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Titel082013

Der Zypernfeldzug  (Arno Klönne)

Für eine Weile lieferte die Mittelmeerinsel täglich neuen Stoff, aber der Normalverbraucher massenmedialer Volksaufklärung in der Bundesrepublik erfuhr schon bei Beginn der Affäre durch die Schlagzeilen, was sich da abspielte: Die Euro-Sachwalter, ob in Brüssel oder in Berlin oder in Frankfurt am Main, gutmütig wie sie nun einmal sind, wollten mit einem »Rettungspaket« den Zyprioten zur Hilfe kommen. Die jedoch versuchten durch allerlei Tricks, die Zusendung hinauszuzögern oder gar die Annahme zu verweigern. Nicht einmal die Zustellgebühren wollten sie zahlen. Südeuropäische Leichtfertigkeit eben, auch Undankbarkeit gegenüber den Spendern, die für den Inhalt des Paketes Sorge und Kosten zu tragen bereit sind. Besonders die deutsche Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister waren empört: »Solidarität«, sagten sie, dürfe doch wohl mit »Solidität« bei den Empfängern der Wohltaten rechnen.

Begriffe sind in der Politik in aller Regel Verpackungsmaterial. Es empfiehlt sich, näher hinzuschauen, welche Realitäten in der Semantik stecken. Im Falle Zypern: Was sollte »gerettet« werden? Welchen Interessen gilt diese »Solidarität«? Was heißt hier »solide«?

Das »Rettungs«-Unternehmen galt dem Bankenstandort Zypern als Bestandteil des Euro-Währungssystems. Nicht so, als bräche die Euro-Zone zusammen, wenn diese Insel ausscheiden müßte; aber der internationale Finanzmarkt, das geheimnisvolle hohe Wesen, ist sensibel, er könnte zu sehr in Nervosität versetzt werden. Allerdings war, wie die Euro-Politiker sagten, das finanzwirtschaftliche Geschäftsmodell auf Zypern »überdimensioniert«, es sollte also abgespeckt werden.

Daß gelegentlich einzelne Banken über die Klinge springen müssen, wenn sie nicht »systemrelevant« sind, gehört, wie der Begriff schon signalisiert, zum System. Damit die externen »Retter« Zyperns Beifall beim Publikum in eigenen Landen bekommen, spielen sie auch eine moralische Karte aus, eine scheinbar kritische gegenüber Finanzspekulanten. In Zypern, so heißt es dann, habe sich fatalerweise ein Paradies für Kapitalbesitzer herausgebildet, die der Steuerpflicht entgehen wollen, auch für Geldwäscher, vor allem für dunkle russische Geschäftemacher. Also habe man »Solidität« erzwingen müssen.

Geht es endlich ganz generell den Nutznießern der »Steueroasen« an den Kragen? Keineswegs, jedenfalls nicht weltweit, nicht in Großbritannien, nicht in den USA, nicht einmal im kleinen Luxemburg und sonstwo. Und so ganz rigoros auch nicht auf der Mittelmeerinsel. Bei der Zwangsabgabe für Kontoinhaber auf Zypern werden erfahrene Finanzfüchse dieser Unannehmlichkeit zu entgehen wissen, soweit sie nicht schon ihre Wertpapiere verlagert haben, großes Geld ist flexibel.

Nun haben allerdings auch sehr viele und gar nicht so üppig begüterte Zyprioten ihre Ersparnisse bei zyprischen Banken untergebracht, häufig als Alterssicherung oder als Guthaben für die Ausbildung der Kinder. Diese Guthaben sind nicht mobil. Deshalb waren sie in den Blick der Euro-»Rettungskräfte« geraten: Da lohnt eine Zwangsabgabe, viel Kleinvieh bringt auch viel Dünger für den Finanzmarkt. Warum sollen Verluste der Großbanken nur von den Steuerzahlern ausgeglichen werden? Es gibt doch auch die Masse von kleinen Guthaben. Dieses Zugriffsmodell ist weit über die Insel hinaus interessant, da sollte Zypern das Terrain für einen Probelauf hergeben.

Bei dem über Nacht in Brüssel entworfenen Plan zur Teilenteignung der Masse der Kleinsparer war indes nicht bedacht, daß solch eine Vorgehensweise auch die künftig in anderen Euro-Ländern Betroffenen in Unruhe bringen würde; also ruderten die Politiker ein Stück zurück. In der Bundesrepublik beteuerten die Kanzlerin und der Kanzlerkandidat, deutsche Sparguthaben seien sicher.

Sollen wir glauben, ein leeres Versprechen fülle sich mit Garantieinhalt, wenn es wiederholt verkündet wird?

Angela Merkel und Peer Steinbrück wetteiferten um die Gunst der WählerInnen hierzulande: Die Zyprioten, sagen sie, müßten endlich begreifen, daß sie sich nicht auf Kosten deutscher SteuerzahlerInnen ein gutes Leben machen könnten. Sozialverträglich freilich müsse es beim Sanieren auf der Insel zugehen, auf die Rentenfonds dürfe der klamme Staat dort nicht zugreifen. Dieser Hinweis ist sicherlich als Beruhigung für besorgte Deutsche gedacht, denn mit dem tatsächlichen Geschehen im internationalen Finanzmarkt hat er wenig zu tun; schon längst verlieren auch in Euro-Ländern die Guthaben fürs Alter an Wert, und der globale finanzmarktliche Betrieb, zu dem es doch für die herrschende Politik »keine Alternative« gibt, schert sich nicht um Pensionskassen. Er bedient Rentiers, nicht Rentner.

In Zypern fand ein finanzpolitischer Feldzug statt, bei dem die Wirtschaftskrieger neues Handwerkszeug ausprobierten. Die Euro-Finanzminister, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds geben die strategischen Anweisungen, wo genau das eigentliche Oberkommando sich befindet, läßt sich nicht ausmachen; der Finanzmarkt ist ein mysteriöser Ort, das schützt ihn vor potentiellen Angreifern. Und es ist nicht so, als seien da ein paar große Verschwörer am Werk, es geht vielmehr, wie die Wissenschaft es nennt, systemisch zu, Dienste der Politik eingeschlossen.

Demonstriert ist nun, daß eine Nation wie Zypern mit lockerer Hand um ihre politische Souveränität gebracht werden kann, in der Praxis. Wirtschaftlich ist das Land weiter nach unten verwiesen; die Aufforderung der »Retter«, es solle sich endlich »wettbewerbsfähig« machen, hat etwas Höhnisches. Und auf die Ausbeutung zyprischer Gasressourcen bereiten sich schon externe Konzerne vor.

Auch bei kriegerischen Operationen in der Ökonomie bedarf es der Vernebelung. Und so wurde und wird denn von Politikern in Sachen Zypern gelogen, daß sich die Euro-Balken biegen.