel im Südwest-Rundfunk und behauptete allen Ernstes, mit diesen Politikern rutsche Deutschland nach links – was uns vielleicht beeindrucken würde, wenn wir nicht seit langem wüßten: Henkels Frechheit bricht alle Rekorde.