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Titel0811

Mit beiden Beinen ins Gefängnis!  (Otto Köhler)

So soll es sein. So muß es sein, damit deutsche Soldaten nicht länger die Mörderlaufbahn einschlagen. Sie müssen endlich wenn nicht mit zwei, dann wenigstens »Mit einem Bein im Gefängnis« stehen. Das war – mit einem applizierten Fragezeichen – die Überschrift eines Artikels der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Deutschland, dessen für das Blatt und seine Leser erschreckender Untertitel lautete: »Das Völkerstrafrecht gilt nicht nur für Milosevic, sondern für jeden Bundeswehrsoldaten.«

Reinhard Müller, der Verfasser, ist zuverlässig. Er hat einen einwandfreien Vertriebenenstammbaum. Der Vater stammt, wie die Redaktion mitteilt, aus »Landsberg an der Warthe«, also aus Gorzow Wielkopolski. Und die Mutter aus Danzig, also aus Gdansk. Und er selbst diente nach dem Abitur 1987 bei den Feldjägern, die zu den erfolgreichsten Todesschwadronen der Wehrmacht gehörten. Danach schlug er, wie er selbst angibt, die »Reserveoffizierslaufbahn« ein und arbeitete vor seiner Anstellung bei der FAZ in der Abteilung für DDR-Unrecht bei der Staatsanwaltschaft Dresden – ein tadelloser Lebenslauf. Und in der Redaktion beschäftigt er sich jetzt nach eigener Auskunft »mit allem, was Recht ist«.

Aus solchem Mund müssen »unsere« Soldatinnen und Soldaten die Wahrheit als besonders bitter empfinden. Gewiß, Oberst Georg Klein und der Beihilfe leistende Oberfeldwebel Markus Wilhelm durften ihr Massaker bei Kundus straffrei durchführen. Denn die beiden deutschen Soldaten konnten, so ermittelte Müller bei der Bundesanwaltschaft, »nach gewissenhafter und immer wieder aktualisierter Prüfung aller ihnen zum Geschehensablauf bekannten Fakten annehmen, daß ausschließlich Aufständische vor Ort waren«. Deutsche Soldaten aus Deutschland dürfen bekanntlich afghanische »Aufständische« in Afghanistan straflos umbringen.

Aber – und das ist die böse Kunde für »unsere« Soldaten, die FAZ-Redakteur Müller verbreitet: Bundesanwalt Thomas Beck, zuständig für Völkerrecht, vertritt die Rechtsauffassung, daß »künftig« – einmal ist keinmal – selbstverständlich der Fall Klein berücksichtigt werden müsse: Wer nunmehr einen Luftschlag in Afghanistan anordnet, der kann demnach in vergleichbarer Lage »nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß er keine Zivilisten trifft«. Und Zivilisten schießen ist nicht erlaubt, obwohl die deutschen Soldaten extra nach Afghanistan gekommen sind.

Die Botschaft, daß deutsche Bundeswehrsoldaten in Afghanistan nicht morden dürfen, jedenfalls jetzt nicht mehr, betreffe insbesondere auch die »checkpoint-Fälle«. Also wenn deutsche Soldatinnen und Soldaten auf angeblich die deutsche Geschwindigkeitsbegrenzung in Afghanistan überschreitende Autos das Feuer eröffnen.

»Weiß also der Offizier, der Kommandeur der Bundeswehr im Einsatz, was er darf und was nicht?« fragt Müller. Er hat beim Legal Officer des Jugoslawien-Tribunals in den Haag Auskunft geholt. Und der sagt: Die Offiziere der Bundeswehr, die zu Informationsreisen nach den Haag kommen, zeigten sich »immer wieder erstaunt«: Die Verantwortlichkeit des Vorgesetzten reiche weit: »Wenn er hätte wissen müssen, daß seine Untergebenen Straftaten begehen, dann macht er sich selbst strafbar.« Den Soldaten der Bundeswehr, so zitiert die FAZ den Legal Officer, sei immer noch nicht bewußt, daß das nicht nur für die jugoslawische Armee, sondern auch für sie persönlich gelte. Und dann erinnerte Officer Nemitz an die Aussage des früheren US-Verteidungsministers Rumsfeld, wie er denn wissen könne, was nachts um drei Uhr im Irak geschehe. Darauf Nemitz: »Dafür stand Milosevic vor Gericht.«

Angela Merkel und ihr damaliger Verteidigungsminister Franz Josef Jung wußten zunächst auch nicht, was am 4. September 2009 nachts um zwei bei Kundus geschah. Aber da der Veranstalter des Massakers, der Oberst Georg Klein, sich noch immer auf freiem Fuß befindet und von seinen Soldaten bejubelt wird, wird man schlußfolgern müssen, daß alle drei – Merkel, Jung und auch Klein – nach allem, was Recht ist, ins Gefängnis müssen. Und die Soldaten, die mit ihren »Missionen« fremde Länder heimsuchen, gehören, bevor sie noch aufbrechen können, in die für derartige Leute hierzulande nicht unbekannte Sicherungshaft. Zu ihrem Besten. Denn besser als der Heldentod ist der Gefängnisaufenthalt allemal.