Im Sommer 2006 hatte der inzwischen verstorbene Robert Kurz unter der Überschrift »Zeitbombe Betriebsrenten« angesichts der schrumpfenden Basis der Mehrwertproduktion im Kapitalismus düster auf folgenden Zusammenhang hingewiesen: »Die gesamte Weltwirtschaft schiebt einen Berg von Schulden, faulen Krediten und Abschreibungstiteln vor sich her. Einen wenig beachteten Aspekt bilden die Betriebsrenten der westlichen Konzerne. Entstanden in den längst vergangenen Zeiten der fordistischen Prosperität, sind sie zum Risikofaktor des neuen Finanzkapitalismus geworden.«
Weil die Zeitbombe bislang nicht explodiert, ist es seitdem um diesen dramatischen Hinweis etwas stiller geworden. Wie zur späten Bestätigung warnte jedoch jetzt, am 17. März 2015, die FAZ mit einem sechsspaltigen Artikel: »Der Niedrigzins sägt an den Betriebsrenten« und konstatierte: »Die deutschen Unternehmen ächzen zunehmend unter den niedrigen Zinsen an den Kapitalmärkten.« Das Blatt wies darauf hin, daß sich bei den DAX-Konzernen der Grad, mit dem die dortigen Betriebsrentenzusagen ausfinanziert seien, von 66 auf 61 Prozent reduziert habe. Dies ließe sich zwar – das hatte Kurz übrigens anders prophezeit – noch durch die gestiegenen Aktienkurse ausgleichen. Falls der gegenwärtige DAX-Höhenflug aber platzt, würde sich dieser Wert dramatisch weiter reduzieren.
Auf drei Säulen ruht die Altersversorgung der meisten Menschen in der Bundesrepublik Deutschland: neben der gesetzlichen Rente, die politisch immer mehr gestutzt wurde, auf Betriebsrenten und privater Absicherung, meistens Lebensversicherungen. Auch diese Säule wankt beträchtlich. Gefahr für sie droht von unerwarteter Seite. Während alle Welt nach Athen schaut, braut sich aus Kärnten vielleicht viel größeres Ungemach zusammen. Mehrere deutsche Landesbanken und Versicherungen haben nach wie vor in ihren Depots Papiere der Hypo Alpe Adria. Die galten als sichere Papiere, weil sie vom Bundesland Kärnten und damit der Republik Österreich verbürgt waren. Die Bank ist aber seit Ende des letzten Jahrhunderts in einem Strudel von Finanz- und Korruptionsaffären in Österreich und Kroatien untergegangen und im Dezember 2009 von Österreich zwangsverstaatlicht worden. Die Außenstände der Bank werden nun aber nicht mehr bedient, weil Österreich in aller Stille das vollzogen hat, was als Überlegung, vorgetragen von Athen, zu einem Aufschrei quer durch Europa führte: Es hat per Sondergesetz 2014 einen Schuldenschnitt für Hypo-Anleihen verfügt. Gegen den haben mehrere Gläubiger – unter anderen die Bayern LB, für die allein 2,4 Milliarden Euro in Gefahr sind – vor europäischen Gerichten geklagt. Verlieren sie die Klagen, können allein deutsche Banken und Versicherungen, so berichtete die FAZ, rund sechs Milliarden Euro in den Wind schreiben.
Wenn aber selbst Papiere, die von Österreichs Bundesländern garantiert werden, keine sicheren Papiere mehr sind – was sind dann Zahlungsversprechungen privater Versicherungen noch wert?
Die Zeitbomben für die auf dem Geldsystem aufbauenden Altersversorgungssysteme der kapitalistischen Länder ticken länger, als es Robert Kurz vermutet hat. Aber sie ticken immer lauter und gleich an verschiedenen Stellen des vermeintlich festen Fundaments.