Die Moskauer Strafverfolgungsbehörden erfahren von einem korrupten Universitätsprofessor, der von seinen Studenten Schmiergelder erpreßt habe. Das Geld liege in seinem Safe. Mit Durchsuchungsbefehl erscheinen Polizisten im Büro des Beschuldigten, öffnen den Panzerschrank, finden die erwarteten Bündel mit 5000-Rubel-Noten und freuen sich über ihren Erfolg.
Sie freuen sich zu früh. Mit Büroklammer ist jedem Geldbündel ein Blatt Papier beigeheftet, und auf jedem Blatt steht ein einheitlicher Text: Der Student respektive Aspirant XY habe dem Professor absolut freiwillig dieses Geld zur Aufbewahrung gegeben, damit der Gelehrte später frei darüber verfügen, zum Beispiel es für wohltätige Zwecke spenden könne.
Ganz neu ist der Trick nicht. Die Moskauer Polizei fand bei Kriminellen unerlaubte Waffen, denen die handschriftliche Erklärung beilag: »Diese Pistole habe ich gerade eben in einer Mülltonne gefunden. Ich werde sie schnellstens beim nächsten Polizeirevier abgeben.«
Die Arbeitslosigkeit steigt. Wo suchen die Arbeitslosen nach neuen Stellen? Heutzutage vor allem auf der Internetseite des Arbeitsamts. Da finden sie zum Beispiel Stellenangebote für ein neues Kaufhaus. Ein Anruf genügt. Verdächtig wirkt nur die Vorwahl: eine ukrainische. Aber wenn man dringend einen Job braucht, läßt man nichts unversucht. Man ruft an und hört den automatischen Anrufbeantworter: Die gewählte Nummer gebe es nicht. Bei Überprüfung des Telefonkontos stellt man fest: Es ist um 250 Rubel erleichtert worden.
Manche Bauernfänger verhalten sich nicht wie Spinnen, die auf ihre Opfer geduldig warten, sondern ergreifen selbst die Initiative. So verschicken sie Job-Angebote per E-Mail. Die Bewerberin Jelena erzählt: »Ich erhielt eine Liste mit Stellenangeboten. Mir gefiel vor allem die Möglichkeit, in einer Anwaltskanzlei zu arbeiten.« Am nächsten Tag saß sie in einem Saal gemeinsam mit etwa 50 weiteren Bewerbern. »Keine Sorge«, beruhigte vom Podium aus eine Dame in teurem Kleid, »schreiben Sie nur gleich Ihre Anträge, Sie werden alle eingestellt.« Allerdings unter einer kleinen Bedingung: Jeder müsse eine Ausbildung absolvieren. Kosten: 10.000 Rubel, fällig: sofort. Das Geld werde später zurückerstattet. Muß ich noch hinzufügen, daß – kaum hatten einige Bewerber, die dazu in der Lage waren, die geforderte Summe gezahlt – die angeblichen Arbeitgeber verschwunden waren? Den Saal hatten sie für ein paar Stunden gemietet.
Ein Arbeitssuchender, der im Internet annonciert hatte, bekam einen Anruf von einem »Mitarbeiter einer Personalagentur«, der ihn zu einer Besprechung einlud. In dem Büro versicherte man ihm, er sei der ideale Kandidat für mehrere große Firmen. Man empfahl ihm, am besten gleich jetzt und hier eine Datei mit den Stellenangeboten zu kaufen. Später erfuhr er, daß die Offerten falsch oder längst überholt waren.
Aber auch bei amtlichen Angeboten gibt es keine Gewähr für die Richtigkeit. So bot das Moskauer Arbeitsamt rund 237.000 freie Stellen an, mehr als die Hälfte erwiesen sich als »Potemkinsche Dörfer«. Man stellte fest, daß viele Firmen, die unbesetzte Stellen gemeldet haben, die Bewerber mit unerfüllbaren Bedingungen überschütten, etwa daß der gesuchte Ladearbeiter zwei Fremdsprachen beherrschen und zwei Hochschuldiplome vorweisen müsse. Wenn der Bewerber ablehnt, hat die Firma das Recht, billige Gastarbeiter einzustellen.
Die Krise macht alle erfinderisch. Vor allem die Gauner und Schufte.