Eigentlich könnte die FDP jetzt ein großes Jubiläum feiern: ihren 100. Geburtstag. Denn es war Frühjahr 1910, als sich die Freisinnige Volkspartei, die Deutsche Volkspartei und die Fortschrittliche Volkspartei zur Freiheitlichen Volkspartei zusammenschlossen, die dann zwar im Laufe der Jahre öfters den Namen wechselte, aber nie die Grundlage ihrer Politik. Das Ziel, für das die drei Parteien damals ihre Kräfte vereinten, blieb immer das gleiche: den Staat zum Diener der Besitzenden zu machen und den Wohlbetuchten zu noch mehr Reichtum zu verhelfen. Es waren Interessenvertreter von Banken und Exportindustrie, bessergestellte Akademiker, Militärfreunde, Förderer des Kolonialvereins und der Marine, stets Regierungstreue, die erkannt hatten, daß sie zwar nie an die Macht und zu den Milliarden-Vermögen der Krupps und Stinnes gelangen würden, daß aber diese Großindustriellen und deren Staat sie vor der Kraft der wachsenden Arbeiterschaft schützen würden.
Schon 1848 hatten sie Bündnisse mit dem Proletariat verlassen und auf die Demokratie gepfiffen, nachdem ihnen die Fürsten mehr Gewerbefreiheit versprochen hatten. Und sie bemühten sich dann mehr und mehr um das Wohlwollen der wirklich Herrschenden, die ihnen helfen konnten, Streiks zu verhindern, Löhne niedrig zu halten und den Arbeitern lange Arbeitszeiten aufzuzwingen.
Nach dem Zusammenschluß kam es zwar immer mal wieder zu Meinungsverschiedenheiten, zwar wurde nach dem verlorenen 1. Weltkrieg dann und wann eine neue liberale Partei gegründet, manchmal auch ein wenig links, aber wenn es um ihr Wohlleben ging, unterstützten sie jedes Regime, mal laut und mal ohne Propagandagetöse, je nach den Umständen – aber hat man je etwas von Widerstand führender Liberaler gegen die Nazis gehört? Ihr heutiges Idol Theodor Heuß zum Beispiel stimmte als Reichstagsabgeordneter für Hitlers Ermächtigungsgesetz und wurde 1949 erster Bundespräsident. Die sogenannten Liberalen hatten nämlich nach der Kapitulation der Nazi-Bande Demokratie und Freiheit wiederentdeckt; unter dem neuen Namen FDP beteiligten sie sich sofort an der Regierung und taten zusammen mit den Vertretern der Großbourgeoisie in der CDU/CSU alles, um den Kapitalismus zu stabilisieren. Sozialliberale Ansätze, wie Karl-Hermann Flach sie formulierte, wurden erfolgreich zurückgedrängt. Heute empört sich der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle grinsend: »Die Debatte um die Langzeitarbeitslosen trägt sozialistische Züge.«
Die Erfolge der FDP bei der Bereicherung der Reichen sind so groß, daß die Partei sie nicht allzu demonstrativ ausstellen möchte und wohl deswegen darauf verzichtet, das Jubiläum zu feiern. Daß die Medienkonzerne nicht daran erinnern, dürfte die selben Gründe haben. Und die öffentlich-rechtlichen Anstalten? Warum schweigen sie? Ihnen sei hiermit ein kurzer Nachhilfeunterricht erteilt.