Aristophanes erlebte die schrecklichen Peloponnesischen Kriege (431–404 vor unserer Zeitrechnung), die grausamen Verwüstungen und die Niederlage Athens, aber in seinen etwa 40 Stücken, von denen elf erhalten sind, lehrt er das Lachen. Er verhöhnt die Kriegstreiber, die sich um einen Kriegsprofiteur scharen (»Die Ritter«), klagt die ungerechte Verteilung des Besitzes an (»Plutos«), würdigt einen Kriegsverweigerer (»Die Acharner«) und die Frauen, die endlich für friedliche Verhältnisse sorgen (»Lysistrata«, »Weibervolksversammlung«). Und er entwirft ein fernes Reich des Friedens, eine Art Wolkenkuckucksheim (»Die Vögel«).
Eine Nachdichtung der Aristophanes-Komödie »Der Frieden« von Peter Hacks hatte 1962 im Berliner Deutschen Theater einen grandiosen Erfolg. Hacks’ Fassung der »Vögel« dagegen blieb leider ungespielt. Zuvor hatte in den Jahren 1914–1920 der jüdische und darum jahrzehntelang fast vergessene Komponist Walter Braunfels aus diesem Stück eine Oper gemacht, die 1921 unter Leitung von Bruno Walter uraufgeführt wurde. Jetzt, fast neun Jahrzehnte später, durften Braunfels’ »Vögel« endlich im Berliner Konzerthaus zwitschern – leider nur in zwei konzertanten Vorstellungen, einstudiert von Lothar Zagrosek.
Zwei kriegsmüde Freunde, Ratefreund und Hoffegut, wollen mit Hilfe der Vögel ein Arkadien erschaffen und werden selber zu Vögeln. Doch die Götter greifen ein, liquidieren die Revolution. Ratefreund wird zum genügsamen Philister, der alle weltverändernden Ideale aufgibt, doch Hoffegut trägt die ewige Hoffnung des Menschen auf Veränderung zum Besseren und Schöneren weiter.
Braunfels vertonte das schöne Libretto mit spätromantischen, der Moderne nahen Mitteln, vor allem wagnert es kräftig. Aber seine Musik klingt nie eklektisch. Zagrosek nahm sich der Oper mit Intellekt und Energie an und leitete das Konzerthaus-Orchester, daß es eine Freude war – nicht immer sehr sängerfreundlich. Sein Tenor Jeffrey Francis (Hoffegut), den ich mir gut als Wagners Siegfried vorstellen kann, wäre gewiß erleichtert und für Hörer verständlicher gewesen, wenn der Kapellmeister sein voll aufspielendes Orchester etwas zurückgenommen hätte. Selbst Wagner hatte Orchestern geraten, nicht jedes FFF allzu ernst zu nehmen. Andere Sänger hatten es etwas leichter, etwa Joachim Goltz (Ratefreund), ein grundtönender Baß. Wunderschön Marisol Montalvo als Nachtigall, eine Leitfigur. Der zweite Sopran, Anna Prohaska, stand nicht viel nach, und Konrad Jarnot ließ schon die Göttermacht des Prometheus erkennen.
Man hatte die Sänger auf unterschiedlich hohe Stellagen gestellt, das war sicher gut für die Akustik. Aber sie mußten die ganze Geschichte nur über Text und Ton erzählen, konnten den Körper nicht einsetzen, durften nicht spielen – schade! Braunfels wollte Spiel, heiteres Spiel, dem Aristophanes entsprechend. Ob nun, nach diesem musikalischen Erfolg, vielleicht die Berliner Komische Oper für die szenische Realisierung sorgt?